Audio

Missbrauchsvorwürfe gegen verstorbenen evangelischen Pfarrer

Die Tür zum Pfarrbüro

Gegen einen verstorbenen Theologen der EKHN werden nach einem Bericht Vorwürfe der schweren sexualisierten Gewalt gegen Kinder erhoben. Er soll jahrelang seine Tochter missbraucht haben.

Die Wochenzeitung "Die Zeit" berichtete am Donnerstag über schwere Missbrauchsvorwürfe gegen den verstorbenen Theologen, Autoren und Pädagogen Arnulf Zitelmann. Der Beschuldigte war Pfarrer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN).

Den Recherchen zufolge soll er jahrelang seine Tochter missbraucht haben. Diese spricht in dem Bericht von einem 25 Jahre dauernden Kampf mit der Landeskirche um die Anerkennung des Missbrauchs, an dessen Ende eine Anerkennungsleistung in Höhe von 130.000 Euro gezahlt worden sei. Die Landeskirche wollte zu den Details des Falls keine Stellung nehmen.

Pfarrer in Frankfurt, Herborn und Messel

Der 1929 geborene Zitelmann war im Juli 2023 im Alter von 94 Jahren gestorben. Zuletzt lebte er in Ober-Ramstadt (Darmstadt-Dieburg). Er war in den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren Pfarrer in Frankfurt, in Herborn (Lahn-Dill) und Messel (Darmstadt-Dieburg).

Später arbeitete er als Religionslehrer in Darmstadt, bevor er sich auf das Schreiben von Kinderbüchern konzentrierte. Seine mehrfach ausgezeichneten Bücher erreichen eine Millionen-Auflage. Zudem veröffentlichte er 1973 eine "Didaktik der Sexualerziehung".

2012 Disziplinarverfahren eingestellt

Die Tochter berichtete laut der "Zeit", dass ein mit ihr befreundeter Pfarrer den für Zitelmann zuständigen Dekan 1999 über den Missbrauch informiert habe. Als eine Reaktion ausblieb, habe der befreundete Pfarrer eine "offizielle Eingabe" gemacht, die ebenfalls ohne Folgen geblieben sei.

2010 schließlich sei ein Disziplinarverfahren gegen Zitelmann eingeleitet worden, das 2012 eingestellt worden sei. Der Beschuldigte bestritt den Missbrauch stets.

EKHN-Präsident: "institutionelles Versagen"

Der "Evangelischen Sonntags-Zeitung" hatte der hessen-nassauische Kirchenpräsident Volker Jung bereits im Juli 2019 gesagt, dass er die Aussagen der Tochter für glaubwürdig halte. Die Zeitung hatte anonymisiert über den Fall berichtet.

Die Kirche befinde sich in einem Dilemma, da der Fall verjährt sei und juristisch nicht mehr aufgearbeitet werden könne. Das Disziplinarverfahren sei ergebnislos verlaufen, und die Persönlichkeitsrechte des Beschuldigten müssten geschützt werden. Die Tatsache, dass die "Eingabe" zu den Akten gelegt worden sei, bezeichnete Jung damals als "institutionelles Versagen".

2022 Vater als Täter bezeichnet

Im Jahr 2022 bekam die Tochter laut dem Bericht ein Schreiben der landeskirchlichen Anerkennungskommission, in dem der Vater als Täter bezeichnet wurde. Im vergangenen Jahr sei sie darüber informiert worden, dass die Landeskirche eine Anerkennungsleistung in Höhe von 130.000 Euro zahle.

Auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) teilte die Leiterin der Fachstelle gegen sexualisierte Gewalt der EKHN, Petra Knötzele, mit, dass der Landeskirche sehr daran gelegen sei, Verdachtsfällen von sexualisierter Gewalt nachzugehen "und Fälle in enger Abstimmung mit den betroffenen Personen aufzuarbeiten".

Bei den Gesprächen mit betroffenen Personen werde die Kirche oft gebeten, Anonymität zu wahren. "An diese Absprachen halten wir uns", sagte die Juristin.