Zwischen Protest und Wertschätzung Bundeswehr: Kritik auf Hessentag, Veteranen-Ehrung mit Minister-Lob
Die Bundeswehr wirbt auf dem Hessentag für Nachwuchs – mit ausgestellten Kampfjets und Hubschraubern. Dagegen gab es auf dem Landesfest in Bad Vilbel Protest. Mehr Zuspruch können die Bundeswehr-Soldaten am Veteranentag erwarten.
Eintauchen in eine "Welt voller Action und Abenteuer" und die hessischen Truppenteile "hautnah erleben" – das verspricht die Bundeswehr auf ihrem Stand auf dem Hessentag. Besucherinnen und Besucher in Bad Vilbel können etwa einen ausgemusterten Tornado-Kampfjet besichtigen.
Vor allem junge Menschen stehen zum Auftakt am Freitag vor einem Kampfhubschrauber "Tiger" und schauen interessiert. Ein Stabsfeldwebel aus Wiesbaden legt einer jungen Frau eine schusssichere Weste an, andere versuchen sich an einem Marsch-Simulator mit Rucksack und 25-Kilo-Baumstamm. Eine junge Frau setzt sich probeweise einen Helm auf den Kopf.
Wie immer in den vergangenen Jahren ist auf dem Hessentag auch eine Karriereberatung der Bundeswehr vertreten. Man wolle sich um Nachwuchs bemühen, sagte Oberstabsfeldwebel Boris Bauer am Samstag dem hr. Und wie auf früheren Hessentagen auch gab es heftige Kritik an dem Auftritt der Streitkräfte.
Das Bündnis "Friedlicher Hessentag" hatte am Samstag zur Demonstration aufgerufen unter dem Motto "Für einen Hessentag ohne Militär". Bis zu 200 Demonstrierende waren laut Polizei vor Ort.
Auf den vergangenen Landesfesten seien ganze Schulkassen von der Bundeswehr zum Festgelände gefahren worden, kritisierte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Hessen. Dass Soldaten andere Menschen töten oder selbst getötet werden, werde auf dem Bundeswehr-Stand hingegen nicht thematisiert.
Auf dem Hessentag seien viele Kinder, die würden an Kriegsgerät hingeführt, befand Demo-Teilnehmer Jan Lossdörfer. "Das halte ich für eine wahnsinnig gefährliche Militarisierung", kritisiert der Lehrer aus Frankfurt, "die leider in die Gesamtpolitik, die große Aufrüstung, reinpasst". Er mache sich Sorgen, dass es zu einem neuen großen Krieg kommen könne.
"Kinder spielen auf Panzern"
Man lehne die Bundeswehr nicht grundsätzlich ab, sagte Desiree Becker in Bad Vilbel. Die Co-Vorsitzende der Linkspartei in Hessen sitzt im Bundestag im Verteidigungsausschuss. Der Protest auf dem Hessentag solle zeigen, dass Soldat sein "kein normaler Job ist".
Dass Kinder zur Gewöhnung an den Soldatenberuf auf Panzern spielen, lehne sie ab. Werben für den Bundeswehr-Nachwuchs müsse doch "nicht auf irgendwelchen Volksfesten passieren".
Auf den Protest angesprochen sagte Oberstabsfeldwebel Bauer, er sei dafür, dass jeder seine Meinung sagen dürfe. Auch das verteidige die Bundeswehr.
Veteranentag: Sichtbar für Gesellschaft werden
Auf der einen Seite Präsenz und Werben um Nachwuchs auf dem Hessentag. Auf der anderen Seite Wertschätzung und Dankbarkeit für die Soldatinnen und Soldaten – das ist jedenfalls der Hintergrund des Nationalen Veteranentags, der am Sonntag in Deutschland zum ersten Mal begangen wird. In den USA etwa gibt es einen solchen Gedenktag schon seit 1918.
Am Veteranentag sollen die Belange der aktiven und ehemaligen Soldatinnen und Soldaten für die Gesellschaft sichtbar werden. Mit der Beflaggung aller staatlichen Dienstgebäude will Hessen aktive und ehemalige Soldatinnen und Soldaten würdigen.
Der hessische Stabsfeldwebel Jens Ruths begrüßt die Aktion – ein solcher Tag war in seinen Augen überfällig. Er rechne gar nicht mit einer "Riesenparade", so der 47-Jährige. Aber er hoffe langfristig auf Treffpunkte in Städten, zu denen ehemalige und aktive Bundeswehr-Angehörige an diesem Tag kommen könnten.
Wenn er dienstlich unterwegs sei, erfahre er durchaus Wertschätzung und Dankbarkeit für seine Arbeit. Er sei auch schon kostenlos Taxi gefahren. "Da hat sich schon was getan", so Ruths, der seit 26 Jahren bei der Bundeswehr ist.
1999 hat er bei einem Einsatz im Kosovo einen Unterschenkel wegen einer Mine verloren. Heute ist Ruths in Pfungstadt (Darmstadt-Dieburg) stationiert und koordiniert die Logistik.
Hessin in der Hauptstadt – als Portrait
Im Mittelpunkt des ersten deutschen Veteranentags stehen Veranstaltungen in Berlin. Hauptmann Jessica Korte aus Bad Orb (Main-Kinzig) wird in die Hauptstadt fahren, Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) treffen und bei einer Ausstellungseröffnung sein. Dort hängt auch ihr Portrait – um Soldatinnen und Soldaten sichtbarer zu machen.
"Ich glaube, wir werden da wieder viel in unserer eigenen Blase schwimmen. Und eher Besuch von Menschen kriegen, die sich sowieso für das Thema Bundeswehr und Militär interessieren", fürchtet Korte. "Ich weiß nicht, ob wir diejenigen erreichen, die eher eine ablehnende Haltung gegenüber der Bundeswehr haben."
Hauptmann: "Auch Frieden seinen Preis"
Korte hat sich jahrelang ehrenamtlich dafür eingesetzt, dass es diesen Veteranentag gibt. Ihr Wunsch: mehr Austausch, auch wenn man nicht der gleichen Meinung sei. Alle hätten lieber Frieden, so Hauptmann Korte. "Aber auch Frieden hat seinen Preis."
Heimatschutzminister Roman Poseck (CDU) betonte am Samstag mit Blick auf die aktuelle Sicherheitslage die Wichtigkeit der Bundeswehr. "Unsere Werte, Frieden und Freiheit sind keine Selbstverständlichkeit mehr und stehen weltweit unter Druck", so Poseck. Das machten der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine, die angespannte Lage im Nahen Osten und die zahlreichen Bedrohungen von innen und außen deutlich.
Mit dem Veteranentag würde der Wertschätzung aktiver und ehemaliger Streitkräfte besonderer Ausdruck verliehen, so Poseck. Hauptmann Korte glaubt, dass es noch ein weiter Weg ist, um mehr Anerkennung von Soldatinnen und Soldaten in Deutschland zu erreichen. Zumindest ein erster Schritt sei mit dem Veteranentag aber geschafft.