Ein Teil der Café-Crew (v.l.n.r): Die Mitarbeiterinnen Assunta Schröbel und Aylin Glock, Betriebsleiterin Paulina Klimak und Betriebsleiter Sascha Nuhn.

Das "Sinn und Wandel" in Frankfurt will ein ganz gewöhnliches Wohlfühl-Café sein - und ist doch ein Unikat. Die Hälfte der Belegschaft hat eine Hörbehinderung und Barrierefreiheit bedeutet hier mehr, als man gemeinhin denkt.

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So gelingen Barrierefreiheit und Inklusion

Innenansicht des Café "Sinn und Wandel" in Frankfurt - eine lange, hölzerne, hüfthohe Theke, an einem Tisch im Hintergrund sitzen mehrere Frauen.
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Auf den ersten Blick ist im Café "Sinn und Wandel" in Frankfurt alles so wie in einem ganz gewöhnlichen Café. Das Rauschen der Kaffeemaschine mischt sich mit Geschirrgeklapper, der Hintergrundmusik und dem Gemurmel der Gäste.

An einem Tisch unterhalten sich Besucherinnen in Gebärdensprache - auch das soweit nichts Ungewöhnliches. Wer genau hinsieht, dem könnten die Spotlampen auffallen, die dafür sorgen, dass es an dem Tisch heller ist - und das hat einen besonderen Grund. Die Lampen gehören zum Konzept und sorgen unter anderem dafür, dass das "Sinn und Wandel", das im März im Stadtteil Bornheim eröffnet hat, barrierefrei ist.

Doch nicht nur die Barrierefreiheit macht es zu einem besonderen Ort. Acht der insgesamt 16 Angestellten sind gehörlos oder schwerhörig. Dieser hohe Anteil von Menschen mit Behinderung unter den Mitarbeitenden macht das Café zu einem anerkannten Inklusionsbetrieb, von denen es hessenweit rund 60 gibt.

Weitere Informationen

Wann ist ein Inklusionsbetrieb ein Inklusionsbetrieb?

Die Zertifizierung zu einem anerkannten Inklusionsbetrieb vergibt in Hessen das Sozial- und Integrationsministerium in Zusammenarbeit mit dem Integrationsamt Hessen.

Inklusionsbetriebe haben das Ziel, Menschen mit Behinderungen oder aus anderen benachteiligten Gruppen in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Sie bieten Arbeitsplätze unter den gleichen Bedingungen an, die auch für alle anderen Mitarbeitenden gelten.

Um als Inklusionsbetrieb anerkannt zu werden, müssen verschiedene Kriterien erfüllt sein. Unter anderem müssen mindestens 30 und höchstens 50 Prozent der Beschäftigten eine Behinderung haben oder einer benachteiligten Gruppe angehören.

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Barrierefrei in jeder Hinsicht

Geleitet wird das Café von Sascha Nuhn und Paulina Kimak. Nuhn ist gehörlos und kommuniziert über Gebärdensprache, Co-Chefin Kimak ist hörend. Wer an Barrierefreiheit denkt, hat häufig Rollstuhlfahrer und deren besondere Bedürfnisse im Kopf. Doch im "Sinn und Wandel" geht es nicht nur um Barrierefreiheit in Hinblick auf Mobilitätseinschränkungen. Das wurde für das Team bei der Einrichtung des Cafés zur größten Herausforderung.

"Wir hatten viele Fachplaner mit im Boot. Doch die haben sich auf die Mobilitätseinschränkungen fokussiert und mit anderen Bereichen der Barrierefreiheit waren sie oft überfordert", erklärt Sascha Nuhn. Mit seinen eigenen Erfahrungen als Gehörloser konnte Nuhn beratend und korrigierend eingreifen.

Gutes Licht für bessere Gespräche

Ein wirklich barrierefreier Betrieb muss für alle Menschen zugänglich und nutzbar sein, unabhängig von körperlichen oder geistigen Fähigkeiten oder Einschränkungen. Für Unternehmen bedeutet dies, dass möglichst alle Barrieren beseitigt werden müssen. Dies betrifft zum Beispiel unklare Beschilderungen oder schlechte Beleuchtung. Denn oft wird an vermeintlich barrierefreien Orten nur die körperliche Einschränkung beachtet.

Im "Sinn und Wandel" wurden Schwerhörige oder Gehörlose und deren Bedürfnisse von Anfang an mitgedacht. So erklären sich auch die besonderen Spots, die den Tischgruppen mehr Helligkeit spenden.

"Wenn man in einer anderen Gastronomie um mehr Licht bittet, ist es oftmals nicht möglich, weil die gesamte Raumbeleuchtung heller wird", erklärt Sascha Nuhn. Für Gehörlose, die gebärden oder von den Lippen lesen, ist eine gute Beleuchtung jedoch für die Kommunikation wichtig.

Jobs für Menschen mit Behinderung

Sascha Nuhn und Paulina Kimak möchten, dass sich in ihrem Café alle willkommen fühlen - ob mit oder ohne Behinderung. Gleichzeitig ist das "Sinn und Wandel" für acht Menschen mit Hörbehinderung zum festen Arbeitsplatz geworden.

Die Statistik zeigt, dass Menschen mit Behinderung es am Arbeitsmarkt nach wie vor schwer haben. So betrug nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes von 2021 die Erwerbsquote von Menschen mit Behinderung zwischen 15 und 64 Jahren knapp 57 Prozent. Nichtbehinderte haben eine Erwerbsquote von knapp 82 Prozent.

Einfache Hilfsmittel lösen Probleme

Dass Inklusion am Arbeitsmarkt nicht immer problemlos funktioniert, hat mehrere Gründe. So lässt die schlechtere schulische Ausbildung von Menschen mit Behinderung deren Berufschancen sinken. Aber häufig sind Arbeitsplätze auch einfach nicht barrierefrei. Dabei können simple Hilfsmittel oft schon Abhilfe schaffen.

Ein Beispiel sind die gehörlosen Servicekräfte im "Sinn und Wandel". Wenn eine Gericht in der Küche bereit zur Abholung ist, wird die Bedienung normalerweise über eine Tischklingel informiert. Doch hier tragen alle eine spezielle Armbanduhr. Diese vibriert, sobald ein Gericht in der Küche fertig ist.

Ein weiter Weg zur vollständigen Inklusion

"Inklusion kann wirklich einfach sein", freut sich Sascha Nuhn über die gute Zusammenarbeit von Hörenden und nicht Hörenden.

Nuhn, der auch Angestellter beim Hessischen Verband für Gehörlose und hörbehinderte Menschen ist, sieht das Café als kleine Etappe eines noch "sehr weiten Weges" hin zur vollständigen Inklusion. Nicht ohne Stolz fügt er an: "Ich habe jetzt einen kleinen Teil dazu beigetragen."

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