Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) und Salomon Korn, Vorstandsvorsitzender der Jüdischen Gemeinde Frankfurt beim Festakt

Die Jüdische Gemeinde Frankfurt gehört mit über 6.000 Mitgliedern zu den größten in Deutschland. Jetzt feierte sie den 75. Jahrestag ihrer Wiederbegründung nach der NS-Zeit. Zum Festakt kam auch Polit-Prominenz.

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75 Jahre jüdische Gemeinde in Frankfurt

Ein Rabbiner singt
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Vor rund 800 Gästen im hr-Sendesaal feierte die Jüdische Gemeinde Frankfurt am Mittwochabend das 75-jährige Jubiläum ihrer Wiederbegründung nach der NS-Diktatur.

Das Ziel der Gemeinde sei ein blühendes und selbstbewusstes jüdisches Leben gewesen, sagte der Vorstandsvorsitzende Salomon Korn. Das florierende jüdische Leben in Frankfurt sei "etwas Herausragendes", sagte der 80-Jährige laut Redemanuskript. "Wir blicken erwartungsvoll in eine Zukunft, die wir aktiv mitgestalten wollen."

"Wunden, die nur langsam heilen"

Korn erinnerte an die jüdische Tradition in der Stadt, die bis ins 12. Jahrhundert reiche: "Eine Geschichte mit Höhen und schmerzvollen Tiefen, die Wunden hinterließen, welche nur langsam heilen." Unter welchen Umständen die von den NS-Verbrechen gezeichneten Menschen den Neustart vor 75 Jahren wagten, "ist für uns kaum vorstellbar."

Unter den Wiederbegründern seien "Displaced Persons" aus Osteuropa und nur wenige Ur-Frankfurter und Rückkehrer gewesen. Im Vordergrund habe ein Zusammengehörigkeitsbedürfnis angesichts des gemeinsamen Schicksals gestanden, sagte Korn. Er selbst war als Dreijähriger mit seinen Eltern in ein Lager für "Displaced Persons" nach Frankfurt gekommen.

Faeser, Rhein und Josef unter den Gratulanten

Unter den Gratulanten war viel Polit-Prominenz: Bundesinnenministerin Nancy Faeser dankte der Jüdischen Gemeinde. Ihre Mitglieder engagierten sich vorbildlich für Frankfurt. "Sie sind ein wertvoller Teil unserer Gesellschaft." Mit Blick auf die Schoah sagte die SPD-Spitzenkandidatin bei der Landtagswahl: "Man kann nicht oft genug daran erinnern, wie wertvoll das vielfältige jüdische Leben in Deutschland ist."

Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) bekräftigte: "Die Gemeinde hat einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen Vielfalt und zum gesellschaftlichen Zusammenhalt in Hessen geleistet." Sie sei nicht nur ein Ort des Glaubens und der religiösen Praxis, sondern auch des Austauschs und der Bildung. Der Kampf gegen Antisemitismus und Feinde der Demokratie sei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, betonte Rhein. "In einem Land in dem Juden nicht leben könne, können wir alle nicht leben."

Jüdisches Leben gehöre fest zu Frankfurt, ergänzte Oberbürgermeister Mike Josef (SPD) - und mahnte: "Sicheres jüdisches Leben ist nicht selbstverständlich. Deshalb müssen wir alles dafür tun, jüdisches Leben in Frankfurt am Main zu schützen."

Antisemitismus längst nicht überwunden

Korn erinnerte an "Meilensteine" der Gemeinde in den Nachkriegsjahren. Dazu gehöre die Wiederbegründung einer jüdischen Schule 1966. Außerdem nannte Korn die Zuwanderung aus der ehemaligen Sowjetunion seit den 1990er-Jahren. Er hob auch das heutige Engagement für Geflüchtete aus der Ukraine hervor.

Er betonte, dass noch immer Sicherheitsvorkehrungen unerlässlich seien. Auch der Festakt am Dienstagabend in Frankfurt fand unter Polizeischutz statt.

Korn prangerte Antisemitismus, Hetze und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit an. Gemeinsam müssten Politik, Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft dem entgegentreten.

Faeser: "Jüdisches Leben schützen und verteidigen"

Bundesinnenministerin Faeser betonte hierzu: "Es ist unsere Aufgabe, das jüdische Leben in Deutschland zu schützen und zu verteidigen." Es gehe dabei nicht um "Sonntagsreden, sondern wenn es darauf ankommt".

Erinnert wurde beim Festakt auch an den kürzlich gestorbenen Harry Schnabel, der Mitglied im Vorstand der Gemeinde und im Präsidium des Zentralrats der Juden in Deutschland war.

Uraufführung von hr-Sinfonieorchester

Musikalisch umrahmt wurde der Festakt vom früheren Frankfurter und jetzigen New Yorker Kantor Yitzchak Meir Helfgot und vom hr-Sinfonieorchester, das Werke von Steve Reich, Mieczylaw Weinberg und Leonard Bernstein spielte.

Zudem wurde Camilo Bornsteins Komposition "Mitkanes" als Auftragsarbeit der Jüdischen Gemeinde für den Festakt uraufgeführt.

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Jüdische Gemeinde Frankfurt

Die Geschichte der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt reicht bis mindestens ins 12. Jahrhundert zurück. 1933 zählte sie mehr als 30.000 Mitglieder. In der NS-Diktatur wurden etwa 12.000 von ihnen ermordet.

Nach dem Holocaust hatten nach Angaben der Gemeinde nur 160 Mitglieder die Verfolgung in Frankfurt überlebt. 400 Überlebende seien aus dem Konzentrationslager Theresienstadt zurückgekommen. 1948 gab sich die Gemeinde ihre erste Nachkriegssatzung. 1949 fand die Wiederbegründung mit 800 Mitgliedern, darunter auch vielen "Displaced Persons", statt.

Heute gehört die Jüdische Gemeinde Frankfurt mit 6.300 Mitgliedern zu den vier größten jüdischen Gemeinden in Deutschland. Sie vereint orthodoxe und liberale Gläubige unter einem Dach.

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