Kombination aus zwei Fotos: links Nahaufnahme Turnschuh in Regenbogenfarben angemalt, rechts Portrait von Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari.

In seinem Heimatland Algerien fürchtet Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari wegen seiner Homosexualität um sein Leben. Deshalb kämpft er gegen seine Abschiebung. Das Verwaltungsgericht Frankfurt wies seine Klage nun ab.

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Schwuler Flüchtling klagt gegen BAMF-Entscheidung

Abdelkarim Bendjeriou Sedjerari wartet im Verhandlungssaal Verwaltungsgericht Frankfurt auf den Beginn seiner Verhandlung, in der es um seinen Folgeantrag auf Asyl geht. Der Mann fürchtet bei einer erzwungenen Rückkehr nach Algerien Verfolgung wegen seiner Homosexualität.
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Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari sitzt auf einer Bank in einem Grünstreifen im Frankfurter Nordend und weint - aus Angst vor einer Abschiebung nach Algerien, seinem Heimatland, in dem er als homosexueller Mann sich nicht sicher fühlen kann.

Er könne nicht mit Worten beschreiben, was ihn da erwarte, sagt der 35-Jährige, seine Stimme zittert. "Ich habe Angst um mein Leben, weiß nicht, was passiert. Ich kann wieder verfolgt werden. Ich kann ermordet werden - das geht ganz leicht", sagt er und erinnert sich an ein Telefonat mit einem Freund aus Algerien, kurz nach seiner Flucht im Jahr 2019. Dieser habe von einem Studenten aus Algier berichtet, der ermordet worden sei. "Er war schwul", habe man mit seinem Blut an die Wand geschrieben. Nach den Tätern sei nie gefahndet worden. 

Klage gegen BAMF-Entscheidung 

Bendjeriou-Sedjerari will deshalb in Deutschland bleiben - dem Land, in dem seine Familie bereits in den 1990er Jahren vergeblich Asyl suchte und nach Algerien zurückging, dessen Sprache er fließend spricht und in dem er eine Ausbildung zum Elektriker macht. "Mein Traumberuf", sagt er. Obwohl er hier bestens integriert ist, soll er abgeschoben werden.

Ein Freund hält Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari im Arm.

Das hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Jahr 2020 entschieden. Die Begründung: Das Risiko für Homosexuelle in Algerien sei nicht so erheblich, dass von einer "flüchtlingsschutzrelevanten Verfolgung" auszugehen sei. Auch ein Folgeantrag wurde abgelehnt, obwohl es in Algerien 2020 eine Welle von Verhaftungen von Homosexuellen gab.

Dagegen hat Bendjeriou-Sedjerari vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt geklagt. Am Dienstag teilte eben dieses mit, dass es die Klage abgewiesen habe. Zur Begründung führte es unter anderem aus: "Die Voraussetzungen für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens liegen nicht vor."

Derselbe Richter in beiden Verfahren

Dass es schlecht aussehen würde, hatte Bendjeriou-Sedjeraris Anwalt Jonathan Leuschner schon geahnt. Der Richter habe schon vor dem Urteil klar zu verstehen gegeben, dass er die Klage abweisen werde. Und das BAMF sei trotz der eindeutigen Sachlage auch weiterhin nicht dazu bereit, die Entscheidung zu korrigieren.

Der Richter, der diese Entscheidung jetzt gefällt hat, lehnte bereits Bendjeriou-Sedjeraris ersten Asylantrag im Jahr 2020 ab. Er kenne keine positive asylrechtliche Entscheidung von ihm, sagt Anwalt Leuschner.

Der Richter selbst bestritt das bei der Verhandlung in der vergangenen Woche. Dass jetzt derselbe Richter entschieden hat, der bereits im vorherigen Verfahren zuständig war, sei zweifellos bitter, aber nicht regelwidrig, erklärt Leuschner.

Die Zuständigkeit ergebe sich aus einem Geschäftsverteilungsplan. "Ob es insgesamt betrachtet eine gute Idee ist, einen Richter oder eine Richterin zweimal mit dem gleichen Kläger zu befassen, ist dann eher eine politische und weniger eine rechtliche Diskussion", so Leuschner.

Gericht: "Kein 'real risk' einer Anklage"

Das Gericht habe sich bereits in seinem Urteil vom 5. März 2020 mit der Situation der Homosexuellen in Algerien befasst, heißt es nun in der Urteilsbegründung. Vergleiche man die der damaligen Entscheidung zugrundeliegenden Erkenntnisse mit den heute zur Verfügung stehenden jüngsten Erkenntnissen und Auskünften, so sei keinerlei Veränderung feststellbar. "Deshalb geht das erkennende Gericht weiterhin davon aus, dass es für homosexuelle Männer in Algerien kein 'real risk' einer Anklage gebe", teilte das Verwaltungsgericht Frankfurt am Dienstag mit.

Knud Wechterstein von der Aids-Hilfe Frankfurt

Knud Wechterstein, Koordinator für LGBTIQ-Geflüchtete bei der Aids-Hilfe Frankfurt, sieht das anders. Die Gesellschaft in Algerien sei homophob, Übergriffe mit psychischer und physischer Gewalt bis hin zum Mord seien nicht ungewöhnlich, sagt Wechterstein. Für die Betroffenen sei es ausgeschlossen, Schutz bei der Polizei zu suchen, da hier erneut Übergriffe oder eine Verhaftung drohten.

Algerien sei "eine konservative, stark heteronormative Gesellschaft", räumte nun auch das Verwaltungsgericht ein. Die öffentliche Zurschaustellung von Zuneigungen sei aber auch unter heterosexuellen Paaren "unüblich und verpönt".

"Was soll ich machen? Aufgeben?"

Anwalt Leuschner wünscht sich Schutz für seinen Mandanten, zumal dieser durch sein Engagement für LGBTIQ-Rechte in der Öffentlichkeit stehe. Nun, da abschlägig entschieden worden ist, blieben theoretisch noch weitere Instanzen - und damit die Möglichkeit, am Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Kassel oder dann letztlich beim Bundesverfassungsgericht, irgendwann die richtige Entscheidung zu erzielen. "Die Hürden, um dort erfolgreich sein zu können, sind im Asylrecht aber extrem hoch", so Leuschner.

Auch wenn sein Anwalt sagt, der Weg in die nächste Instanz sei unglaublich schwer, will Abdelkarim Bendjeriou-Sedjerari weiterkämpfen. "Was soll ich machen? Aufgeben? Dann kann ich mir auch gleich einen Schuss in den Kopf geben", formuliert er drastisch.

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