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"Noch viel zu tun für den Gesetzgeber": Gespräch mit hr-Redakteur Benjamin Holler

Auf einem Tisch liegen Schusswaffen und Munition die die Waffenbehörde des Landkreises Marburg-Biedenkopf gemeinsam mit der Polizei bei einer Person sichergestellt hat, die mutmaßlich der Reichsbürger-Szene zugeordnet wird. Insgesamt handelt es sich um 13 Schusswaffen und fast 2.500 Schuss Munition.

Bundesweit dürfen mehr als 1.000 Rechtsextremisten und sogenannte Reichsbürger legal Waffen führen. In Hessen sind es nach Angaben des Innenministeriums mehr als 120. Auch in Hessen versuchen die Behörden, sie zu entwaffnen - doch nicht immer mit Erfolg.

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Debatte über Rechtsextremisten mit Waffenerlaubnis

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Extremisten, die legal Waffen tragen, treiben Waffen- und Sicherheitsbehörden in ganz Deutschland um. Allein in Hessen gibt es 140 solcher bewaffneten Extremisten, wie das hessische Innenministerium jetzt auf hr-Anfrage mitteilte. 122 davon sind demnach Rechtsextremisten oder sogenannte Reichsbürger (Stand: 31. Dezember 2023).

Behörden versuchen seit Jahren, solchen Waffenbesitzern die Erlaubnis zu entziehen. Wie schwierig sich die Entwaffnung der Szene allerdings gestaltet, hat gerade eine Recherche des Redaktionsnetzwerks Deutschland gezeigt: Demnach waren 2022 bundesweit noch über 1.051 Rechtsextremisten und sogenannte Reichsbürger legal bewaffnet. Im Jahr davor waren es 1.561. 

Mehr als 50 Waffenerlaubnisse in Hessen kassiert

In Hessen sind dem Innenministerium 66 Rechtsextremisten und sogenannte Reichsbürger bekannt, die 2023 eine scharfe Feuerwaffe besitzen durften. 56 weitere hatten demnach den Kleinen Waffenschein, mit dem sie Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen führen durften.

Insgesamt zählte das Innenministerium 140 Extremisten aus verschiedenen Strömungen, die legal scharfe Waffen oder Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen führen durften.

In 52 Fällen gingen die hessischen Behörden im vergangenen Jahr erfolgreich gegen bewaffnete Extremisten vor: 28 Kleine Waffenscheine zogen sie ein. Bei 17 Extremisten kassierten sie insgesamt 78 Kurz- und Langwaffen ein - alle bei Rechtsextremisten oder sogenannten Reichsbürgern.

Sieben Extremisten bekamen erst gar keine waffenrechtliche Erlaubnis. Gegen 50 extremistische Waffenbesitzer gehen die Behörden derzeit noch vor.

Waffenbesitzer klagen gegen Entwaffnung

Auch hierzulande gelang es den Behörden nicht immer, Extremisten ihre Waffenerlaubnis zu entziehen. Misserfolge gab es etwa, weil Waffenbesitzer vor Gericht zogen und Recht bekamen. Derzeit laufen laut Innenministerium elf solcher Gerichtsverfahren.

Außerdem seien 13 Widerspruchsverfahren im Gange. In anderen Fällen kamen die Behörden nicht weiter, weil Erkenntnisse über ein Fehlverhalten des Waffenbesitzers schon zu lange zurücklagen.

Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) fordert eine Verschärfung des Waffenrechts in Deutschland, um effektiver gegen bewaffnete Extremisten vorgehen zu können. Eine solche Verschärfung hatte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bereits angekündigt, doch einen Gesetzentwurf gibt es noch nicht.

"Die Reform stockt, weil sich die Bundesregierung einmal mehr nicht einig wird", bemängelte Poseck gegenüber dem hr. Er appellierte an die Ampel-Regierung in Berlin, "das Thema nicht länger auf die lange Bank zu schieben."

Experte fordert Änderung beim Verfassungsschutz

Ob die Verschärfung des Waffenrechts wirklich etwas bringt, um Extremisten zu entwaffnen, bezweifelt der Sachverständige für Schusswaffen und Munition, Lars Winkelsdorf. Er fordert stattdessen eine Änderung der Verfassungsschutzgesetze.

Denn die Verfassungsschutz-Behörden in Bund und Land "setzen V-Leute ein, observieren oder hören Telefone ab", so Winkelsdorf. Doch ihre Erkenntnisse darüber, wer gefährlich ist und wer nicht, dürften sie rein rechtlich nicht an die Waffenbehörden weitergeben. Wäre dies erlaubt, könnten die Behörden schon jetzt "jeden Zugang zu Waffen verbieten", erklärt Winkelsdorf.

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Was sind Reichsbürger?

Die sogenannten Reichsbürger in Deutschland behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) weiter existiert, daher ihr Name. Die Bundesrepublik und ihre Gesetze erkennen sie nicht an.

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