Neues Wissenszentrum in Offenbach Klima und Wetter zum Anfassen und Verstehen
In einer Offenbacher Einkaufsstraße gibt es nun ein bislang einmaliges Wissenszentrum. Im Scape wollen der Deutsche Wetterdienst und die Stadt für die Themen Wetter und Klima begeistern.
Kann Klimawandel Spaß machen? Alles an dem Ort, zu dem das Ladenlokal in der Frankfurter Straße 39 in der Offenbacher Innenstadt in den vergangenen Monaten geworden ist, scheint diese Frage eindeutig zu bejahen - auch wenn es für manche paradox klingen mag.
Am Eröffnungsabend an diesem Mittwoch ist es fast hochsommerlich warm, vor dem Eingang sind Sonnenliegen aufgebaut. Erwachsene führen angeregte Unterhaltungen, Kinder spielen an Kurbeln, Magneten und Touchscreens. In einer Ecke sind ein paar Jugendliche am Tanzen, während eine Projektion auf einer Wand hinter ihnen sichtbar macht, wie sich die Luftströme um sie herum durch ihre Bewegungen verändern.
Die Frankfurter Straße 39 ist in den vergangenen Monaten zu einem "interaktiven Erlebnisort" geworden, wie es die Stadt Offenbach beschreibt. Dort dreht sich alles um das Wetter, das Klima und ihre Auswirkungen auf den Menschen. Scape nennt sich dieser Ort, der in Kooperation mit dem in Offenbach ansässigen Deutschen Wetterdienst (DWD) aufgebaut wurde und in der Form in Deutschland einmalig ist.
DWD will informieren und handlungsfähig machen
Der DWD forscht als zuständige Bundesbehörde zu Wetterdaten, gibt Vorhersagen und Klimaprognosen für ganz Deutschland heraus. "Aber wir haben auch die Aufgabe, dass die Menschheit informiert ist, dass sie versteht, dass sie handeln kann", sagt DWD-Präsidentin Sarah Jones.
Es gelte, diese Aufgabe auch im Lokalen zu erfüllen. Und dafür sei Scape gedacht. "Informieren, Verständnis schaffen, Neugierde erwecken", fasst Jones zusammen.
Für alle Altersgruppen, unabhängig vom Vorwissen
Am Eröffnungsabend des Erlebnisorts funktioniert das für den sieben Jahre alten Valentin genauso wie für den erwachsenen Besucher Lucas Ehehalt. Beide sind von einer Station in den Bann gezogen, an der ein gewölbter Bildschirm die nördliche Erdhalbkugel darstellt, über die verschiedene Wolkenkonstellationen ablaufen.
"Da kann man die Welt umdrehen", sagt Valentin und rennt zum nächsten Ausstellungsstück, einer Kurbel, die viele Zahnräder in Bewegung setzt und so das Prinzip von Energiekaskaden erklären soll.
Lucas Ehehalt hört an der Station mit der Erdhalbkugel weiter aufmerksam zu, was ihm über Kopfhörer erzählt wird. Interessant findet er auch die Bilder der Wolken. "Es sind Original-Aufnahmen von Satelliten aus der Vergangenheit", sagt er. Man könne genau nachvollziehen, wie das Wetter sich über die Tage verändert habe.
Mit Stationen wie dieser versucht Scape einen Spagat: Das Zentrum soll sich an Kinder ab vier Jahren genauso wie an Erwachsene mit unterschiedlich viel Vorwissen richten, sagt Projektleiterin Britt Baumann aus dem Amt für Kulturmanagement der Stadt.
Projektleiterin: "Ohne erhobenen Zeigefinger"
"Wir variieren deshalb in diesen Informationsebenen, die wir geschaffen haben", sagt Baumann. Grundsätzlich gehe es darum, das Thema so zu vermitteln, dass es Spaß mache. "Ohne erhobenen Zeigefinger", betont Baumann.
Das Scape soll als Lernort für Kindergartengruppen und Schulklassen offen stehen. Gleichzeitig soll es auch Menschen ansprechen, die auf der Einkaufsstraße unterwegs sind und die es eher nicht in klassische Ausstellungshäuser ziehen würde.
An jedem Mittwoch um 18 Uhr soll es künftig an der Wolkenbar im hinteren Teil des Raumes Veranstaltungen zu Themen wie Upcycling in entspannter Feierabend-Atmosphäre und bei Getränken geben. Für den Offenbacher Oberbürgermeister Felix Schwenke (SPD) ist das Scape damit auch "ein Baustein im Plan, wieder mehr Leben in die Innenstadt zu bekommen".
Nachfolger für temporäre Wetter- und Klimawerkstatt
Ob die Idee des Scape funktioniert, haben DWD und die Stadt Offenbach seit 2021 in einem kleineren Raum in der Innenstadt getestet. Das Vorgängerprojekt lief unter dem Namen Wetter- und Klimawerkstatt. Nun ist die Testphase vorbei, es gibt den neuen Namen und ein verändertes Konzept.
Während die Ausstellungen vorher etwas oberflächlicher Basiswissen vermittelt hätten, sei man nun "in die Tiefe eingetaucht, um dieses Wesen von Klima oder Wetter stärker zu vermitteln", erklärt Projektleiterin Baumann den Unterschied.
Komplexität begreifbar machen
Was sie damit meint, wird direkt am Eingang des Scape deutlich. "Wetter ist Chaos", steht hier in Großbuchstaben auf dem Boden. Dahinter schwingt ein Tripendulum, ein Dreifach-Pendel, dessen Bewegungen völlig unkontrolliert ablaufen. Jedes Ausschwenken eines Pendelarms führt zu neuen, unvorhersehbaren Bewegungen der anderen beiden Arme - so chaotisch, wie sich auch das Wetter verhält.
Es geht im Scape darum, diese wissenschaftlichen Hintergründe zu begreifen: Welche Zusammenhänge es zwischen Wetter und Klima gibt, welche Rolle Statistik dabei spielt, warum die steigenden Temperaturen auf der Erde die Lebensbedingungen verändern - aber auch, dass die Wissenschaft rund um Klima und Wetter Spaß machen kann.
"Wenn man Spaß daran hat, versteht man die Bedeutung besser. Und das ist für uns als nationalen Wetter- und Klimadienst sehr wichtig", sagt DWD-Präsidentin Jones. Schließlich müssten möglichst alle Menschen in der Lage sein, Entscheidungen zu treffen, wenn es darauf ankomme - etwa bei Extremwetterlagen.