Kombo_Protagonist und Polizeisujet

Nachdem im Internet das Video einer rassistischen Beleidigung durch einen Gießener Polizisten aufgetaucht ist, ermittelt nun auch die Staatsanwaltschaft. Wie der mutmaßliche Betroffene dem hr berichtete, versuchte er zuvor mehrfach, den Polizisten anzuzeigen - vergeblich.

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Gießener Polizist beleidigt Mann rassistisch

hs
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"Geh zurück in dein Schweineland!" Diese Worte und das, was danach passiert sei, lassen Fabjo Sula nicht mehr los, obwohl das Erlebnis schon fast vier Jahre zurückliegt. Am Montag hatte der Albaner ein Video auf TikTok veröffentlicht, das zeigt wie Sula von einem Gießener Polizisten rassistisch beleidigt wird. Über 400.000 Mal wurde das acht Sekunden lange Video bisher angesehen (Stand 15.06.).

Inzwischen bestätigte die Polizei die Authentizität und leitete ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten ein. Seit Mittwochnachmittag ist auch die Staatsanwaltschaft involviert.

Sula selbst hat nun im Gespräch mit dem hr noch einmal seine Sicht auf die Umstände des Vorfalls geschildert. Zudem berichtete er, dass er danach mehrmals vergeblich versucht habe, den Fall zur Anzeige zu bringen.

Betroffener: "Mir wurde mein Handy abgenommen"

Laut Sula entstand das Video bereits im November 2018. Er sei zu diesem Zeitpunkt 18 Jahre alt gewesen und habe sich mit einem Touristenvisum mehrere Monate in Deutschland aufgehalten. An einem November-Nachmittag gegen 16 Uhr sei er hinter der Gießener Polizeiwache Nord am Berliner Platz die Straße entlanggelaufen und habe währenddessen laut auf Albanisch mit seiner Familie telefoniert.

"Und dann ist der Polizist alleine auf mich zugekommen und hat mich ohne Grund geschubst und beleidigt", berichtete Sula. Doch das sei nicht alles gewesen: Als der Polizist bemerkt habe, dass Sula seine Handykamera angeschaltet habe, habe er ihm zuerst gesagt, er solle sein "Scheißhandy ausmachen" und ihn dann mit auf die Wache genommen.

"Da hat er mich gemeinsam mit einem anderen Beamten in ein Zimmer gebracht und mir mein iPhone abgenommen", so Sula. "Danach durfte ich wieder gehen." Sein Handy sei dageblieben, er habe keine Papiere vorzeigen oder etwas unterschreiben sollen.

Mehrmals erfolglos versucht, Anzeige zu erstatten

Von dem Erlebnis sei Sula so schockiert gewesen, dass er noch am gleichen Tag zurück zur Polizeiwache gegangen sei. "Ich wollte an dem von außen zugänglichen Fenster Anzeige erstatten, aber der Polizist da hat mir gesagt, dass er keine Anzeige gegen einen Kollegen aufnimmt." Ähnliches sei ihm etwa eine Woche später an gleicher Stelle erneut passiert.

Erst als Sula sich wieder in Albanien befunden und sich ein neues iPhone gekauft habe, habe er das Video in seinem virtuellen Telefonspeicher, der Cloud, wiederentdeckt. Weil ihn der Vorfall weiter beschäftigt habe, habe er dann von Albanien aus bei der Gießener Polizei angerufen und den Polizisten von damals namentlich genannt. "Mir wurde aber gesagt, dass ich telefonisch keine Anzeige erstatten kann."

Zudem habe er 2020 versucht, das Video an das Polizeipräsidium Mittelhessen zu mailen und eine Online-Anzeige zu erstatten. Seine Mail sei allerdings mit einer automatisierten Nachricht, die dem hr vorliegt, zurückgekommen: Die Serverinfrastruktur der hessischen Polizei habe die Mail geprüft und geblockt, möglicherweise wegen unerlaubter oder zu großer Datenanhänge.

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Video zeigt rassistische Beleidigung durch Polizisten

"Geh' in dein Schweine-Land zurück": Polizist beleidigt Mann rassistisch
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Daraufhin habe Sula das Video schließlich auf Youtube hochgeladen, wo es jedoch offenbar zwei Jahre lang kaum jemanden interessiert habe. "Das hatte da nur ein paar Klicks", berichtete Sula. Am Montag habe er einfach einen kurzen Ausschnitt daraus auf TikTok gepostet, der dann plötzlich viral gegangen sei.

Staatsanwaltschaft eingeschaltet

Die Staatsanwaltschaft Gießen ermittelt inzwischen wegen des Anfangsverdachts der Beleidigung und der Volksverhetzung. Von dort heißt es: Bei noch laufenden Ermittlungen könne man zu Detailfragen des Sachverhalts keine Auskunft erteilen. Die Ermittlung könne einige Zeit in Anspruch nehmen - auch weil sich der Anzeigeerstatter in Albanien aufhalte.

Die Staatsanwaltschaft hat nun ein Ersuchen an die albanischen Behörden gestellt, um den 21-Jährigen als Zeugen vernehmen zu können. Das bestätigte ein Sprecher dem hr am Montag. Den Angaben zufolge besteht gegen Sula ein Einreiseverbot in die Bundesrepublik, er ist hierzulande verurteilt worden und hat in Haft gesessen. Gründe für die Verurteilung wollte der Sprecher nicht nennen. Bei der Wiedereinreise müsste Sula seine Reststrafe absitzen, da er während der Haftstrafe nach Albanien ausgereist sei. Zuvor hatte ffh.de darüber berichtet.

Polizei: "Schwierige interne Ermittlung"

Das Polizeipräsidium Gießen äußerte sich bisher nicht zu Sulas Ausführungen rund um die Umstände des Videos und zu seinen Problemen bei der Erstattung einer Anzeige. Wie Sprecher Jörg Reinemer auf hr-Anfrage erklärte, ist man derzeit noch in der Aufklärung der Angelegenheit. Seit Kurzem stehe man auch direkt mit Sula in Kontakt.

Im Polizeipräsidium Mittelhessen läuft bereits ein Disziplinarverfahren gegen den Beamten. Die Ermittlung habe eine Abteilung für interne Angelegenheiten innerhalb des Polizeipräsidiums übernommen. "Es ist allerdings eine schwierige Ermittlung, auch weil inzwischen viel Zeit vergangen ist", so Reinemer. Die Entscheidung, ob der Beamte suspendiert wird, sei noch nicht gefallen. Derzeit sei er noch im Dienst.

Es ist derzeit bei weitem nicht der einzige Fall von Rassismus innerhalb der hessischen Polizei, der die Staatsanwaltschaften beschäftigt. Erst im April hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft Anklage gegen vier Beamte und eine Beamtin erhoben, weil sie in einer internen Chatgruppe rassistische und volksverhetzende Inhalte geteilt haben sollen.

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