Queere Feier in Mittelhessen Hunderte beim CSD in Wetzlar trotzen 35 Rechtsextremen
Bunt, laut und fröhlich: In Wetzlar haben mehrere hundert Menschen den CSD gefeiert - das erste Mal nach sieben Jahren. Ein Gegenprotest von Rechtsextremisten fand wenig Zulauf.
Unter dem Motto "Nie wieder still" sind am Samstag nach Angaben der Polizei rund 550 Teilnehmende des Christopher Street Days (CSD) durch Wetzlar (Lahn-Dill) gezogen. Die Veranstalter sprachen von 1.500 Menschen.
Anschließend wollte die queere Community in der Innenstadt mit einem Bühnenprogramm und einer Party weiter feiern. Zuletzt fand der CSD in Wetzlar im Sommer 2018 statt. Die Polizei sprach am frühen Nachmittag von einem "friedlichen Verlauf".
CSD-Demonstrationsleiterin und Transfrau Bianca Carle betonte: "Das Schönste ist, wenn wir einfach Anerkennung bekommen." Ziel sei es zu zeigen, dass queere Menschen zur Gesellschaft gehören – so wie alle anderen auch. "Wir sind nichts Aussätziges oder Sonstiges, wir sind Menschen wie du und ich", sagte Carle.
Der CSD hat eine lange Geschichte und findet jährlich in mehreren hessischen Städten statt, etwa in Frankfurt, Kassel oder Darmstadt. Neu war allerdings diesmal, dass erstmals in Hessen eine Gegenveranstaltung aus dem rechtsextremen Spektrum angekündigt wurde.
Aufgerufen hatte dazu verfassungsfeindliche Partei "Die Heimat" (früher: Nationaldemokratische Partei Deutschlands, NPD). Etwa 35 Menschen nahmen daran teil.
Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) teilte auf hr-Anfrage im Vorfeld mit: Deutschlandweit gerate die queere Community immer mehr in den Fokus rechter Gruppierungen, etwa durch Hasspostings, Anti-CSD-Rhetorik oder Gegenveranstaltungen.
Verfassungsschutz: Erstmals derartige Störaktion in Hessen
In ostdeutschen Bundesländern gab es laut Verfassungsschutz bereits CSD-Gegendemonstrationen aus dem rechten Spektrum, in Hessen habe man das bislang nicht festgestellt. Die Gegenveranstaltung zum CSD in Wetzlar zeige, "dass Rechtsextremisten die LGBTQ-Szene und ihre Veranstaltungen als Agitationsfläche zur öffentlichkeitswirksamen Verbreitung ihrer menschenfeindlichen Ideologie nun auch in Hessen nutzen wollen", teilte der hessische Verfassungsschutz mit.
Rechtsextreme mobilisierten wochenlang
Anmelder der Gegendemo ist Thassilo Hantusch, der sowohl im Landesvorstand von "Die Heimat" sowie der zugehörigen Jugendorganisation "Junge Nationalisten Hessen" aktiv ist. Er ist zudem Kreistagsabgeordneter im Lahn-Dill-Kreis.
Hantusch und andere Vertreter der laut Bundesverfassungsgericht gesichert rechtsextremen Partei mobilisierten seit Wochen auf Social Media gegen den mittelhessischen CSD, unter dem Motto "Heimat, Familie & Nation" und offen queer-feindlichen Parolen.
Verfassungsschutz: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit
Der hessische Verfassungsschutz erklärte auf hr-Anfrage: "Auf Basis ihrer Weltanschauung lehnen Rechtsextremisten Diversität im Hinblick auf sexuelle Orientierung sowie Partnerschafts- und Familienmodelle größtenteils ab."
Die LGBTQ-Community sei fortlaufendes Ziel von Agitationen aus der rechtsextremistischen Szene. "Ursächlich hierfür ist, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit einen grundlegenden Bestandteil rechtsextremistischer Ideologie und Agitation bildet."
2024: Angriff auf homosexuellen Mann
Rechtsextreme Vorfälle nehmen in Mittelhessen zu. 2024 hatte die Polizei in Wetzlar einen schweren Angriff von fünf Jugendlichen vereitelt, die den Jungen Nationalisten nahe standen. Sie sollen in einer Chatgruppe geplant haben, einen homosexuellen Mann anzugreifen, den sie für pädophil hielten.
Das Verfahren gegen die Jugendlichen soll im August beginnen, ist aber nicht öffentlich. Die Ermittlungen gegen einen von ihnen wurden zwischenzeitlich eingestellt.