Soziale Förderstätten Bebra Verein für Behindertenbetreuung macht Millionenverlust
Der Verein Soziale Förderstätten in Bebra hat seit 2023 rund 2,7 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen, das geht aus hr-Recherchen hervor. Eine Ursache für das Defizit sollen neue Finanzierungsregeln des Landeswohlfahrtverbandes sein.
Lange Zeit war der Verein Soziale Förderstätten Bebra (SFB) auf Expansionskurs. Es wurden neue Werk- und Wohnstätten für Menschen mit Behinderungen in Bebra und Bad Hersfeld errichtet und immer mehr Mitarbeiter eingestellt.
Der Verein betreut rund 1.000 Menschen mit Behinderungen und finanziert sich überwiegend aus Landesmitteln. Im Jahr 2023 hat der Verein rund 1,27 Millionen Euro mehr ausgegeben als eingenommen. Der Löwenanteil des Verlusts soll nach hr-Informationen in den Behindertenwerkstätten entstanden sein.
20 Mitarbeiter mussten aus Kostengründen gehen
Im Jahr 2024 hat der Verein einen Verlust von 1,5 Millionen Euro gemacht und 2025 beläuft sich das Defizit bis Ende April auf 60.000 Euro.
Geschäftsführer Ulrich Völke wollte dem hr die Zahlen weder bestätigen noch dementieren. Am Montag hatte er auf zwei Versammlungen in Bad Hersfeld einen großen Teil der insgesamt rund 430 Mitarbeiter über die finanzielle Situation des Vereins informiert. Dabei teilte er den Anwesenden mit, dass rund 20 Mitarbeiter aus Kostengründen die SFB verlassen haben.
Neue Finanzierungsregeln sorgen für Probleme
Den Versammlungen war eine E-Mail an die Mitarbeiter und den Betriebsrat vorausgegangen. Darin nannte Völke die Änderung der Finanzierung der Betreuung von Menschen mit Behinderungen in Werkstätten als Hauptgrund für die Verluste.
Der Landeswohlfahrtsverband (LWV) Hessen hat im Jahr 2023 die Finanzierungsregeln geändert. Während die Mitarbeiter zuvor pauschal bezahlt wurden, werden sie nun für jeden einzelnen Betreuten nach dessen Bedarf bezahlt. Diese Bedarfe werden vorher individuell festgelegt. Laut Völke sei dem Verein durch die neuen Regeln die Finanzierung von 18 Vollzeitstellen in den Werkstätten weggebrochen.
Kosten für Betreuung steigen
Der LWV äußert sich grundsätzlich nicht dazu, wie viel Geld er Trägern für ihre Leistungen auszahlt. Die Behörde fühlt sich dem Datenschutz verpflichtet. Deshalb lassen sich die Angaben von SFB-Geschäftsführer Völke nicht durch Angaben der Behörde überprüfen. Doch tendenziell sind die Kosten für die Betreuung von Menschen mit Behinderung laut LWV deutlich gestiegen.
Zwar sei es durch die Umstellung von Pauschalen auf den individuellen Bedarf in Einzelfällen dazu gekommen, dass Trägern weniger ausbezahlt werde. "In anderen Fällen gibt es zum Teil deutlich höhere Aufwände," so ein LWV-Sprecher auf hr-Anfrage. Dass diese Fälle deutlich überwiegen, lässt sich an den sprunghaft gestiegenen Kosten für das Land ablesen. Diese stiegen seit der Neuregelung um 39 Prozent auf 2,1 Milliarden Euro.
Umstrukturierung soll Kosten sparen
In der E-Mail an die Mitarbeiter nennt Geschäftsführer Völke eine teilweise mangelhafte Auslastung in Werkstätten und Wohnbereichen als weiteren Grund für die Verluste. "Plätze bleiben ungenutzt, Gruppen sind kleiner als geplant, die Nachfrage sinkt."
Auf hr-Anfrage erklärt er, dass der Verein mit dem Landeswohlfahrtsverband über außerplanmäßige Zahlungen verhandele. Außerdem seien interne Strukturen verändert worden, um Kosten zu senken. Wenn die eingeleiteten Maßnahmen greifen würden, "erwarten wir wieder eine 'schwarze Null'", so Völke.
Jahrelang zahlreiche Investitionen
Nach hr-Informationen hat der Verein vor 2023 meist Überschüsse erwirtschaftet und entsprechende Rücklagen bilden können. In den letzten Jahren hat der Verein eine rege Bautätigkeit entwickelt. In Bebra und Bad Hersfeld wurden Werkstätten und Wohneinrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen ausgebaut. Anfang des Jahres haben die SFB den Neubau ihres Berufsbildungsbereichs, genannt "Stellwerk" in Bebra eingeweiht.
Die Kosten dafür von rund drei Millionen Euro sollen laut Völke überwiegend aus Rücklagen bezahlt worden sein. Dieser Schritt sei notwendig gewesen, "um die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Vereins zu sichern und eine solide Grundlage für eine gesunde Zukunft zu schaffen". Trotz angespannter Haushaltslage stünden "ausreichend liquide Mittel zur Verfügung."
Landrat sagt nichts zu Millionendefizit
Der Vorstandsvorsitzende des Vereins ist Torsten Warnecke. Der SPD-Politiker ist Landrat von Hersfeld-Rotenburg. Laut Vereinsrecht kontrolliert er mit dem ehrenamtlichen Vorstand die Geschäfte des Vereins und die hauptamtliche Geschäftsführung.
Fragen zu den Gründen für das Millionendefizit hat Warnecke bislang nicht beantwortet. Eine Sprecherin teilte auf hr-Nachfrage mit: "Das Antwortschreiben, das Ihnen Herr Völke geschickt hat, ist – wie dem Schreiben auch zu entnehmen ist – im Namen der Sozialen Förderstätten e.V. erfolgt."