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Der erste Heilwald Hessens: Waldbaden und Waldtherapie in Bad Nauheim

Holzliege im Wald mit Blick

Schon Kaiserin Sissi erholte sich hier, nun steht offiziell fest: Der Bad Nauheimer Waldpark ist gesund. Reha-Patienten können hier sogar eine Therapie auf Rezept bekommen.  

Der Wind pfeift leise durch die Baumwipfel, bei jedem Schritt raschelt das Laub. Über Bäume und Wiesen hinweg reicht der Ausblick von hier bis in den Vogelsberg. Und plötzlich ist es ganz egal, wie spät es eigentlich ist.

Ein Waldspaziergang ist nachweislich entspannend und sogar gesund, und im Bad Nauheimer Waldpark ist er das nun auch ganz offiziell: Der Waldpark wurde am Dienstag als erster Heilwald Hessens von der internationalen Zertifizierungsstelle BioCon Valley zertifiziert.

Zwölf Stationen für die Gesundheit

Im Wald wurden zwölf Stationen eingerichtet, die sich sowohl für therapeutische Zwecke im Rahmen von Präventionsangeboten und Reha-Maßnahmen eignen als auch insgesamt zum Entspannen und Erholen einladen sollen.

Die Stationen wurden auf einer Strecke von insgesamt 2,3 Kilometern angelegt. Einige sollen etwa Achtsamkeit, Konzentration oder Kreativität fördern. Andere animieren zu körperlicher Betätigung.

Entspannen in der Waldbadewanne

Zum Beispiel gibt es im Heilwald ein sogenanntes Waldbadezimmer, in dem man "Waldbaden" kann, wie Projektleiterin Anna Redmann vom Bad Nauheimer Kur- und Servicebetrieb erklärt. "Zum Waldbaden braucht man kein Handtuch, sondern es geht darum, die Natur auf sich wirken zu lassen, zur Ruhe zu kommen und Stress abzubauen."

Frau im Wald

Hängematten und ergonomisch geformte Holzliegen laden im Waldbadezimmer zum Verweilen ein. In einen mächtigen Eichenstamm wurde eine tiefe Kuhle hineingeschnitzt. Da soll man sich reinlegen, erklärt Redmann. "Das ist unsere Waldbadewanne."

Der Blick vom Waldbadezimmer nach oben ist herrlich: hoch in den Himmel und die Baumkronen, das Holz fühlt sich überraschend warm an. "Die Leute staunen immer, weil man sich den Wald aus dieser Perspektive ja sonst meistens nicht anguckt", sagt Anna Redmann.

Heimische Materialien

An einer weiteren Station wurde ein Barfußpfad eingerichtet. Unterschiedliche Materialien wechseln sich auf dem "Feetnesspfad" ab, etwa Kiesel, Holzschnitze und Pflastersteine. Jeder Schritt ein neues Geräusch, ein neues Gefühl.

Pfad mit unterschiedlichen Obeflächen

Alle Materialien stammen aus Bad Nauheim oder wurden von hiesigen Baustellen recycelt, wie Redmann erklärt. "Insgesamt haben wir bei den Stationen darauf geachtet, dass die Materialien heimisch sind oder aus nachhaltigen Quellen kommen."

Der Heilwald erstreckt sich auf ein Gebiet von 34 Hektar. Wer alle zwölf Stationen besuchen will, braucht dafür etwa zwei bis zweieinhalb Stunden. Anna Redmann erklärt: Wichtig sei, dass man dabei langsam gehe. "Schlendern nennt man das im Fachjargon."

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Wie gesund ist Waldbaden?

Der Begriff Waldbaden geht auf die japanische Bezeichnung "Shinrin Yoku" zurück. In Japan, wo Waldbaden Tradition hat, befassen sich Wissenschaftler schon länger damit. Mehrere Studien belegen inzwischen die positive Effekte von Waldspaziergängen auf die auf die Gesundheit: Waldumgebung soll den Blutdruck senken und die Sauerstoffaufnahme steigern. Das Grün des Waldes soll außerdem gut für die Psyche sein. Insgesamt gilt der Forschungsstand rund um das Thema allerdings als noch als recht überschaubar. Dass Aufenthalte im Wald im Großen und Ganzen aber gut tun, gilt als unbestritten.
Quelle: quarks.de/Waldbaden zum Stressabbau

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Waldtherapie auf Rezept

Im Zuge der Zertifizierung zum Heilwald soll in Bad Nauheim in Zukunft auch Waldtherapie auf Rezept möglich sein, etwa bei Reha-Patienten mit Bluthochdruck, Lungenkrankheiten oder chronischen Schmerzen. Anna Redmann erklärt: "Die Reha-Kliniken hier vor Ort haben in den letzten zwei Jahren medizinisches Personal zu Waldtherapeuten fortbilden lassen und können nun entsprechend Waldtherapie auch über die Kostenträger abrechnen."

Bisher gibt es waldtherapeutische Angebote meist nur im präventiven Bereich, etwa zum Stressabbau. Manchmal werden solche Kurse auch von Krankenkassen bezuschusst.

Heilwald-Zertifikat aus Mecklenburg-Vorpommern

Die Zertifizierung zum Heilwald erfolgte durch die BioCon Valley GmbH, die nach eigenen Angaben als "Netzwerk der Gesundheitswirtschaft für Mecklenburg-Vorpommern" agiert. Der Hintergrund: Laut Landeswaldgesetz können in Mecklenburg-Vorpommern seit 2011 neben dem klassischen Erholungswald auch Kur- und Heilwälder rechtsförmlich anerkannt werden. In Hessen ist dies derzeit nicht der Fall.

BioCon Valley vergibt inzwischen als internationale Zertifizierungsstelle aber auch über Mecklenburg-Vorpommern hinaus ein Zertifikat für Waldgebiete, die für eine therapeutische Nutzung gestaltet sind. Dies basiere auf Standards und Konzepten, wie man sie rund um den Heilwald in Mecklenburg-Vorpommern erarbeitet habe, wie es heißt.

Wald

Man wolle damit das Vertrauen in die zertifizierten Heilwälder und in die Qualität der dort angebotenen Maßnahmen stärken, zudem fördere es den Gesundheitstourismus vor Ort. Zertifizierte Heilwälder gibt es beispielsweise noch in Rheinland-Pfalz und in Österreich.

Wald und Gesundheit haben Tradition in Bad Nauheim

Die gesundheitsfördernde Wirkung des Waldes hat in Bad Nauheim übrigens schon eine lange Tradition: Im Waldpark wurden schon im 19. Jahrhundert sogenannte Terrainkulturwege angelegt, die durch gezielte Steigungen so gebaut waren, dass sie gut für das Herz-Kreislauf-System sein sollten.

Bürgermeister Klaus Kreß (parteilos) erklärt beim Spaziergang durch den Wald: Man habe sich schon vor Jahren entscheiden, im Waldpark wieder mehr die Erholungsfunktion hervorzuheben und den Wald weniger wirtschaftlich zu betrachten, indem man etwa den Holzeinschlag reduziert habe.

Mann

"Wir kehren jetzt das, was früher schon mal angelegt war, wieder nach vorne und erweitern es", sagt Kreß. Für Bad Nauheim sei das also auch eine Art Zurückbesinnung – mit der man aber offenbar momentan wieder voll im Trend liege.

In der Vergangeneheit besuchten zahlreiche illustre Gäste in die Kurstadt, etwa Karl May, Albert Einstein oder Mark Twain. Auch die österreichische Kaisierin Sissi erholte sich gerne im Bad Nauheimer Wald. Vermutlich wurde sie dabei aber meistens kutschiert.

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