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Ärger um Container-Unterkunft für Geflüchtete in Friedberg

 Recyclinghof mit einer Baustelle

Wohnungsknappheit und Energiekrise erschweren vielerorts die Unterbringung von Geflüchteten. Provisorische Zeltstädte müssen deshalb winterfest gemacht werden. In Friedberg sorgt außerdem ein neuer Standort für Container für Diskussionen.

Die Bagger sind schon da und graben die Erde um, die Leitungen für Strom und Wasser werden gelegt. Im Friedberger Stadtteil Dorheim sollen demnächst Wohncontainer aufgestellt werden, um darin Geflüchtete unterzubringen. Ende des Jahres könnten bis zu 120 Menschen einziehen. So weit, so normal - in Tagen wie diesen.

Trotzdem ist der Ortsbeirat ganz und gar nicht einverstanden mit den Plänen. Denn das Gelände liegt direkt neben dem örtlichen Recyclinghof. Bürgerinnen und Bürger können dort zum Beispiel ihre Gartenabfälle und Bauschutt abliefern, außerdem allerlei anderen Müll, etwa Altkleider, Batterien oder Metallschrott.

"Unfassbar, dass der Kreis hier Menschen unterbringen will", meint Dorheims Ortsvorsteher Klaus-Dieter Rack (SPD). Menschenunwürdig sei es, Geflüchtete dort wohnen zu lassen, wo sonst Dinge entsorgt werden. Zudem sei die Fläche sehr abgelegen und schlecht angebunden, meint er.

Mehr Geflüchtete zugewiesen

Auch der Wetteraukreis hält den Standort nicht für perfekt, wie der Kreisbeigeordnete Matthias Walther (CDU) auf hr-Anfrage einräumt. Aber: Der Landkreis sehe sich seit Anfang 2022 mit einer erhöhten Zahl von zugewiesenen Geflüchteten konfrontiert – so wie viele andere Städte und Gemeinden in Hessen derzeit auch.

"Um in einem kurzen Zeitraum von weniger als neun Monaten weitere Gemeinschaftsunterkünfte zu schaffen, mussten wir auf eigene Flächen zurückgreifen", sagt Walther. Der Standort neben dem Recyclinghof sei der einzige gewesen, an dem man so schnell eine Unterkunft für 120 Menschen hätte planen und bauen können.

Kommunen finden keinen Wohnraum mehr

"Alles andere als optimal", "Nicht perfekt", "Wir würden es uns anders wünschen - aber wir brauchen die Betten". Solche Sätze hört man derzeit oft, wenn man sich in hessischen Kreisen und Kommunen nach der Unterbringung von geflüchteten Menschen erkundigt.

Großes Zelt mit Metallwänden

Mehrere Kommunen berichten auf hr-Anfrage: Habe man vor ein paar Monaten noch Wohnungen anmieten können, finde man inzwischen kaum noch regulären Wohnraum auf dem freien Markt. Auch leerstehende Kasernen oder Hotels gebe es kaum noch, heißt es.

Wohin man also schaut: Provisorien. Sei es in Containern, Turnhallen oder Zeltstädten. Und es könnten noch mehr werden.

Erstaufnahmeeinrichtung immer voller

Nicht nur die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine steigt seit Kriegsbeginn immer weiter an, sondern auch die der Asylbewerber aus anderen Ländern, allen voran Syrien und Afghanistan, aber auch aus dem Iran, dem Irak und der Türkei. Besonders im Sommer sind die Zugangszahlen in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes Hessens (EAHE) noch einmal sprunghaft in die Höhe geschnellt.

Die Grafik zeigt ein Balkendiagramm mit folgenden Zahlen: 858 Zugänge im Juni 2022, 754 Zugänge im Juli 2022, 1.541 Zugänge im August 2022 und 1.585 Zugänge im September 2022.

Die EAHE mit Hauptsitz in Gießen ist inzwischen fast voll - obwohl sie bereits neun Außenstandorte aufgebaut und auf ihrem eigenen Gelände in Gießen mehrere Leichtbauhallen aufgestellt hat. Rund 7.000 Menschen wohnen derzeit in der EAEH, Anfang des Jahres waren es noch 4.600. "Die hohe Belegungsquote der EAEH wird mit einer zeitlichen Verzögerung auch zu stärkeren Zuweisungen in die hessischen Gebietskörperschaften führen", teilt das für die Verteilung zuständige RP Darmstadt mit.

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Wie funktionieren die Zuweisungen?

Nach ihrer Zeit in der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes werden Asylbewerber nach dem Königsteiner Schlüssel – einem bundesweit einheitlichen Verteilsystem – einer kreisfreien Stadt oder einem Landkreis zugewiesen. Die Kreise wiederum verteilen sie auf ihre Kommunen. Findet sich zeitnah keine Wohnung, müssen Zwischenlösungen gefunden werden. Asylbewerber dürfen nicht eigenmächtig den zugewiesenen Wohnort wechseln.

Ukrainerinnen und Ukrainer sind dabei ein Sonderfall, weil sie keine Asylanträge stellen müssen und sich rein rechtlich frei in Deutschland bewegen können. Weil aber seit Kriegsbeginn so viele Ukrainer auf einmal eine Unterkunft brauchten, hat die EAEH auch hier die Verteilung übernommen: 16.500 ukrainische Geflüchtete wurden bisher durch die EAEH den Kommunen zugewiesen. Kommunen müssen aber gegebenenfalls auch die Menschen betreuen, die selbstständig zu ihnen gekommen sind und sich dort angemeldet haben. Hier kann es also eine gewisse Fluktuation geben.

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Energiekrise sorgt für Probleme

Ging es im Frühling noch in erster Linie um die akute Erstaufnahme von Neuankömmlingen aus der Ukraine, stehen die Kommunen nun vor allem vor der Frage: Wo bringen wir all die Menschen längerfristig unter, die nach Hessen gekommen sind oder vom Bund zugewiesen werden?

Auch der kommende Winter und die Energiekrise sorgen für Herausforderungen, etwa da, wo momentan Menschen in Zelten oder sogenannte Leichtbauhallen untergebracht sind. So wie beispielsweise in Bensheim (Bergstraße), wo auf dem Festplatz drei große weiße Zeltdächer in die Höhe ragen. Knapp 300 Geflüchtete aus der Ukraine wohnen derzeit in der Zeltstadt. Seitlich haben die Zelte Metallwände, innen sind die Schlafbereiche aber lediglich durch Bauzäune und Stoffe getrennt.

Heizen mit Ventilatoren

Um die Zeltstadt winterfest zu machen, sollen nun Dämmungen an die Wände angebracht werden, die Wärme soll dann durch Ventilatoren von oben und an den Seiten "nach unten gedrückt werden", erklärt der Bergsträßer Kreisbeigeordnete Matthias Schimpf (Grüne). Das Ziel sei, so eine Temperatur von 20 oder 21 Grad zu erreichen.  

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So wird die Zeltstadt Bensheim winterfest gemacht

Zelt von innen, Bauzäune mit schwarzen Planen
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Eine Notlösung, so nennt das auch Schimpf. "Aber wenn ich diese Zeltstadt räumen würde - dreihundert Menschen auf dem freien Markt unterzubringen, ist im Moment nicht möglich." Schimpf sagt: Neben den steigenden Zuweisungen - wöchentlich etwa 50 Menschen aus der Ukraine und 50 Asylsuchende aus anderen Ländern - gebe es nun zunehmend Ukrainerinnen und Ukrainer, die zunächst bei Privatleuten gewohnt hätten, dort aber nicht weiter bleiben könnten. Auch die müsse der Kreis nun unterbringen.

Ähnliches hört man auch aus Limburg: Hier sind vor Kurzem mehrere Wohncontainer im Stadtgebiet verteilt worden, auch um Privatpersonen zu entlasten, die in den vergangenen Monaten Menschen aus der Ukraine aufgenommen haben.  Schließlich hätten auch sie mit den steigenden Energiekosten zu kämpfen, so die Stadt. Man wolle allerdings unbedingt vermeiden, Sporthallen und Bürgerhäuser als Flüchtlingsunterkünfte nutzen zu müssen.  

Container in Friedberg: Alternativen werden noch gesucht

Eine Zwischenlösung, das sollen auch die umstrittenen Container neben dem Recyclinghof in Friedberg sein. Matthias Walther vom Wetteraukreis betont zudem: Dort werde kein stinkender Restmüll oder Kompost gelagert. Er meint: "Wenn Menschen geflüchtet sind und bei uns Schutz suchen, dann gilt es für uns humanitär und verantwortungsvoll zu handeln - und das tut der Kreis."

Weil die Stadt Friedberg mit der Lösung des Landkreises allerdings auch nicht besonders glücklich ist, wird derzeit weiterhin nach einem alternativen Standort für die Container gesucht, wie die Stadt mitteilt. Bisher habe man allerdings noch keinen gefunden. Geprüft werde derzeit noch ein brachliegendes Areal gegenüber der alten Kaserne, die schon als Flüchtlingsunterkunft genutzt wird.

Bis dahin gehen die Bauarbeiten neben dem Recyclinghof weiter. Anfang Oktober sollen die Container kommen. Sollte sich keine Alternative finden, werden kurz vor Weihnachten wohl die ersten Geflüchteten hier einziehen.

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