Grafische Komposition aus einem historischen Foto einer Gebäudeaußenansicht und dem Logo der "Sparkasse Frankfurt 1822", welche gespiegelt wurden.

Um die Frage, wie weit die Frankfurter Sparkasse in Machenschaften der Nazis verstrickt war, gibt es öffentlich Streit: Ein Historiker sollte zum 200. Jubiläum der Bank die Geschichte aufarbeiten – das Ergebnis gefiel den Auftraggebern aber gar nicht. Jetzt fliegen die Giftpfeile.

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Worum geht es beim Streit um die Geschichte der Frankfurter Sparkasse?

Ein historisches Bild zeigt eine Filiale der Sparkasse im Jahr 1937
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Die Frankfurter Sparkasse von 1822 feiert in diesem Jahr ihr 200-jähriges Bestehen. Bei verschiedenen Aktionen unter dem Motto "200 Jahre. Miteinander. Füreinander." gab es unter anderem ein Coffee-Bike, eine Hüpfburg, eine Autogrammstunde mit Eintracht Frankfurt, eine Popcornmaschine und einen Festakt im Palmengarten.

Was fehlte, war die geplante Festschrift zum Jubiläum, in der ein Beitrag die Geschichte der Bank in der NS-Zeit aufarbeiten sollte.

Broschüre über Streit statt Festschrift zum Jubiläum

Grund dafür war, dass die Zusammenarbeit mit dem Autor des Beitrags Ralf Roth, außerplanmäßiger Professor für Neuere Geschichte an der Universität Frankfurt, im März vorzeitig aufgekündigt wurde. Seitdem wird öffentlich gestritten. Das Frankfurter Institut für Banken- und Finanzgeschichte (IBF) hatte im Auftrag der Sparkasse Roth engagiert, war am Ende aber unzufrieden mit dem Ergebnis.

Statt der Festschrift gibt es seit vergangener Woche eine Broschüre, die den Zwist dokumentiert, bei dem auf beiden Seiten ordentlich ausgeteilt wurde. Der Erziehungswissenschaftler Benjamin Ortmeyer hat die Broschüre zusammen mit dem Allgemeinen Studierendenausschuss (Asta) der Uni veröffentlicht. Ortmeyer fordert Solidarität mit seinem Kollegen, der "Repression" erfahre: Es sei nicht selten, dass Wissenschaftler, wenn es um die Aufarbeitung von NS-Verbrechen geht, "üblen Diffamierungen ausgesetzt werden", so Ortmeyer.

Sorge um Ruf und Honorar

Historiker Roth wehrt sich mittlerweile mit Anwälten, um seinen Ruf zu retten und sein Honorar zu erkämpfen. Er sei bereit, Klage einzureichen, sagt Roth - noch warte er allerdings ab, ob man den Streit mit Hilfe der Anwälte von beiden Seiten noch außergerichtlich beilegen könne. Über die Art der Vorwürfe gegen ihn ärgert er sich: "Das war unter der Gürtellinie, typische Rufschädigung", sagt er. Besonders treffe ihn die Behauptung, dass er Halbwissen verbreitet und Quellen nicht berücksichtigt hätte.

Das Gegenteil sei der Fall, so Roth: Der Konflikt sei gerade zustande gekommen, weil er auf Quellen verwies, die in der Unternehmensgeschichte bisher sträflich vernachlässigt worden seien. Die Gründe für seine Kündigung nennt er "inhaltlich lächerlich".

Der Streit geht um verschiedene inhaltliche Punkte bei der Frage, wie die Unternehmensgeschichte ab dem Jahr 1933 zu bewerten ist. Zehntausende Frankfurter wurden in der NS-Zeit unter Druck gesetzt, deportiert und getötet. Unstrittig ist, dass jüdische und "nicht-arische" Bankkunden enteignet wurden und das Geld an den NS-Staat ging, der damit seine Politik der Vernichtung vorantrieb.

Wie viele Menschen wurden enteignet?

Ein zentraler Punkt des Streits ist, dass Roth für die Festschrift eine Kalkulation anstellte, bei der er versuchte, eine grobe Schätzung aufzustellen, wie viele Kunden die Enteignung betraf und um welche Summen es etwa ging. Dafür schaute er sich an, wie viele Sparbücher es in den 1930ern gab, wie viele Mitglieder die jüdische Gemeinde Frankfurt hatte und überschlug dann, wie viele Konten circa betroffen waren.

Viele hätten zur Zeit der Enteignung nicht mehr viel Geld auf dem Konto gehabt, weil sie schon vorher unter Schikanen und Sanktionen des NS-Regimes litten und ihr Erspartes aufbrauchen mussten, sagt Roth. Er kam auf einen zweistelligen Millionenbetrag in Reichsmark. Die Art seiner Kalkulation und die Zahlen wollte das IBF so aber nicht akzeptieren.

Insgesamt hätte er für eine genaue Analyse mehr als 30.000 Akten von Finanzämtern und Devisenstellen sichten müssen, räumt Roth ein. Das sei im Rahmen einer Festschrift aber nicht möglich gewesen; er schaute sich nur einen Ausschnitt an. Die Sparkasse müsse sich aber fragen lassen, warum sie das Ganze erst jetzt aufarbeiten will, kritisiert Roth. Die Quellen stünden seit über 20 Jahren zur Verfügung. Stattdessen sei der Umgang mit der NS-Zeit auch bei der Sparkasse "verdruckst".

"Erhebliche wissenschaftliche Unzulänglichkeiten"

Das IBF kritisiert auch Roths Haltung zur Frage, ob die Sparkasse überhaupt Handlungsfreiheit hatte, sich gegen die Enteignungen ihrer Kunden zu wehren statt zu kollaborieren. Roth entgegnet, dass im Unrechtsstaat viele Verbrechen durch Handlanger der Nationalsozialisten begangen wurden: "Wer im Rahmen eines verbrecherischen Systems mitentscheidet, macht sich zum Mittäter", sagt Roth.

Das IBF begründete schließlich die Aufhebung des Vertrages mit dem Historiker mit "erheblicher wissenschaftlicher Unzulänglichkeiten einzelner Kapitel, insbesondere des Kapitels zur NS-Zeit, sowie wegen der Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses". Man habe vergeblich um eine Verbesserung, insbesondere beim Umgang mit Quellen und Literatur gebeten.

Asta: Roth bleibt im Regen stehen

Der Asta sieht das anders und fordert von anderen Wissenchaftlern Solidarität mit Roth. "Herr Roth bleibt im Regen stehen", sagt der Asta-Vorsitzende Matthias Ochs. In einer Pressemitteilung zur neuen Broschüre wendet sich der Asta gegen "die Vertuschung der Beteiligung der Frankfurter Sparkasse an NS-Verbrechen". Es würden wissenschaftliche Erkenntnisse gegen wirtschaftliche Interessen ausgespielt, kritisiert der Asta.

Das IBF wehrt sich gegen die Anschuldigungen: Die NS-Vergangenheit der Sparkasse solle nicht verharmlost werden. Man wolle auf anderem Wege eine Aufarbeitung machen. Mit dem Kapitel zur NS-Geschichte wurde ein anderer Wissenschaftler betraut. Außerdem sei das Fritz Bauer Institut mit einer wissenschaftlichen Aufarbeitung beauftragt worden.

Fritz Bauer Institut kritisiert öffentilche Inszenierung

Das Frankfurter Fritz Bauer Institut plant eine umfangreiche Studie zu Banken, bei der es auch um die Rolle der Sparkasse bei der "Arisierung" und den Umgang mit jüdischen Angestellten gehen soll, bestätigt die Direktorin Sybille Steinbacher. Dabei sei man allerdings unabhängig und habe keinen Auftrag vom IBF, betont Steinbacher. Es gebe allerdings Zuwendungen von der Frankfurter Sparkasse. Insgesamt könne es mehrere Jahre dauern, bis eine umfassende Studie veröffentlicht werden kann.

Damit rutscht das Institut allerdings auch unfreiwillig in den bestehenden Streit rein: Der Asta forderte vergangene Woche vom Fritz Bauer Institut, sich mit Roth zu solidarisieren und sich in der Debatte zu Wort zu melden.

"Ich bin sehr überrascht über den Kommunikationsstil, der mich befremdet", sagt Steinbacher. Das Institut habe die Pressemitteilung des Asta bekommen, ohne dass es vorher ein Gespräch gab. Steinbacher sagt, sie habe auch mit Roth gesprochen und sich für ihn eingesetzt. "Statt abzuwarten, was das bringen würde, wurde inszeniert, was seiter öffentlich zu verfolgen ist", sagt Steinbacher.

Anwälte statt Argumente

Der Asta will das Thema schneller bearbeiten und nun eine Veranstaltung machen, um alle Seiten öffentlich zu Wort kommen zu lassen. Roth sagt, er würde sich dem stellen, aber weder das Fritz Bauer Institut noch das IBF scheinen interessiert, sich auf ein Podium zu setzen. Der Zwist wird am Ende wohl eher durch Anwälte als durch Argumente entschieden.

Auf die Festschrift der Frankfurter Sparkasse zum 200-jährigen Jubiläum müssen interessierte Leser derweil noch warten - man sei aber optimistisch, dass sie noch in den nächsten zwei Monaten erscheine, hieß es von der Bank in dieser Woche.

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