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Andrea Petkovic im hr2-Interview

Frau mit hochgesteckten Haaren und gefalteten Händen lächelt

Ex-Tennis-Star Andrea Petkovic hat ein Buch über ihr Karriereende geschrieben. Im Interview erzählt sie, wie groß die Angst vor dem Ende war, wie sich ihre Freundschaften seitdem verändert haben und was sie mit Serena Williams verbindet.

Vor knapp zwei Jahren beendete die Darmstädter Weltklasse-Sportlerin Andrea Petkovic ihre Tenniskarriere. Derzeit ist sie auf Lesereise und stellt ihr zweites Buch vor. Mit "Zeit, sich aus dem Staub zu machen" hat die 36-Jährige ihren Ausstieg aus dem Profisport literarisch verarbeitet.

Im Interview erzählt sie, wie sie zum Schreiben kam, welche Rolle Freundschaften mit Ex-Konkurrentinnen nach dem Karriereende spielen und welche Pläne sie für die Zukunft hat.

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hessenschau.de: Andrea Petkovic, Sie haben jetzt schon Ihr zweites Buch geschrieben. Wie wird ein Tennisprofi zur Buchautorin?

Andrea Petkovic: Bevor ich Tennisspielerin war, war ich schon Autorin. Ich habe schon immer geschrieben: erst für mich, kleine Geschichten, fiktiv, und auch über mein Leben. Ich hatte nur nie die Idee, dass man das publizieren könnte.

Irgendwann haben Freunde von mir ein Magazin in New York gegründet, dafür habe ich zuerst auf Englisch geschrieben. Irgendwann kam die Süddeutsche Zeitung auf mich zu und hat gefragt, ob ich gerne eine Kolumne hätte. So ging es los, dass ich auch anfing, auf Deutsch zu schreiben – was natürlich viel einfacher ist.

hessenschau.de: In Ihrem Buch schreiben Sie sehr offen über Ihr Karriereende als Tennisspielerin. War das Schreiben auch eine Art Therapie?

Petkovic: Nein, es war keine Therapie oder Bewältigungsstrategie und auch kein Ersatz für eine Therapie. Ich habe einen Psychotherapeuten, der macht einen tollen Job. Aber Schreiben ist sehr befreiend.

Im Leistungssport geht es oft darum, Fassaden aufrechtzuerhalten, eine Fassade der Stärke auszustrahlen, zum Beispiel in der Umkleide so zu tun, als wäre alles in Ordnung. Manchmal stimmt das auch, manchmal stimmt es nicht.

Ich finde, gutes Schreiben hat viel mit Fassadeneinreißen zu tun. Zumindest die Schriftstellerinnen und Schriftsteller, die ich gerne lese, machen das so. Deswegen war es sehr befreiend, über das zu schreiben, was wirklich vor sich geht. Jetzt, da ich aufgehört habe mit dem Tennis, ist es auch okay, ein bisschen Schwäche zu zeigen.

hessenschau.de: Und was war schlimmer? Die Angst vor dem Karriereende oder das Karriereende selbst?

Petkovic: Die Angst vor dem Karriereende war tausendmal schlimmer. Viele, die das Buch schon gelesen haben, sprechen mich an und sagen: "Da ist ja viel Trauer drin."  Das stimmt schon. Aber mir ist ganz, ganz wichtig zu sagen, dass das Buch auf einer positiven Note endet.

Diese vier Monate der Vorwegnahme des Karriereendes waren viel schlimmer als das Karriereende selbst. Natürlich trauert man einem großen Lebensabschnitt nach. Ich habe versucht, mich in meine neue Identität als Nicht-Tennisspielerin einzufinden. Aber es war okay.

Das, was ich erwartet habe, ist alles nicht eingetroffen: Dass ich eine totale Leere in mir haben werde, deprimiert sein werde, nicht mehr weiß, wohin mit mir.

hessenschau.de: Im Buch beschreiben Sie eine berührende Szene mit Serena Williams, die ihr Karriereende fast gleichzeitig mit Ihnen verkündet hat. Was hatte es damit auf sich?

Petkovic: Serena Williams kommt aus ganz anderen Verhältnissen als ich. Sie kommt aus Compton, einem Vorort von L.A., der berüchtigt ist. Denn es ist sehr schwer, es da rauszuschaffen. Es ist ein Schwarzes Viertel, viele Menschen erleben Rassismus.

Und der Tennissport galt schon immer als weißer Sport, auch im buchstäblichen Sinne als ein Sport der Eliten. Und da hat es Serena Williams zusammen mit ihrer Schwester Venus an die Weltspitze geschafft, ist die beste weibliche Tennisspielerin aller Zeiten geworden.

Wir haben zur gleichen Zeit aufgehört, was für mich super war, weil die Aufmerksamkeit komplett auf ihr war (lacht). Gleichzeitig war es auch sehr schwierig…

hessenschau.de: Warum das?

Petkovic: Ich habe sehr plastisch bemerkt: Da geht eine Karriere zu Ende - gleichzeitig mit meiner -, die in die Annalen der Tennisgeschichte eingehen wird. Meine war gut, wird aber auf jeden Fall nicht in die Geschichte der Tenniswelt eingehen. Das war für mich ein Vergleichsmoment. Gleichzeitig war es sehr, sehr schön, eine Art Schwester im Bunde zu haben.

Für mich war der Prozess des Loslassens sehr schwer: Da gibt es eine Szene, in der wir uns in der Toilette begegnen. Ich habe mit mir zu kämpfen, weil ich loslassen muss. Dann sehe ich sie und meine, in ihrem Gesicht zu erkennen, dass es ihr genauso geht - und das macht es mir ein bisschen leichter.

hessenschau.de: Wie weit haben Sie mit Konkurrentinnen Freundschaften abseits des Platzes geschlossen – etwa mit Angelique Kerber?

Pekovic: Wir waren schon während der Karriere sehr eng miteinander befreundet. Ich hatte das große Glück, viele Freundinnen und Freunde auf Tour zu haben, wofür ich sehr dankbar bin. Aber ich merke jetzt, seit ich aufgehört habe, dass diese Freundschaften viel intimer geworden sind.

Vor allem die Frauen, die auch meine Konkurrentinnen waren, vertrauen mir jetzt Sachen an, die sie vorher vielleicht zurückgehalten haben. Man vertraut sich einer Kollegin nicht unbedingt an, wenn man zwei Tage später gegen sie spielt – zum Beispiel, wenn man Probleme mit seinem Trainer hat oder sich gerade nicht wohl fühlt in seiner Haut.

hessenschau.de: Nun sind Sie auf Lesetour, zu Gast in Talkshows. Ist es auch anstrengend, über etwas zu reden, was Sie vor zwei Jahren geschrieben haben?

Petkovic: Ich habe vor den Lesungen noch einmal in das Buch rein gelesen, da kamen viele Emotionen wieder hoch. Aber ich bin froh, dass ich ein bisschen Abstand zu meinem Karriereende habe. Sonst würde ich wahrscheinlich in jeder Lesung heulen. Das braucht man ja auch nicht (lacht).

Ich versuche, meine Lesungen mit Spaß anzugehen. Den Menschen ins Gesicht zu sehen, die meine Bücher lesen oder noch vorhaben zu lesen. Das ist für mich eigentlich der größte Spaß.

hessenschau.de: Und was kommt jetzt? Ist für Sie etwas ganz anderes möglich, außerhalb der Sportwelt?

Petkovic: Ich habe von Insidern aus der Literatur gehört, dass jeder ein erstes Buch schreiben kann. Erst beim zweiten Buch gilt man wirklich als Autorin – in diesen Berufszweig habe ich mich also schon mal eingeloggt (lacht).

Will sagen, ich werde immer weiterschreiben. Ich hoffe, irgendwann in die Fiktion zu gehen. Das habe ich allerdings nach dem ersten Buch auch schon gesagt und bin dann doch wieder bei mir selbst gelandet und die Tennisspielerin noch nicht ganz aus mir rausbekommen (lacht).

Was mir auch großen Spaß macht, ist die Entwicklung von jungen Talenten beim deutschen Tennisbund. Das dritte, was ich sehr, sehr gerne mache und weswegen ich auch in New York City lebe, ist Fernsehen. Ich arbeite dort für das Sportfernsehen und fühle mich sehr, sehr wohl damit. Das werde ich auf jeden Fall auch weiterverfolgen.

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Das Buch

"Zeit, sich aus dem Staub zu machen"
erschienen bei Kiepenheuer & Witsch
ISBN: 978-3-462-00626-1

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