Clubsterben? Ohne uns! Wie Punk- und Heavy Metal-Fans die Goldgrube in Kassel retten

Die Goldgrube in Kassel bleibt ein Ort für laute Musik und Subkultur. Über 560 Unterstützer haben dem Ex-Betreiber geholfen, das Haus zu kaufen. Jetzt liegt die Zukunft des Clubs in den Händen derer, die ihn am meisten schätzen.

Ein Gitarrist und ein Sänger mit Lederweste und Tattoos. Publikum ganz nah.
Blaze Bayley auf der Bühne: eine Urgewalt - ganz nah am Publikum. Bild © Marcel Ruge (hr)

Mann nimmt viel Geld in die Hand, kauft Club und setzt so ein Zeichen gegen das Clubsterben: In diesen wenigen Worten lässt sich das beschreiben, was Markus Maifeld derzeit in der Kasseler Nordstadt vorhat. Er will eine gesamte Immobilie kaufen, um einen Szeneort zu erhalten: die Goldgrube.

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Dort im Keller, unter einer Arztpraxis und einem Darts-Club, geht der Punk ab - im wahrsten Sinne des Wortes. Immer wieder treten Szene-Größen auf, am Donnerstag etwa Blaze Bayley. Der Ex-Frontmann von Iron Maiden ist zum dritten Mal dort. Der Club sei "one of my very, very favorite venues in Germany", schwärmt der Mann mit den grauen Koteletten, also: einer seiner absoluten Lieblings-Veranstaltungsorte in ganz Deutschland. 

Plötzlich Haus- und Club-Besitzer

In den kleinen Club passen 199 Leute. Es ist laut, heiß und stickig hier. Markus Maifeld lehnt an der Bar. Der 44-Jährige ist eigentlich Schlosser bei Mercedes Benz und betreibt den Heavy Metal- und Punkrock-Club zwischen Hauptfriedhof und Nordstadtpark nebenbei. Er sei da so reingeschlittert, erzählt Maifeld. 

Seit etwa zwanzig Jahren ist der Mann mit Vollbart, Cap und Print-Shirt in der Szene aktiv - und steckt, wie er sagt, viel persönliches Engagement in das Projekt. Eigentlich habe er aussteigen und die Goldgrube und den dazugehörigen Mietvertrag an den Verein Punkrock Kollektiv übergeben wollen, bei dem er selbst Mitglied ist. Eigentlich. Denn der Vermieter hat andere Pläne: er will das ganze Gebäude loswerden.

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Wie Punk- und Heavy Metal-Fans die Goldgrube in Kassel retten

Eine Sängerin singt ins Mikrofon.
Bild © hessenschau.de
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Finanzierung auch dank Crowdfunding

Eine Woche habe er überlegt und dann gemeinsam mit seiner Frau eine Entscheidung getroffen: Sie werden die gesamte Immobilie kaufen. Eine teure Investition, die dem 44-Jährigen Maifeld am Herzen liegt. Die Goldgrube sei enorm wichtig - für die Szene, aber auch für ihn selbst. "Ich wüsste nicht, wo ich hingehen würde, wenn es den Club nicht gäbe."

Die Finanzierung der Immobilie steht mittlerweile - auch dank Maifelds Bank, die das Abenteuer mitgeht. Details darüber möchte Maifeld lieber im Privaten lassen. Aber für alle Interessierten nachvollziehbar ist eine Crowdfunding-Kampagne, über die bislang mehr als 32.000 Euro eingegangen sind. Gut 560 Menschen haben Geld gespendet, damit die Goldgrube für immer bleiben kann. Diese Unterstützung der Menschen sei emotional wichtig und das, was ihn antreibe, sagt Maifeld.

Ein Mann mit Vollbart sitzt auf einem goldenen Barhocker an einer Bar. Er trägt ein Print-Shirt und eine Cap.
Markus Maifeld in "seiner" Goldgrube - früher wurde hier wirklich Gold angekauft Bild © Stefanie Küster (hr)

Hohe Kosten belasten viele Kulturorte

"Das Crowdfunding und die Initiative von Maifeld zeigen, wie wichtig dieser Club in dieser Stadt ist und wie gut die Metal- und Punk-Szene in Kassel verankert ist", sagt auch Holger Schwetter. Er leitet die Abteilung für Kulturförderung beim Kasseler Kulturamt.

Orte für Auftritte und Partys sind in Kassel weniger geworden. Zuletzt machten das Franz Ulrich, das York und das Musik-Theater zu. Clubs wie das Spot oder das Stammheim sind schon länger dicht. Gründe dafür sieht Schwetter in den schwierigen Rahmenbedingungen für Clubs. Sie kämpften mit steigenden Anforderungen für Brandschutz und Fluchtwege. Aber auch die immer höheren Kosten belasteten die Kulturorte.

Ein Briefkasten. Auf einem Aufkleber steht "Grube". Daneben eine Eingangstür mit noch mehr Aufklebern.
Hier geht's zur Goldgrube. Bild © Stefanie Küster (hr)

Einfach nur öffnen reicht nicht mehr

In ganz Hessen verschwinden immer mehr Clubs, Bars, Kneipen und Diskotheken von der Bildfläche. Der Hotel- und Gastronomieverband Dehoga beobachtet das schon länger. Die Club- und Kneipenszene habe in den letzten zehn Jahren tiefgreifende Veränderungen erlebt, so Bastian Bernhagen, Geschäftsführer der Gibson-Bar in Frankfurt und Mitglied des dortigen Dehoga-Kreisverbands.

Als Zäsur sieht Bernhagen die Corona-Krise, die für die Szene zu "massiven und wirtschaftlichen Einschnitten" geführt habe. Dazu habe sich das Freizeitverhalten junger Menschen verändert, so Bernhagen, "eine ganze Generation hat nie Zugang zum Clubleben gefunden". 

Dass Locations wie die Goldgrube in Kassel eine feste Anhängerschaft haben, passt zu dem, was der Gibson-Chef als Erfolgskonzept für Clubs ausgemacht hat. Entscheidend sei ein klar kuratiertes Konzept. Es reiche nicht aus, lediglich zu öffnen und auf Gäste zu hoffen. Jeder Abend müsse als "kulturelles Erlebnis gestaltet werden". 

Ein Mann mit langen, dunklegrauen Haaren - nach hinten gekämmt. Er trägt eine Brille, Hemd und Sakko. Im Hintergrund unscharf ein Gebäude mit dunklen Fliesen verkleidet. Eine Tür mit vielen Aufklebern.
Holger Schwetter vor der Goldgrube: "Ein wichtiger Club in dieser Stadt" sagt der Leiter der Abteilung für Kulturförderung beim Kasseler Kulturamt. Bild © Stefanie Küster (hr)

Nachtrat: Impulse und Ideen für Frankfurt 

In Frankfurt hat man erst im letzten Jahr einen sogenannten Nachtrat einberufen, dem auch Bernhagen angehört. Er und die zwölf anderen Mitglieder des Gremiums soll sich um ein attraktives Nachtleben in der Mainmetropole kümmern.  

Denn auch dort zwingen steigende Mieten Clubs und Konzertstätten in die Knie, dazu häufen sich Klagen lärmempfindlicher Anwohner, die sich gegen Außengastronomie und Feiern auf öffentlichen Plätzen wehren. Das Gremium soll Impulse und Ideen für ein vielfältiges Nachtleben erarbeiten. 

Betreiber-Wechsel zum Jahresende 

In der Goldgrube sind mittlerweile die Lichter ausgegangen - aber nur, um den Spot auf den Star des Abends zu richten. Keine zwei Zentimeter trennen das Publikum von Sänger Bayley und der Band. Der genießt sichtbar die einzigartige Atmosphäre im Club. Es dauert keine fünf Minuten, bis die ersten Pommesgabeln aus Zeige- und kleinem Finger in die Höhe gereckt werden - dem Erkennungszeichen der Szene. 

Eine Hand bildet aus Zeige- und kleinem Finger eine Pommesgabel. Im Hintergund viele Menschen und eine Band auf der Bühne. Rote Lichtstimmung.
Erkennungszeichen der Heavy Metal-Szene: Die Pommesgabel. Bild © Marcel Ruge (hr)

Bis September will Goldgrube-Betreiber Maifeld den Kauf abgeschlossen haben - und vom Club-Betreiber zum Club-Besitzer geworden sein. Das Tagesgeschäft will er dann zum Jahreswechsel an das Kasseler Punkrock-Kollektiv übergeben.  

Die Goldgrube ist dann gerettet und Maifeld kann hier weiter wirken und feiern gehen - als Booker für Bands und als Gast. Gut so, sagt er. Denn "wenn es den Club nicht mehr gibt, geht es mir genauso wie den anderen - ich wäre am Arsch".

Redaktion: Katrin Kimpel

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de