Tiktok auf dem Handy

Wie antisemitisch können Emojis auf Tiktok sein? Leider sehr, und das ist gerade für Kinder und Jugendliche oft überhaupt nicht zu erkennen. Eine Aufklärungskampagne deckt nun die Codes auf und bietet ein Gegengift an.

Zwei Blitz-Emojis nebeneinander, oder eines mit langer Nase kombiniert mit einem Geldsack - Antisemitismus in Sozialen Netzwerken ist nach Angaben der Bildungsstätte Anne Frank oft gut getarnt und gerade Kinder und Jugendliche würden sich etwa auf Tiktok schwer damit tun, diese Codes überhaupt zu erkennen und erst recht, sie richtig zu deuten: Zwei Blitze stehen für die SS-Runen, das Emoji mit der langen Nase in Kombination mit einem Geldsack oder Dollarzeichen bedient antisemitische Stereotype aus der Nazizeit. Auch Videos, Memes, Sounds oder Filter, die irgendwie lustig aussehen und vielfach geteilt werden, können stark antisemitisch sein.

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Bildungsstätte Anne Frank startet Kampagne gegen Antisemitismus auf Tiktok

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Antisemitismus verbreitet sich auf Tiktok "wie ein Lauffeuer"

"Antisemitismus zieht sich durch alle Bereiche der Gesellschaft und so sind Social Media Plattformen, wie jeder Ort, auch Schauplatz von Antisemitismus", sagt Deborah Schnabel, Leiterin der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt. Gerade auf Tiktok - dem derzeitigen Lieblingsmedium von Millionen Kindern und Jugendlichen weltweit - verbreite sich Hetze wie ein Lauffeuer. "Höchst erfolgreich verbreiten sich antisemitische Codes - von Verschwörungserzählungen über Geschichtsrevisionismus und Shoa-Leugnung bis hin zu israelbezogenem Antisemitismus."

Tiktok ist aber auch der Ort, an dem viele Kinder und Jugendliche oft Stunden ihrer Zeit verbringen, unkontrolliert und unangeleitet. Auch die Politik ist nur sehr spärlich vertreten, bis auf die AfD: Keine Partei nutzt Tiktok so intensiv wie sie und auch Querdenker und Verschwörungstheoretiker sind sehr aktiv.

Kampagne will aufklären und stärken

Um ein Gegengewicht auf Tiktok zu setzen, hat die Bildungsstätte Anne Frank nun die Aufklärungskampagne #GemeinsamgegenAntisemitismus ins Leben gerufen. "Denn nur wer wachsam ist und Antisemitismus klar erkennt, kann auch etwas dagegen tun", so die Leiterin der Bildungsstätte. Mit dabei sind sechs reichweitenstarke Creatorinnen und Creatoren, die klare Kante auf Tiktok zeigen und mit ihren Accounts schon viele Follower und Followerinnen mitbringen.

"Wir finden, dass Tiktok enormes Potential hat, sich zu einem Medium mit Gehalt zu entwickeln. Und wir finden, unsere Aufgabe ist es auch, Tiktok aktiv mitzugestalten und es eben nicht den Hass-Predigern und den Rechten zu überlassen", sagt Deborah Schnabel. Die Politik solle aufhören, Tiktok als reines Unterhaltungsmedium abzutun und seine Nutzung für Bildungszwecke fördern.

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Kampagne #GemeinsamgegenAntisemitismus

Die Kampagne läuft seit 2. November für einen Monat und wird inhaltlich auf den anderen Social-Media-Kanälen (Instagram, Facebook, Twitter) der Bildungsstätte Anne Frank begleitet. Dort gibt es einordnende Postings und Podcasts, Hintergründe und Handlungsempfehlungen zum Thema. Die Kampagne #GemeinsamgegenAntisemitsmus ist im Rahmen des Projekts "Safer Tiktok. Antisemitismuskritische Bildungsinitiative auf Tiktok" entstanden. Das Projekt wird von der Stiftung "Erinnerung, Verantwortung, Zukunft" (EVZ) mit 300.000 Euro gefördert.

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Die "Rothschild-Verschwörung" in 1:13 Minuten erklärt

Eine der Creatorinnen der Kampagne ist Leonie Schöler. Die Historikerin und Journalistin betreibt einen Account auf Tiktok (@heeyleonie) mit über 170.000 Followern, auf dem sie Geschichte erklärt. Und das sei dringend nötig. "Ich habe bemerkt, dass immer häufiger rechte Gruppen gezielt auf die App gehen, um dort ihre Hetze und ihre Fake News zu verbreiten." Die 29-Jährige hat ein Video zur Kampagne beigesteuert, in dem sie innerhalb von 1:13 Minuten das antisemitische Narrativ der "Rothschild-Verschwörung" seziert. Die Aufklärungskampagne #GemeinsamgegenAntisemitismus soll helfen, Haltung zu zeigen und liefert Argumente für Diskussionen.

Auch Rosa Jellinek unterstützt die Kampagne. Sie gibt auf dem queer-jüdischen Account @keshet_de vier Tipps zum Umgang mit Antisemitismus. "Ich will mich nicht unterkriegen lassen. Wir wollen aufklären und unseren Content dagegen halten."

Positive Inhalte als Gegengift verbreiten

Wie sehr die Kampagne einen Nerv trifft, zeigt sich am massiven Ausmaß von Hass-Kommentaren unter den Kampagnenvideos, mit denen das Community-Management der Bildungsstätte und die Creatorinnen und Creatoren nach eigenen Angaben konfrontiert sind. Ein wichtiges Mittel, auf das auch der Algorithmus reagiert, sei Gegenrede. "Wir wollen den Algorithmus für unsere positiven Inhalte nutzen. Wir wollen mit unserer Bildungsarbeit in die Feeds gespült werden", sagt Deborah Schnabel.

Auch die Ansprache von Lehrkräften sei ein wichtiger weiterer Schritt. "Wir wissen aus Erfahrung, dass Lehrkräfte noch zu wenig über das Medium Tiktok wissen." Es sei schon viel gewonnen, wenn man Jugendlichen erkläre, was antisemitische Hatespeech ist, ihnen die Melde-Tools der App zeige, die Bedeutung von aktiver Gegenrede erkläre und sie auf Beratungs- und Meldestellen hinweise. So, wie das die Creatorinnen wie Leonie Schöler tun. Immer und immer wieder.

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