Arolsen Archives

Die Datenbank der Arolsen Archives soll zu einem "digitalen Denkmal" wachsen. Daher hat das Zentrum über NS-Verfolgung zu einer Challenge aufgerufen. Ziel ist es, innerhalb einer Woche 30.000 Dokumente zu digitalisieren.

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Digitales Denkmal für NS-Opfer: Kasseler Schüler helfen Arolsen Archives

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Anatolij Reschetnikow war russischer Zivilarbeiter und wurde 1944 von der Frankfurter Gestapo festgenommen. Er wurde ins Konzentrationslager Buchenwald gebracht, im Juli 1944 nach Stutthof bei Danzig verlagert. Dort starb er am 16. Januar 1945. All das lässt sich aus Reschetnikows Häftlingspersonalkarte aus dem Konzentrationslager Stutthof schließen.

Arolsen Archives

Mit solchen Dokumenten beschäftigen sich aktuell die Schülerinnen und Schüler der 12. und 13. Klasse des Friedrichsgymnasiums in Kassel. Sie nehmen an der #everynamecounts-Challenge der Arolsen Archives teil und digitalisieren Material aus der NS-Zeit.

Projekt der Arolsen Archives

Ziel der Challenge ist es, 30.000 Dokumente zu digitalisieren und in das System der Arolsen Archives einzupflegen. Im Zeitraum vom 23. bis 29. Januar sollen Häftlingspersonalkarten zu ehemaligen Gefangenen des Konzentrationslagers Stutthof von Freiwilligen erfasst werden. Nach und nach sollen so die Bestände der Archives digitalisiert werden.

Die Arolsen Archives sind ein internationales Zentrum über NS-Verfolgung mit einem umfassenden Archiv zu den Opfern und Überlebenden des Nationalsozialismus. Die Sammlung mit Hinweisen zu rund 17,5 Millionen Menschen gehört zum UNESCO-Weltdokumentenerbe. Seit 2020 werden von Freiwilligen aus aller Welt Dokumente digitalisiert.

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#everynamecounts

Wer das Projekt der Arolsen Archives unterstützen möchte, kann die Website des Zentrums besuchen. Abseits des laufenden Projekts können ebenfalls Dokumente digitalisiert werden.

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Zum internationalen Holocaust-Gedenktag am 27. Januar haben die Archives nun zu der Challenge aufgerufen. Anke Münster, die Sprecherin des Zentrums, ist mit dem Auftakt mehr als zufrieden: "Wir haben am Montag angefangen, am Dienstag war schon die Hälfte der Dokumente digitalisiert." Wenn die Häftlingspersonalkarten vollständig erfasst seien, mache man mit anderen Dokumenten weiter. Der Bestand sei groß genug, sagt Münster.

Direkter Zugang für Schüler

Die Schülerinnen und Schüler des Friedrichsgymnasiums finden das Projekt spannend. "Man arbeitet selber an der Geschichte und man kann mithelfen, dass sie verbreitet wird", sagt die 18-Jährige Chelsea. Jedes Dokument wird von drei verschiedenen Helfern digitalisiert. Nur, wenn die Eingaben identisch sind, entsteht ein neuer Archiveintrag.

Schülerinnen des Friedrichsgymnasiums in Kassel digitalisieren Dokumente aus dem KZ Stutthof.

Chelseas Sitznachbarin Heidi arbeitet ebenfalls gerne mit den Dokumenten: "Es macht einfach Spaß und hat Suchtpotenzial. Man möchte die nächste Geschichte sehen, es wird nicht langweilig." Außerdem verdeutliche die Arbeit die Anzahl der Opfer. Dienstag und Mittwoch haben insgesamt rund 150 Schülerinnen und Schüler des Kasseler Gymnasiums an dem Projekt gearbeitet.

Vor allem die Teilnahme von Schulklassen sei wichtig, betont Anke Münster: "Die zeitliche Distanz zur NS-Zeit wird immer größer, man kann nicht mehr Großeltern fragen, der Bezug ist nicht mehr da. Für Schüler ist es ein direkter Zugang, weil er über die Menschen geht."

Digitales Denkmal setzen

Dass seine Schülerinnen und Schüler von den Einzelschicksalen berührt werden, stellt der Geschichtslehrer René Mallm immer wieder fest. Gerade über diesen persönlichen Zugang werde auch das Interesse für das Thema geweckt. "Die Jugendlichen bauen an einem digitalen Denkmal mit", betont die Lehrkraft. Auf das digitale Archiv kann jeder zugreifen und beispielsweise nach eigenen Vorfahren suchen.

Vergangenes Jahr sind die Arolsen Archives auf TikTok online gegangen. Auch auf diesem Weg wollen sie über das Schicksal von Verfolgten des NS-Regimes aufklären.

Die individuellen Geschichten würden zudem Fragen aufwerfen. "Was hat es mit den Häftlingskategorien und der Rassenideologie auf sich", zählt Mallm auf. "Wie hat das NS-Regime funktioniert?" Die Schülerinnen und Schüler würden oft von sich aus Recherchen anstoßen.

Einige von ihnen finden die Arbeit mit den Dokumenten so spannend, dass sie das auch in ihrer Freizeit machen möchten, freut sich Mallm. Sie wollen mehr über Menschen wie Reschetnikow erfahren. Auch Anke Münster dürfte das freuen – schließlich warten noch unzählige Dokumente darauf, ins Archiv eingepflegt zu werden.

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