Städtepartnerschaft in schwierigen Zeiten Frankfurt und Philadelphia halten trotz politischer Barrieren an Austausch fest
Zensierter Schulfilm, Sprach-Knigge für deutsche Gastschüler - Eine Frankfurter Delegation reist in die USA, um mit ihrer Partnerstadt Philadelphia neue Bildungsprojekte zu planen und stellt fest: Trumps Politik wirkt sich auch auf den hessischen Schüleraustausch aus.
Im Frühjahr reisten Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef (SPD), Bürgermeisterin Dr. Nargess Eskandari-Grünberg (Grüne), Stadträtin Eileen O’Sullivan (Volt) sowie Vertreter von städtischen Einrichtungen nach Philadelphia, USA, um die transatlantischen Beziehungen auf kommunaler Ebene zu stärken: Seit zehn Jahren besteht eine Städtepartnerschaft mit der größten Stadt im US-Bundesstaat Pennsylvania. Gegenseitige Besuche gehören zur Agenda. Doch dieses Mal ist es anders.
Vor kurzem verschärfte US-Präsident Trump die Einreiseregelungen in die USA. Selbst einer offiziellen Delegation trieb das Schweißperlen auf die Stirn. Der Stempel vom Ägyptenurlaub im Pass einer Mitreisenden hätte zum Problem werden können, ebenso die Reise in den Iran eines anderen Teilnehmers. "Einer von uns, der in Teheran war, hatte sich deshalb im Vorfeld sogar einen zweiten Pass besorgt", erzählt Silke Mühl. Die Schulleiterin der Heinrich-Seliger-Grundschule reiste als Vertreterin der Frankfurter Schulen mit.
Städtepartnerschaft in schwierigen Zeiten
Die Stadt Frankfurt teilte den Teilnehmenden der Reise vorab mit, dass bei der Einreise eventuell die Handys sowie Social Media-Apps überprüft werden und Mails der Stadt nicht mehr abgerufen werden sollen, sagt Schulleiterin Mühl. "Man hatte ein bisschen das Gefühl, man würde nach Nordkorea einreisen. Das hat mir ziemlich Angst gemacht."
Trumps Einfluss auf Schulen
Mit im Gepäck hatte die Schulleiterin ein Filmporträt über eine Frankfurter Schule. Das sollte an einer High School gezeigt werden. Kurz vor der Abreise wurde eine Szene über das schulische Leitbild zur Sicherheit noch schnell herausgeschnitten. Sie enthielt Wörter wie Inklusion, Frau, Gleichheit, Respekt und Toleranz – Begriffe, die auf Trumps Liste der 200 verbotenen Wörter stehen und die auch amerikanischen Schulen vorliegt.
"Wenn wir schon so große Angst haben, obwohl wir da nur zu Besuch sind, will ich mir gar nicht erst vorstellen, wie das im normalen Schulbetrieb dort jetzt ist. Das ist komplett absurd", findet die Schuldirektorin.
Fördergelder könnten gestrichen werden
Doch es herrscht nicht nur Unsicherheit auf deutscher Seite. Die Frankfurter Schulleiterin nahm während der Delegationsreise nach eigenen Angaben große Verunsicherung bei den amerikanischen Austauschpartnern wahr. Schulen und Eltern befürchteten, dass Fördergelder gestrichen werden. "An einem Schüleraustausch teilzunehmen oder ein Musikinstrument zu erlernen, wäre dann für Kinder aus ärmeren Familien – das sind in Philadelphia meist Schwarze – nicht mehr möglich", stellt Silke Mühl fest.
Eltern haben Angst, dass Kinder nicht zurück kommen
Auch in Familien mit Migrationshintergrund, die sich einen Schüleraustausch leisten könnten, machten sich die Eltern große Sorgen. "Nicht, dass den Kindern etwas in Frankfurt passiert, sondern vielmehr, dass sie nicht wieder in die USA einreisen können", erzählt die Pädagogin. Die Sorge ist nicht unberechtigt. Denn auch Personen mit einer Greencard, die ein Daueraufenthaltsrecht in den USA gewährt, haben seit den verschärften US-Regelungen Probleme mit der Einreise.
Partnerstädte planen weiteren Austausch
Einschränkungen und Ängsten zum Trotz vereinbarten die Partnerstädte gemeinsame Projekte, darunter eine Nordamerika-Tournee der hr Big Band, Jazz- und Street Art-Projekte mit Jugendlichen und weitere Schüleraustausch-Programme. So plant Ruth Hohmeister, Direktorin des Friedrich-Dessauer-Gymnasiums in Frankfurt und Delegationsmitglied, erstmals einen Austausch an ihrer Schule.
Schüler sollen sich nicht frei äußern in Gastfamilien
"Wir werden unsere Schülerinnen und Schüler sensibilisieren, was man sagen kann und was nicht", so Hohmeister. Vor allem dann, wenn jemand in einer Familie mit Trump-Fans unterkomme, sei Sensibilisierung besonders wichtig, wenn das Frankfurter Gastkind eine andere politische Haltung vertritt.
Städtepartnerschaft noch nicht in Gefahr
Die zweite Amtszeit von US-Präsident Trump macht den Schulaustausch in vielen Bereichen auf kommunaler Ebene schwieriger. Die Städtepartnerschaft an sich sieht die Frankfurter Stadträtin Eileen O’Sullivan jedoch nicht in Gefahr. Die lange im Voraus geplante Reise habe aber zu einem guten Zeitpunkt stattgefunden.
"Ich glaube, genau jetzt ist ein guter Moment, um zu signalisieren, dass wir als Partnerstadt auf der anderen Seite des Teiches weiterhin präsent sind. Insbesondere in diesen Zeiten, wenn auf nationaler Ebene dagegen gearbeitet wird, dass wir global miteinander kooperieren", so O’Sullivan. Lokale Beziehungen und ein offenes Weltbild zu stärken, wenn nationale Abschottung und Isolation zunehme, sei sehr wichtig.
Erstmal vier Jahre Winterschlaf
Trotz der Vorgaben aus Washington werde in Philadelphia noch immer ein offenes Weltbild gelebt, wie Schulleiterin Silke Mühl bei ihren Gesprächen in Schulen und anderen öffentlichen Einrichtungen feststellte. "Immer haben sich die Leute bei uns entschuldigt für ihr Land und dafür, wie es im Moment ist“, sagt sie.
Die städtepartnerschaftliche Beziehung hänge nun von den Menschen in Frankfurt und Philadelphia ab. "Ich denke, es sind jetzt vier Jahre Winterschlaf. Dann müssen wir hoffen, dass sich die Situation ändert und noch etwas da ist, auf das wir wieder aufbauen können", resümiert die Schulleiterin.