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Virtuelles Storytelling im Oberhessischen Museum Gießen

Mann hält Tablet über Modell einer Stadt. Auf dem Bildschirm erscheint ein gezeichnetes Bild der Stadt.

Vergilbte Trachten, verstaubte Vitrinen? Diese Zeiten sind vorbei, viele lokale Museen gehen neue, digitale Wege. Ein Vorreiter ist das Oberhessische Museum in Gießen: Die Geschichte der Stadt lässt sich dort mit einem neuartigen, liebevoll konzipierten Audiowalk erleben.

Was hat Gießen, was für einen Artikel taugt? Diese Frage stellt sich Lina, eine 25 Jahre alte Studentin der Uni Gießen, die für die Studentenzeitung einen Bericht über die Stadt schreiben soll. Ihr Artikel soll der große Aufmacher werden, allerdings hat Lina bislang keine Idee für ein Thema.

Lina existiert in Wirklichkeit nicht. Sie ist die Protagonistin eines neuen Audiowalks, mit dem das Oberhessische Museum Gießen neue Vermittlungsformate ausprobiert. Erstes Testobjekt ist ein Modell von Gießen, das die Stadt in den 1930er-Jahren zeigt - vor ihrer Zerstörung im Zweiten Weltkrieg.

Objekten mit Tablet und Kopfhörern näherkommen

Diesem Modell können sich Besucherinnen und Besucher jetzt auch ausgestattet mit einem Tablet nähern. Über Kopfhörer hören sie dann Linas Stimme, die sich mit der Geschichte Gießens beschäftigt und sich immer wieder fragt, welcher Aspekt daran für einen Artikel besonders spannend sein könnte.

Könnte es die Tatsache sein, dass die Stadt auf Holzpfählen gebaut wurde, weil sie am immer wieder überschwemmten Lahnufer entstand? Oder wäre das alte Stadtbad spannend, das früher für viele ärmere Gießener die einzige Chance auf ein Bad war? Oder die Frage, warum die Stadt nach dem Krieg so autofreundlich konzipiert wurde? Lina bleibt lange unschlüssig.

Modell um virtuelle Elemente erweitert

Derweil erscheinen auf dem Tablet an bestimmten Stellen des Stadtmodells - zu denen Lina die Besucherinnen und Besucher mithilfe eines Schmetterlings führt - jeweils liebevoll gezeichnete Animationen zu Gießen, zu seiner Geschichte und seiner heutigen Dimension. Augmented Reality (AR) nennt es sich, wenn die Realität um virtuelle Elemente erweitert wird.

Mann mit Tablet, darauf ein Schmetterling.

"Digitale Techniken wie diese ermöglichen uns erweiterte Zugänge und einen spielerischen Umgang mit unseren Objekten", erklärt Katharina Weick-Joch, die Leiterin des Oberhessischen Museums. Das Museum hoffe, dass so neue Zielgruppen den Weg in die Ausstellung finden.

Geschichte mit eigenem Spannungsbogen

Linas Suche nach einem Gießen-Thema ist tatsächlich eine eigene Geschichte mit einem eigenen Spannungsbogen. In einer ersten Version ist die Geschichte rund zehn Minuten lang, später soll sie sich über eine halbe Stunde erstrecken.

Diese Herangehensweise habe nichts mehr zu tun mit herkömmlichen Audiowalks, bei denen Besuchende vor einem Objekt auf einen Knopf drücken und dazu einen Hintergrundtext vorgelesen bekommen, sagt Katharina Weick-Joch.

Wenn Lina von den Anfängen Gießens erzählt, dann erscheinen auf dem Tablet - über dem Stadtmodell - zunächst die grünen Lahnauen. Darauf entstehen nach und nach die ersten Häuser, bis am Ende die aktuelle Dimension der Stadt eingeblendet wird. Eine Entwicklung, die umso mehr beeindruckt, je komprimierter die Besucherinnen und Besucher sie vor Augen haben.

Drei weitere Protagonisten kommen dazu

Ersonnen hat die Geschichte die Autorin Jenny Alten, die sonst Drehbücher für Film und Fernsehen schreibt. Es sei eine besondere Herausforderung gewesen, die Geschichte in eine bestehende Ausstellung zu integrieren, erzählt sie. "Ich musste mich eben an eine bestimmte Reihenfolge halten und eine fiktive Geschichte mit wissenschaftlichen Fakten zusammenbringen."

Im Oberhessischen Museum wird aktuell die Dauerausstellung hinter verschlossenen Türen überarbeitet. Ende 2025 soll sie wieder öffnen. Spätestens bis dahin sollen drei weitere Protagonistinnen und Protagonisten aus allen Altersstufen mit eigenen Geschichten zu Lina dazukommen. Deren Gießen-Reise endet übrigens (vorerst) in ihrem Kleingarten, in dem sie schließlich ihr Thema findet. Denn: Gießen hat jede Menge zu bieten, das für einen Artikel taugt.

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Hintergrund

Das Projekt ist Teil des Verbundes museum4punkt0, einem deutschlandweiten Netz von 27 Museen, das von der Stiftung Preußischer Kulturbesitz koordiniert und von der Bundesbeauftragten für Kultur und Medien gefördert wird. Über Institutionsgrenzen hinweg und disziplinübergreifend sollen digitale Angebote für neue Arten des Lernens, Erlebens und Partizipierens im Museum entwickelt werden. Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet. Die Ergebnisse werden dann allen interessierten Museen zugänglich gemacht.

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