Zwei Schauspielerinnen auf der Bühne in Glaskästen.

Kurz vor der Landtagswahl in Hessen bringt das Staatstheater Wiesbaden eine bitterböse Polit-Satire auf die Bühne. Das hat Sprengkraft, tobt doch am Theater selbst seit Monaten ein böser Streit innerhalb der Bühnenleitung. Nun haben die Mitarbeitenden öffentlich Alarm geschlagen.

Audiobeitrag

Audio

"Das Ministerium" am Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Zwei Schauspielerinnen sitzen auf der Bühne
Ende des Audiobeitrags

Dunkler Hosenanzug, Pumps, Hochsteckfrisur, Handtasche: Auf der Bühne im Staatstheater Wiesbaden steht eine frisch gebackene grüne Kulturministerin (Marie Luisa Kerkhoff). Bei ihr eine Freundin aus Jugendtagen (Lena Hilsdorf), heute Journalistin, die vergeblich versucht, für ein Feature ein authentisches Gespräch mit der Politikerin zu führen. Aber irgendwie bringt diese nur Worthülsen und Plattitüden raus, ihre Freundin erkennt sie gar nicht mehr.

Ministerin als Inspiration für Hauptfigur

Das Staatstheater Wiesbaden bringt quasi pünktlich zur Landtagswahl am 8. Oktober eine Politik-Satire mit dem Namen "Das Ministerium" auf die Bühne. Unfreiwillige Vorlage für die Figur der Ministerin ist Hessens grüne Kulturministerin Angela Dorn. Die Parallelen sind hier nicht zu übersehen: gleicher Posten, gleiches Alter, gleiche Partei, ähnliche Vita.

Dorn sei Inspiration für die Figur gewesen, man kopiere sie aber nicht, sagt Regisseur Clemens Bechtel. Sie stehe vielmehr für den Typ "junge, ehrgeizige Politikerin, die es weit nach oben auf dem Treppchen der Macht" geschafft hat. Interessant sei, zu beobachten, wie ein Mensch sich auf diesem Weg verändert und ob die einstigen Ideale dann noch zählen, im Spannungsfeld zwischen Krötenretten und Regierungsarbeit.

Krise am Staatstheater Wiesbaden spitzt sich zu

Besondere Brisanz hat die Satire über Politik-Filz in Wiesbaden, weil am dortigen Staatstheater ganz real ein interner Streit zwischen dem Intendanten Uwe Eric Laufenberg und dem Geschäftsführenden Direktor Holger von Berg tobt - dieser Theaterdonner hallt seit Monaten durchs Land und sorgt für viel negative Aufmerksamkeit.

Aktuell liegt eine öffentliche Erklärung von Theatermitarbeitenden vor, in der Dramaturgin Anika Bárdos und Schauspieldirektor Wolfgang Behrens stellvertretend für "viele Mitarbeitende" feststellen, dass sie eine Zusammenarbeit mit von Berg "nicht mehr für möglich erachten". Das Kulturministerium als Träger des Staatstheaters betont in einer Presseerklärung vom Freitag dazu, die öffentliche Erklärung sei "ungeeignet, zur Lösung der innerbetrieblichen Konflikte beizutragen".

Vertrauensbrüche auf allen Seiten

Die genannten "innerbetrieblichen Konflikte" existieren am Theater seit 2022 und spitzen sich seitdem immer weiter zu. Grund für den Streit ist eine Personalie: Der Intendant wollte den jüdischen Musiker Ilja Jossifov als Orchesterdirektor einsetzen, der Geschäftsführende Direktor war nach eigenen Angaben aus fachlichen Gründen dagegen, der Macht- und Kompetenzkampf gipfelte schließlich in einem handfesten Eklat mit dem schrecklichen Namen "Hakenkreuzskandal".

Eine Mediation, die das Kunstministerium und die Stadt Wiesbaden dem Theater daraufhin verordneten, scheiterte. Hinzu kamen ein Hausverbot für einen Musiker, der sich öffentlich kritisch in dem Konflikt gegen den Intendanten äußerte und daraufhin von diesem des Antisemitismus bezichtigt wurde. Insgesamt ein Schlamassel von geradezu epischem Ausmaß - Vertrauensbrüche auf allen Seiten.

Bisher erfolglose Maßnahmen und Anweisungen

Um das Theater im Theater endlich in den Griff zu bekommen, haben Stadt und Land - beide als Träger des Hauses - Anfang September eine "renommierte Unternehmensberatung" eingesetzt. Diese soll nach Angaben des Ministeriums die Strukturen des Theaters analysieren und dann Verbesserungsvorschläge machen.

Für die zerstrittene Bühnenleitung gibt es zudem eine Dienstanweisung, die fordert, dass Intendant und Geschäftsführender Direktor ihre Aufgaben "im Einvernehmen mit dem jeweils anderen" erfüllen müssen. "Dass das derzeit nicht optimal gelingt, ist kein Geheimnis", erklärte die Staatssekretärin im Kunstministerium Ayse Asar (Grüne).

Dass er von diesen Maßnahmen nichts hält, daraus macht Intendant Laufenberg keinen Hehl. Eine Dienstanweisung sei nur sinnvoll, wenn sie erfüllbar wäre. "Und wenn Sie Unmögliches von verschiedenen Personen erwarten, dann wird das einfach nicht stattfinden können", sagte Laufenberg im Hessischen Rundfunk.

Das Ministerium sei zu untätig und verschiebe die Probleme in die nächste Spielzeit - und wegen der anstehenden Landtagswahl eben auch in die nächste Legislaturperiode. Den beiden neuen Intendantinnen, Dorothea Hartmann und Beate Heine, die zur kommenden Spielzeit 2024/25 das Theater von ihm übernehmen, werde so kein "gesundes Haus" übergeben.

Weitere Informationen

Landtagswahl in Hessen

Am 8. Oktober wird in Hessen ein neuer Landtag gewählt. Kandidaten, Parteien, Briefwahl & Co.: In unserem Dossier zur Hessischen Landtagswahl werden alle Fragen beantwortet.

Ende der weiteren Informationen

Ist die Politik-Farce "Das Ministerium" also eine Abrechnung des Theaters mit der Kulturpolitik des Landes Hessen und der Stadt Wiesbaden? "Nein", sagen Intendant und Regisseur und wollen ihr Stück allgemeiner verstanden wissen. "Es ist keine Abrechnung mit der Kulturpolitik. Es ist eine Abrechnung mit uns allen als kapitalistische Wesen, die wir die ganz Zeit versuchen, uns zu Markte zu tragen, egal ob in der Kunst, im Journalismus oder in der Politik", so Regisseur Bechtel.

Abrechnung oder nicht - Kulturministerin Angela Dorn will sich das Stück nicht ansehen. "Das ist einfach Kunstfreiheit und das ist okay so. Aber ich wüsste nicht, warum es notwendig ist, dass ich es anschaue." Das Datum der Premiere für eine Polit-Satire, jetzt so kurz vor der Landtagswahl, ist zwar heikel, aber natürlich gewollt und mit Erfolg gesetzt: Die kommenden Vorstellungen bis Ende Oktober sind nach Angaben des Theaters so gut wie ausverkauft. 

Weitere Informationen

"Das Ministerium" am Hessischen Staatstheater Wiesbaden

Das Stück "Das Ministerium" feiert am 15. September seine Uraufführung im Hessischen Staatstheater Wiesbaden. Einige Termine im September und Oktober stehen schon fest, die Inszenierung von Clemens Bechtel startet jeweils um 19.30 Uhr im Kleinen Haus.

Ende der weiteren Informationen
Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen