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Das vergessene Kunstwerk von Hein Heckroth

Bühnenbild von Hein Heckroth

In Biedenkopf hat der Abriss des Bürgerhauses ein vergessenes, 14 Meter breites Wandbild zutage gefördert. Geschaffen hat es ein Oscar-Preisträger aus Gießen. Kunstkenner sprechen von einem spektakulären Fund.

Das Bild ist nicht nur 14 Meter breit, 4,85 Meter hoch und besteht aus zehn Teilen - es ist auch ein Sensationsfund. Fast 25 Jahre lang war das Wandgemälde des Gießener Künstlers und Oscar-Preisträgers Hein Heckroth hinter einem Vorhang im Bürgerhaus in Biedenkopf verborgen - bis das Bürgerhaus im Laufe des vergangenen Jahres demontiert und abgerissen wurde.

Drei Gießener Design- und Möbelkünstler hatten das faltbare Wandbild bei einer Auktion der Stadt ersteigert und wollten es als Rückwand für einen Messestand benutzen. Im November reisten sie an, um die zehn Teile abzuholen.

"Bild hatte hochwertige Qualität"

Dass sie auf einen Kunstschatz gestoßen waren, ahnten sie erst nach dem Transport nach Gießen, für den ein ganzer Tag "gerade so gereicht hat", wie Philip Fust, einer der drei Männer, erzählt. Denn die einzelnen Teile sind in Stahl gefasst und zusammen gut zwei Tonnen schwer.

"Das Spannende kam danach", erinnert sich Fusts Geschäftspartner Ronnie Martin. "Wir haben festgestellt, dass das Bild sehr schön ausgeführt war, in einer hochwertigen Qualität, und haben angefangen zu recherchieren." Ein Bekannter habe sie auf den Namen Hein Heckroth gebracht.

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Hein Heckroth - vom Buchdrucker zum Oscar-Preisträger

Hein Heckroth wurde 1901 in Gießen geboren. Der gelernte Buchdrucker und Schriftsetzer studierte am Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt und der Hanauer Zeichenakademie. Schon mit 21 Jahren hatte er erste Ausstellungen.

Wahrscheinlich aus finanziellen Gründen wurde er dann Bühnengestalter unter anderem in Münster, Essen, Köln, Frankfurt, Berlin, Dresden, München und Wien. Nachdem die Nationalsozialisten an die Macht kamen, wurde ein Mal- und Lehrverbot gegen ihn verhängt, da er sich nicht von seiner jüdischen Frau scheiden lassen wollte.

Das Paar ging 1933 ins Exil, wo Heckroth international bekannt wurde. Zunächst arbeitete er in England, dann als Filmausstatter in Hollywood, wo er 1949 für den Tanzfilm "The Red Shoes" (Die roten Schuhe) den Oscar für das beste Szenenbild gewann. 1956 zog es seine Frau und ihn nach Deutschland zurück. Hier arbeitete er unter anderem in Frankfurt als Bühnenausstatter.

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Der Hollywood-Filmausstatter und Bühnenbildner stammt gebürtig aus Gießen. Auch wenn ihn der Oscar für den Tanzfilm "The Red Shoes" Ende der 1940er Jahre bekannt machte - im Grunde seines Herzens habe Heckroth sich immer als freier Künstler und Maler verstanden, sagt Markus Kiefer, der Vorsitzende der Hein-Heckroth-Gesellschaft Gießen.

Künstlerisches Vermächtnis mit unbekanntem Wert

Das jetzt aufgetauchte Gemälde sei ein spektakulärer Fund. Da es in Heckroths Todesjahr 1970 entstand, "kann es auch als eine Art künstlerisches Vermächtnis betrachtet werden." Sein Wert sei jedoch nicht zu beziffern - weil es keine Vergleichsgrößen gebe und mutmaßlich auch wenige Käufer, die es sich irgendwo aufhängen könnten, sagt Kiefer.

Vier Männer stehen um ein sehr großes Bild

Wie viel die drei Geschäftspartner für das Gemälde bezahlt haben, möchte Ronnie Martin nicht verraten. Nach Angaben der Stadt hat die Auktion des Bürgerhaus-Inventars insgesamt 53.000 Euro eingebracht.

Bild hatte keine Signatur

Heckroth als Urheber des Gemäldes zu identifizieren, habe eine intensive Recherche erfordert, erzählt Ronnie Martin, denn das Bild habe keine Signatur aufgewiesen. Nach dem Hinweis des Bekannten habe er die Hein-Heckroth-Gesellschaft kontaktiert.

Diese fand im Oberhessischen Museum Gießen tatsächlich Hinweise auf einen Auftrag Heckroths in Biedenkopf, unter anderem lagerten im Museum fünf Entwurfsskizzen mit dem Vermerk "Bürgerhaus Biedenkopf".

Verwandte brachten Klarheit

Der Kontakt mit Heckroths Verwandten brachte schließlich Klarheit: Erhalten hatte er den Auftrag von einem Freund, dem Frankfurter Architekten Hansjörg Kny - von dem unter anderem der Entwurf für das Bürgerhaus in Biedenkopf stammte.

Das Gemälde habe sehr gut in das Bürgerhaus gepasst, einen spätbrutalistischen Bau mit viel Beton, sagt Ronnie Martin. Zum Brutalismus passe die Materialität: Das Bild ist mit Acrylfarbe gemalt und gespachtelt, die abstrakten Flächen sind in Erdtönen gehalten, außerdem sind Jutesäcke eingearbeitet.

Heckroth konnte Bild nicht selbst vollenden

Die Eröffnung des Bürgerhauses Ende 1970 hat Hein Heckroth allerdings nicht mehr erlebt. Er starb am 6. Juli 1970 bei der Rückreise von einem Aufenthalt in den Niederlanden auf dem Bahnhof Alkmaar an einem Herzinfarkt.

Das Bild konnte er nicht mehr vollenden, das tat der mit ihm befreundete Maler und Bühnenausstatter Hermann Haindl (1927-2013), wie aus einer Festschrift zur Eröffnung des Bürgerhauses hervorgeht.

Das hat der Historiker und ehemalige Leiter des Hinterlandmuseums in Biedenkopf, Gerald Bamberger, inzwischen herausgefunden. Auch ihn hatten die drei Neubesitzer bei ihren Recherchen kontaktiert.

Wohin nun mit dem Bild?

Die Hein-Heckroth-Gesellschaft und die Neubesitzer treibt nun unter anderem die Frage um, wo das riesige Kunstwerk dauerhaft der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann.

Wer das Werk sehen will, hat voraussichtlich bei der Gießener Kulturnacht am 25. Mai im Hüttenweg 8 die Möglichkeit.

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