Audio

Diskussion um Netrebko geht weiter

Foyer des Staatstheaters Wiesbaden

Wegen des Auftritts der russischen Sängerin Anna Netrebko haben ukrainische Künstler ihre Teilnahme an den Maifestspielen in Wiesbaden abgesagt. Eine politische Einflussnahme bestreitet Kulturstaatsministerin Roth nun aber ebenso wie einen persönlichen Brief aus Kiew.

Die Ukrainische Nationalphilharmonie und das Taras-Schewtschenko-Theater Charkiw werden bei den "Internationalen Maifestspielen" (IMF) des Staatstheaters Wiesbaden nicht auftreten - solange die Einladung der umstrittenen russischen Sopranistin Anna Netrebko bestehen bleibt.

Diese vorläufige Absage hatte das Staatstheater am Dienstag bestätigt und vermutet, dass politischer Druck der ukrainischen Politik auf die Künstler dazu geführt habe. Für diese Vermutung spreche auch ein Brief des Kulturministers der Ukraine, Oleksandr Tkachenko, an Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), so das Theater.

Staatstheater vermutet generellen Boykottaufruf

Tkachenko stelle in diesem Schreiben klar, "dass die ukrainische Seite weder die Zusammenarbeit mit Personen tolerieren werde, die die russische Kultur repräsentierten, noch überhaupt Veranstaltungen, in denen russische Kultur zur Darstellung käme".

Das Staatstheater zitiert in seiner Stellungnahme die Aussage wörtlich und folgert daraus, dass man künftig weder russische Künstler auftreten lassen noch russische Musik spielen und auch keine russischen Dichter mehr zu Wort kommen lassen dürfe. Das sei nicht hinnehmbar.

Verwirrung um Brief

Während das Staatstheater das offenbare Schreiben Tkachenkos dem hr zur Verfügung stellte, ist der Inhalt des an Roth adressierten Briefs in deren Berliner Büro nicht bekannt. "Uns liegt kein solches Schreiben des ukrainischen Kulturministers an Staatsministerin Roth hinsichtlich der Internationalen Maifestspiele in Wiesbaden vor", sagte eine Sprecherin am Mittwoch dem hr.

Roth sei seit Kriegsbeginn "in engem und vertrauensvollen Austausch" mit ihrem ukrainischen Amtskollegen Tkachenko. Dabei gehe es insbesondere um die Frage, wie Deutschland die Ukraine beim Schutz ihrer Kultur sowie ihrer Kulturgüter weiterhin unterstützen könne. "Zu keinem Zeitpunkt waren die Maifestspiele in Wiesbaden oder Frau Netrebko Thema bei diesem Austausch", so die Sprecherin.

Roth: Kritik nachvollziehbar

Roth habe sich wiederholt gegen einen generellen Boykott russischer Kultur oder auch russischer Künstlerinnen und Künstler ausgesprochen. Allerdings könne sie nachvollziehen, dass es Kritik an einem Auftritt von Netrebko gebe und dass ukrainische Künstlerinnen und Künstler nicht gemeinsam mit ihr an einem Festival teilnehmen möchten.

Anna Netrebko mit auffälligem Kopfschmuck im Scheinwerferlicht.

"Die programmatische Ausgestaltung der Internationalen Maifestspiele liegt allerdings in der Verantwortung und Entscheidung des hessischen Staatstheaters in Wiesbaden", so die Sprecherin abschließend.

Staatskanzlei: Kein Kontakt zur ukrainischem Kulturminister

Eine Einflussnahme bestreitet auch die Hessische Staatskanzlei. Es gebe keinen Kontakt zum Kulturministerium der Ukraine, erklärte Staatsminster Axel Wintermeyer (CDU) auf hr-Anfrage.

Das Land bleibe trotzdem - wie auch der Wiesbadener Magistrat - bei seiner Ablehnung des Netrebko-Konzerts. Die Sängerin stehe aus gutem Grund auf der Sanktionsliste der Ukraine.

Magistrat will nur Netrebko-Auftritt meiden

Der Magistrat der Stadt Wiesbaden war in seiner Sitzung am Dienstag nur vorsichtig auf Distanz zum Staatstheater und Intendant Uwe Eric Laufenberg gegangen. Die Stadt entschied, weder zu dem Konzert noch zum anschließenden "Meet and greet" offizielle Vertreter zu entsenden.

Zur Eröffnung der Festspiele werde Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) aber sprechen, hieß es auf Anfrage des hr. Auch den Empfang für den Förderkreis der Maifestspiele werde es geben. Einen offiziellen Magistratsbeschluss gab es dazu nicht.

Ukrainische Künstler forderten Entscheidung

Zuerst hatte am Montag die FAZ von den Absagen berichtet. Das Ensemble des Charkiwer Theaters hatte in einem Brief an Intendant Laufenberg, der auch dem hr vorliegt, appelliert, sich zwischen ihnen und der russischen Sängerin zu entscheiden.

Bereits vor dem Bekanntwerden der Absage hatte es um den geplanten Auftritt Netrebkos heftigen Streit gegeben. Die Sopranistin ist umstritten, weil sie sich nicht glaubwürdig vom russischen Präsidenten Wladimir Putin distanziert haben soll. Die Stadt Wiesbaden und das Land Hessen waren daraufhin bereits vergangene Woche auf Distanz zu den Maifestspielen gegangen.

Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieses Artikel hatten wir geschrieben, dass Anna Netrebko ihren 50. Geburtstag mit Wladimir Putin im Kreml gefeiert habe. Das ist falsch, es gab nur eine Gratulation Putins, die Kremlsprecher Peskow verlas. 

Auch die Aussage, sie habe 2014 mit pro-russischen Separatisten im Kreml posiert, ist falsch. Ein Foto, das sie mit mit dem ostukrainischen Separatistenführer Oleg Zarjow zeigt, entstand in St. Petersburg. Nach Darstellung von Frau Netrebko sei es damals um die Übergabe einer Spende für das Personal der Donetsker Oper gegangen, das in Folge des Einmarschs in die Ukraine keine Gehälter mehr erhielt. Sie habe nicht gewusst, wer der Mann ist, mit dem sie fotografiert wurde.

Wir haben wegen der falschen Darstellung diesen Absatz entfernt.

Weitere Informationen Ende der weiteren Informationen