Rapper Moses Pelham vor Abschiedstour "Hip-Hop hatte früher eine gewisse Exklusivität"

Moses Pelham gilt als Mitbegründer des Deutschrap. Nach 30 Jahren zieht sich der Frankfurter mit Album und Abschiedstour aus dem Musikbusiness zurück. Im Interview erzählt er, wieso jetzt der richtige Zeitpunkt dafür ist - und was er bereut.

Das Bild zeigt Rapper Moses Pelham. Er trägt eine Glatze, einen dunklen Bart und ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift "Frankfurt" auf der linken Brust. Seine Hände hält er vor seinem Bauch. Im Hintergrund ist die Skyline von Frankfurt zu sehen.
Moses Pelham verabschiedet sich mit seinem Album "letzte Worte" von der Bühne. Bild © Katja Kuhl

Lange hieß es für Moses Pelham nur "Höha, schnella, weita". In dem gleichnamigen Track bezeichnete der Mitbegründer des Rödelheim Hartreim Projekts sich schon Mitte der 1990er Jahre als lebende Legende und rappte, dass er ja in Rente gehen würde, wenn da nur jemand wäre, der den Job machen könnte.

Jetzt ist für den Frankfurter offenbar der Zeitpunkt gekommen, sich von der Bühne zu verabschieden: Im Januar veröffentlicht Pelham ein letztes Album. Bereits am Montag startet seine Abschiedstour – natürlich in seiner Heimatstadt.

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Im Gespräch mit hessenschau.de wirft er einen Blick zurück auf seine 30-jährige Karriere und Wegbegleiter, mit denen es mal besser und mal schlechter lief.

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Das Gespräch führte Melanie Aschenbrenner.

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hessenschau.de: Die meisten Abschiede zwingt einem das Leben auf. Warum wollten Sie Ihren eigenen Abgang von der Bühne selbst bestimmen?

Moses Pelham: Es ging mir darum, die Gelegenheit nicht zu verpassen, das ordentlich zu machen. Viele Leute erfahren erst fünf Jahre nach ihrem letzten Album, dass es ihr letztes war. Aber ich wollte eine Platte machen, die sich damit beschäftigt, dass es die letzte ist.

Das gilt auch für die Tour: Ich möchte den Leuten die Gelegenheit eines vernünftigen, geordneten Abschieds geben und wünsche mir bei allem Schmerz, dass er von Dankbarkeit geprägt ist.

Das Bild zeigt Rapper Moses Pelham in einem hr-Studio. Zu sehen ist ein Mann mit schwarzer glänzender Bomberjacke, einer schwarzen Basecap und einer schwarz gerahmten Brille. Er trägt einen dunklen Ziegenbart und sitzt auf einem Stuhl. Am linken Bildrand sind ein Mikrofon und ein Tisch zu sehen.
Moses Pelham beim hr-Interview. Bild © Katrin Kimpel (hr)

hessenschau.de: Ihr Abschiedsalbum "Letzte Worte" erscheint im Januar, die Tour dazu startet schon am Montag in Frankfurt. Fühlen Sie sich bereit dafür oder haben Sie Angst?

Pelham: Angst ist das falsche Wort. Aber ich habe grundsätzlich großen Respekt davor. Im Studio will ich auch nicht versagen, aber dort kannst du einfach noch mal aufnehmen, wenn es nicht gepasst hat.

Live auf der Bühne darf es beim allerletzten Mal gerne keine Komplikationen geben. Obwohl ich mir in manchen Momenten auch sage, dass das albern ist, weil die Leute, die ja nur meinetwegen ins Konzert kommen, mir bestimmt auch einen Patzer verzeihen.

Dazu fällt mir die Zeile aus dem Song "With a little help from my friends" von den Beatles ein: "What would you think when I sang out of tune" – was würdest du denken, wenn ich daneben sänge? Ich glaube, die Leute würden sich sicher nicht umdrehen und gehen, aber ich will es auch nicht herausfordern.

hessenschau.de: Sie spielen insgesamt neun Abschiedsshows in der kleinen Frankfurter Batschkapp. In anderen Hallen der Stadt hätten Ihre Fans mehr Platz.

Pelham: Ja klar, aber die "Kapp" ist für mich nicht irgendeine Halle. Wir haben da die ersten Konzerte vom Rödelheim-Hartreim-Projekt gespielt – wenn auch in der alten Batschkapp.

Es bedeutet mir also schon etwas, wenn wir die Sache jetzt dort zu Ende bringen. Klar hätten meine Band und ich auch die große Festhalle in Frankfurt bespielen können, aber da gehöre ich nicht rein.

Pelham wird 1971 als Sohn eines US-amerikanischen Bluesmusikers und einer Versicherungskauffrau in Frankfurt geboren. Schon als Teenager landet er 1988 mit seiner ersten Solo-Single "Twilight Zone" in den Charts. Später gründet er "Pelham Power Productions", kurz "3p", die etwa Sabrina Setlur, Xavier Naidoo oder Pelhams Band Glashaus produzierten.  

Als Teil des 1992 gegründeten Rödelheim Hartreim Projekts legt er den Grundstein für das, was später Straßenrap genannt wird und macht den Frankfurter Stadtteil bundesweit bekannt. Die Kombo kam im Vergleich zu anderen frühen deutschsprachigen Vertretern des Hip-Hop – wie den Fantastischen Vier – aggressiver daher.

Später fällt Pelham mit positiven wie negativen Schlagzeilen auf. 1997 bricht er Stefan Raab im Streit die Nase. Im Folgejahr wird er mit dem Echo zum "Produzent des Jahres" gekürt. Er verkracht sich zwischenzeitlich mit seinem Wegbegleiter Xavier Naidoo und führt seit mehr als 20 Jahren einen juristischen Streit mit der Band Kraftwerk um einen Zwei-Sekunden-Rhythmus. 2020 bekommt er den Ehrenpreis der deutschen Schallplattenkritik. Pelham zeige, "dass er im deutschen Rap und Hip-Hop in seiner eigenen Champions League spielt", heißt es seitens der Jury.  

hessenschau.de: Auf Ihrer neuen Single "Der Anfang vom Ende" singt mit Xavier Naidoo ein alter Wegbegleiter von Ihnen. Zuletzt sorgte er mit Verschwörungstheorien für Schlagzeilen. War das Thema im Studio?

Pelham: Da steckt schon eine Aussage in der Frage drin. Ich hatte mit Xavier in den mehr als dreißig Jahren, die wir uns jetzt kennen, schon ganz andere Probleme. Aber irgendwann habe ich entschieden, wenn das mein letztes Abendessen ist, dann will ich, dass er mit am Tisch sitzt.

Das bedeutet nicht, dass ich mir in jedem Detail mit ihm einig bin. Xavier ist wie ein Bruder für mich und unsere Beziehung war schon immer davon geprägt, dass wir unterschiedlicher Meinung sind. Aber es ist was anderes, wenn man mit Liebe diskutiert und sagt: "Ich verstehe das, was du da sagst, überhaupt nicht."

Ich höre immer von Familien, die über alles Mögliche zerbrechen: Präsidentschaftswahlen, Kommunalpolitik. Das ist doch fürchterlich. Warum können wir denn nicht unterschiedlicher Meinung sein und sagen: Du, ich verstehe das nicht, aber schön, dass es dich gibt, denn du bedeutest mir sehr viel.

Das Bild zeigt den Rapper Moses Pelham und Sänger Xavier Naidoo. Zu sehen sind ein Mann mit dunkler Schiebermütze und Sonnenbrille, der einen anderen Mann mit Glatze und schwarzem T-Shirt umarmt. Beide halten ein Mikrofon in der Hand.
Mit Xavier Naidoo verband Moses Pelham zunächst eine Freundschaft, es folgte Streit und eine juristische Auseinandersetzung um Plattenvermarktung – und 2012 schließlich die Versöhnung. Bild © picture-alliance/dpa

hessenschau.de: Schwierig in Bezug auf das, was Hip-Hop ist, war lange auch Ihr Verhältnis zu den Fantastischen Vier. Heute pflegen Sie guten Kontakt. Woher der Sinneswandel?  

Pelham: Vielleicht habe ich ihnen damals Unrecht getan, weil ich meine Arbeit immer für ernsthafter hielt. Für mich war das, was sie gemacht haben, eher Entertainment und ein bisschen Kasperletheater. Heute sage ich mir: Wer bin ich denn bitte, um zu beurteilen, wie sehr sie das lieben, was sie machen?

Mir tut im Nachhinein einiges leid, das ich gesagt habe. Es ist mir unangenehm und ich wünschte, ich könnte es ungeschehen machen. Aber es hatte auch ein bisschen was mit Wichtigtuerei zu tun. Man kann ja auch unterschiedliche künstlerische Ziele verfolgen, ohne einander anzufeinden.

hessenschau.de: Die Fanta Vier sind heute in vielerlei Hinsicht mehr Pop als Hip-Hop, der mittlerweile die Musik, Mode und Kultur dominiert. Verspüren Sie im Rückblick Stolz oder Überdruss? 

Pelham: Von beidem ein bisschen. Dass Hip-Hop so in Richtung Pop geht wie heute, hat natürlich seinen Preis und ist voller Missverständnisse. Ich mag es nicht, wie ein Opa zu urteilen, aber die Sache hatte früher eine gewisse Exklusivität. Die war nicht mit Geld zu kaufen. Du musstest Liebe und Zeit investieren.

Das hat sich krass verändert, was bestimmt auch viele positive Seiten hat – aber eben nicht nur. Vor 36 Jahren wurde ich noch gefragt, wie lange der Hip-Hop-Trend noch anhält und habe gesagt: "Ich glaube, du hast eine falsche Vorstellung."

Aber da konnte ich auch noch nicht wissen, dass sich Hip-Hop so breitmachen würde, auch in deutscher Sprache. Ich muss gerade an meinen Song "Wunder" denken, in dem es heißt: "Ich hab' keine Peilung, was die Kids gerad' fragen. Meinst Du, die meinen was ich meine, wenn sie Hip-Hop sagen?"

hessenschau.de: Zurück zu Frankfurt, wo Ihre Karriere angefangen hat. Ist die Stadt immer noch Heimat für Sie?  

Pelham: Frankfurt hat sich sehr verändert. Aber hier sind nun mal die meisten Menschen, die mich begleitet haben im Leben. Das merkst du auch am großen Interesse der Leute an den Konzerten in der Batschkapp.

Das Bild zeigt den Rapper Moses Pelham und den damaligen Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann im Römer bei der Verleihung der Goethe-Plakette im Jahr 2012. Zu sehen sind ein Mann mit Glatze und schwarzem Anzug, der ein aufgeschlagenes Buch in die Kamera hält sowie am linken Bildrand ein Mann mit grauen kurzen Haaren, grauem Anzug und einer schweren Goldkette um den Hals. Er hält eine rote Kiste in der Hand, in der eine silberne Plakette zu sehen ist.
2012 bekam Moses Pelham die Goethe-Plakette vom damaligen Frankfurter Oberbürgermeister Peter Feldmann verliehen. Bild © picture-alliance/dpa

Aber vielleicht rede ich auch von Frankfurt oder der Rödelheimer Landstraße und meine etwas, das eigentlich nur noch in meinem Herzen und meiner Erinnerung existiert.

Ich liebe den Platz vor der Alten Oper. Links und rechts davon hat sich alles verändert. Aber wenn du vorm Brunnen stehst und auf die Oper schaust, sieht das immer noch so aus wie vor dreißig Jahren.

hessenschau.de: Wissen Sie schon, was Sie nach der Tour und dem neuen Album machen?

Pelham: Es wird nicht vorbei sein. Ich habe eine Biografie geschrieben, die nie veröffentlicht wurde. Damals wollte ich, dass sie im Hier und Jetzt endet. Vielleicht setze ich mich noch mal dran. Aber es ist nicht so, dass ich genau weiß, was ich machen werde.

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Redaktion: Maik Fischer und Anna Lisa Lüft

Sendung: hr INFO,

Quelle: hessenschau.de, dpa/lhe