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Poetry Slammerin Leah Weigand schreibt ein Buch über Menschlichkeit

Portrait: Leah Weigand lacht in die Kamera

Poetry Slammerin Leah Weigand sprach mit ihrem Text "Ungepflegt" tausenden Pflegenden aus der Seele, das zugehörige Video ging viral. Jetzt kommt ihr erster Gedichtband heraus. Im Interview erzählt sie von Gedichten in der Schule, ihrem Weg zum Slam und von der Kraft von Kunst.

Ihr Poetry-Slam-Video "Ungepflegt", in dem sie gleichzeitig die Schönheiten und Missstände des Pflegeberufs ansprach, berührte Millionen von Menschen. Jetzt veröffentlicht die Marburger Poetry-Slammerin und Medizinstudentin Leah Weigand ihren ersten Gedichtband "Ein wenig mehr Wir" und plädiert für mehr Menschlichkeit in unserer Gesellschaft.

Im Interview mit hessenschau.de spricht die 27-jährige gelernte Krankenschwester über ihren Weg zum Poetry Slam, ihre Texte im Deutschunterricht und darüber, was Kunst in der Gesellschaft erreichen kann.

Das Gespräch führte Anna Spieß.

hessenschau.de: Leah, du hast ein Buch geschrieben, eine Art Sammlung deiner Slam-Texte, also Gedichte. Wie kam es dazu? 

Leah Weigand: Es war für mich immer ein Traum, meine Texte in Schriftform zu veröffentlichen und Menschen nach Auftritten mit nach Hause geben zu können. Das finde ich eine sehr schöne Vorstellung. Nach meinem Video über den Pflegetext, das sehr viel Aufmerksamkeit bekommen hat, kamen Verlage auf mich zu und ich bekam die Chance, ein Buch herauszubringen. 

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hessenschau.de: Poetry Slam hat einen bestimmten Duktus, eine Art Melodie. Hat es aus deiner Sicht funktioniert, solche Texte in ein Buch zu übertragen? 

Weigand: Tatsächlich ist Spoken Word eine eigene Kunstform und ich bezeichne mich als Spoken-Word-Künstlerin - im Gegensatz zum geschriebenen Text, zum geschriebenen Gedicht. Das muss man differenziert betrachten. 

Das Vortragen geht verloren, aber ein Buch hat den Vorteil, dass jeder in seinem Tempo durch die Texte gehen kann und seine Gedanken beim Lesen einbringen kann. Beim Schreiben hatte ich auch im Hinterkopf, dass die Texte nicht gehört werden - außer, man hat das Hörbuch.  

hessenschau.de: Woher kommt dein Interesse an Gedichten? 

Weigand: Ich fand Gedichte tatsächlich auch als Kind schon cool. Ich kann mich erinnern, dass mein Opa ganz gerne gedichtet hat, und das fand ich immer sehr spannend. In der Schule habe ich die Gedichte auswendig gelernt, die ich selbst cool oder lustig fand oder auch spannend. Außerdem habe ich sehr gerne Geschichten geschrieben. Wenn es darum ging, sich zum Beispiel im Deutschunterricht etwas auszudenken, da war ich immer ganz vorne. 

hessenschau.de: Apropos: Wie wäre es für dich, wenn deine Texte irgendwann mal in der Schule gelesen würden - zusätzlich zu den Klassikern? 

Weigand: Das ist eine verrückte Vorstellung. Aber es wäre natürlich eine große Ehre für mich. Es ist tatsächlich jetzt auch schon manchmal so, dass mir Lehrerinnen oder Lehrer schreiben und berichten, sie arbeiten mit ihrer Klasse gerade meinen Text durch. Das finde ich immer noch eine sehr verrückte Vorstellung, aber es freut mich natürlich. Wobei ich nicht weiß, ob ich so viel mitgeben kann wie Goethe oder Schiller (lacht). 

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Kurzrezension zu "Ein wenig mehr Wir"

Um es gleich vorweg zu nehmen: Leah Weigands Buch ist absolut empfehlenswert - auch für Menschen, die kein Fan von Gedichten sind. Schon im Vorwort lädt sie dazu ein, sie beim Denken zu begleiten: bei der Frage etwa, ob ein solches Buch überhaupt Sinn macht. Und beim Finden der Antwort: Dass Schreiben einfach heilsam ist.

Auf 160, mal amüsanten, mal nachdenklichen Seiten wird beim Lesen nie langweilig. Leah Weigand ist eine Meisterin darin, ganz unterschiedliche Themen auf den Punkt zu bringen, etwa beim "Loblied auf die analoge Welt", wenn sie schreibt: "Weil’s hier noch creepy ist, wenn Fremde mir folgen." Berührend sind wiederum die Gedichte "Liebeserklärung an die Mütter" oder ihre Hommage an Marburg "Die Stadt an der Lahn".

Und selbst Insider wie "Handreichung (für Mediziner)" oder "Ein Freund. Für Franz" sind so amüsant, dass eben nicht nur die Angesprochenen etwas damit anfangen können.

Sonja Fouraté

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hessenschau.de: Wie kamst du dann zum Poetry Slam? 

Weigand: Ich habe immer gerne Tagebuch geschrieben und gemerkt, das Schreiben ist meine Verarbeitungsform. Ich verstehe im Schreiben mich selbst und die Dinge der Welt ein bisschen besser. Das war aber eigentlich immer nur für mich gedacht.  

Irgendwann habe ich von dem Format Poetry Slam erfahren, da war ich schon Teenager und saß im Publikum und fand es cool. Ich habe mich aber erst noch nicht getraut, selbst aufzutreten, bis mich irgendwann ein Freund mehr oder weniger zu einem Slam hingeschubst hat. Da habe ich es ausprobiert. Ich habe viel Zuspruch bekommen. Und dann habe ich weitergemacht.

hessenschau.de: Wie entstehen deine Texte heute? Hast du ein Thema, das schon länger in dir arbeitet und dann denkst du: Dazu möchte ich gerne etwas aufschreiben?  

Weigand: Es ist ganz unterschiedlich: Manchmal habe ich ein Thema, das mir auf der Seele brennt und bei dem ich denke, dazu muss man mal etwas sagen. Manchmal ist es auch so, dass ich mich bei meinen Freunden über ein Thema dauernd aufrege und die dann sagen, schreib doch einen Text dazu.

Manchmal habe ich aber auch einfach eine Zeile im Kopf, die irgendjemand sagt, oder die mir in den Sinn kommt und ich denke, das klingt so poetisch, das könnte eine Pointe von einem Text sein - und dann geht es damit los. 

hessenschau.de: Wie gehst du generell beim Schreiben vor? Hast du bestimmte Zeiten dafür?

Weigand: Ich habe keinen bestimmten Schreibtag. Wenn manchmal etwas aus mir rausbricht, dann schreibe ich es zwischendurch. Ich kann mich zum Beispiel erinnern, dass ich mal vom Spätdienst kam, und es musste etwas aufs Papier - also habe ich bis in die Nacht geschrieben. 

Es klingt vielleicht ein bisschen zu romantisiert, dass man im Café schreibt, aber das mache ich tatsächlich sehr gerne - besser als zuhause in meinem Zimmer. Wenn drumherum Dinge passieren, inspirieren sie mich und haben Einfluss auf meine Texte. Ich schreibe zum Beispiel auch gerne im Zug. Wenn viel an mir vorbei fliegt, das mag ich auch ganz gern.  

hessenschau.de: Wie lange feilst du an Texten?  

Weigand: Das ist unterschiedlich. Manche Texte sind "Flowtexte". Der Pflegetext war so ein Flowtext, den ich in vier Stunden runtergeschrieben habe - von vorne bis hinten. Meistens ist es aber anders, dann liegt ein Text oder auch nur Zeilen über Wochen oder Monate herum. Dann schreibe ich immer mal ein bisschen dran rum. Meistens entsteht der Text dann auch nicht von vorne bis hinten, sondern oft schreibe ich erst das Ende und dann bastelt sich der Text drumherum. 

hessenschau.de: Haben deine Texte alle eine Message oder gibt es welche, bei denen du sagst, ach, die sind einfach nur mal nett? 

Weigand: Eigentlich will ich mit meinen Texten nichts forcieren. Ich finde es immer schön, wenn Menschen berührt sind, wenn sie vielleicht auch überrascht sind. Sie können auch empört sein. Das ist, glaube ich, mein grundsätzlicher Wunsch, dass ich irgendwas bei Menschen auslösen möchte. Ich will aber nicht predigen oder eine bestimmte Message rüberbringen, denn dann könnte ich auch eine politische Rede halten. 

hessenschau.de: Du hast dein Pflegegedicht erwähnt. Warum hast du es geschrieben? 

Weigand: Der Ausgangspunkt von diesem Text war eigentlich sehr persönlich. Ich habe ihn erst gar nicht für die öffentliche Bühne geschrieben, sondern zu meinem Examen nach der Ausbildung. Ich habe ihn vor meinen Mit-Azubis vorgetragen - für uns, eine kleine Zusammenfassung all dessen, was wir erlebt haben, was uns geprägt hat, positiv und auch negativ. 

Erst danach habe ich gedacht, vielleicht trage ich ihn einfach mal bei einem Slam vor. Dann ist sowas passiert, das habe ich nicht erwartet und auch eigentlich nicht vorgehabt. 

hessenschau.de: Kannst du es nachvollziehen oder bist du froh, dass der Text eine Debatte anregt? 

Weigand: Ja, sehr. Ich habe gemerkt, was Kunst schaffen kann. Dass sie Räume öffnet für Diskussionen und dass sie den Fokus auf bestimmte Themen legen kann, die vielleicht ein bisschen aus dem Gedächtnis geraten sind. 

hessenschau.de: Kann sich dadurch auch etwas verändern oder hat Kunst den Anspruch nicht?  

Weigand: Was genau Kunst verändert, ist schwer zu messen, glaube ich. Natürlich wurde nach diesem Text kein neues Pflegegesetz erlassen. Aber wenn der Text verändert, dass viele Menschen noch mal über Pflege nachdenken, oder was sie zu einer Veränderung beitragen können, dann ist das für mich eigentlich schon viel. 

hessenschau.de: Wie war das bei deinem Buch? 

Weigand: Das Buch heißt ja "Ein wenig mehr Wir. Texte über Menschlichkeit". Das habe ich in allen Texten als Basis herausgefiltert: Dass ich eine Sucherin der Menschlichkeit bin und dass ich herauszufinden versuche, was Menschlichkeit bedeutet - was ist das verbindende Element in uns allen?

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Infos zum Buch

"Ein wenig mehr Wir: Texte über Menschlichkeit"
erscheint am 1. März 2024
Knaur HC

  • ISBN-10: 3426448319
  • ISBN-13: 978-3426448311
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