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Stadt Frankfurt hält an Absage von Waters-Konzert fest

Roger Waters

Trotz Antisemitismusvorwürfen: Im Gegensatz zu Frankfurt hat sich die Stadt München gegen eine Absage eines Konzerts von Roger Waters ausgesprochen. Eine richtige Entscheidung, findet ein Rechtsexperte - und schlägt einen Kompromiss für Frankfurt vor.

Diese Sitzung des Münchener Stadtrats war auch in Hessen mit Spannung erwartet worden: Würden sich die Mitglieder dem Land Hessen und der Stadt Frankfurt anschließen und ein Konzert von Pink-Floyd-Mitbegründer Roger Waters absagen?

Am Mittwoch ist die Entscheidung gefallen. Man könne das Konzert in der Münchener Olympiahalle nicht verbieten, teilte die Stadt mit, und bezog sich dabei auf ein Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts in Leipzig.

Demnach darf eine Kommune auch BDS-nahen Personen den Zutritt zu ihren öffentlichen Räumen nicht verweigern. Eine Kündigung des Vertrags durch die städtische Olympiapark München GmbH (OMG) sei deshalb rechtlich nicht zulässig, so die Stadt.

Stadt: Keine Auswirkungen auf Frankfurter Konzert

Der Stadtrat erkenne damit die Rechtsprechung an und widersetze sich ihr nicht, sagt Rechtswissenschaftler Maximilian Roth von der Universität Gießen. Man dürfe eine Meinungsäußerung nicht aufgrund einer bloßen Zugehörigkeit zur BDS-Kampagne beschränken, solange sie - wie im Fall von Waters - nicht strafbewehrt sei, so der Experte für öffentliches Recht und Rechtstheorie.

Die Stadt Frankfurt und das Land Hessen halten trotzdem an ihrer Entscheidung fest: Der Münchener Beschluss habe keine Auswirkungen auf die Entscheidung, das für den 28. Mai geplante Konzert von Waters in der Frankfurter Festhalle abzusagen, teilte die Stadt auf hr-Anfrage mit.

Die Messe habe den Vertrag zur Durchführung des Konzerts im Rahmen der "This is not a drill"-Tour am Dienstag gekündigt. Es gebe keine Neubewertung des Magistrats.

Messe musste Vertrag außerordentlich kündigen

Land und Stadt hatten sich als Gesellschafter der Messe Ende Februar für eine Absage des Konzerts ausgesprochen und die Geschäftsführung angewiesen, den Vertrag mit dem Veranstalter "unverzüglich aus wichtigem Grund außerordentlich" zu kündigen.

Waters sei einer der "reichweitenstärksten Antisemiten der Welt", hatten Stadt und Land zur Begründung mitgeteilt und auch auf die Geschichte der Festhalle verwiesen: Während der Novemberpogrome 1938 wurden Juden aus Frankfurt und dem Rhein-Main-Gebiet dort zusammengetrieben und anschließend in Konzentrationslager deportiert.

Rechtsanwalt von Waters kündigt Klage an

Rogers hatte angekündigt, juristisch gegen die Absage vorzugehen. Nach Ansicht von Rechtswissenschaftler Roth kann der Musiker zivilrechtlich gegen die Kündigung vorgehen und zusätzlich Schadenersatz verlangen - oder den Zugang zur Festhalle vor einem Verwaltungsgericht einfordern.

Tatsächlich kündigte Waters' Rechtsanwalt gegenüber dem hr am Donnerstag eine gerichtliche Auseinandersetzung an. Die Stadt München habe eingesehen, dass der Vertrag nicht gekündigt werden könne. "Die Frankfurter werden es auch einsehen, sobald wir uns vor Gericht gegen sie durchgesetzt haben. Und das wird sicher passieren", teilte er schriftlich mit.

"Für Rogers gilt die Kunstfreiheit"

Sollte es tatsächlich zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung kommen, könne die Geschichte der Festhalle in der rechtlichen Abwägung zwar durchaus von Belang sein, sagt Maximilian Roth.

"Auf der anderen Seite muss man wiederum fragen: Was macht Roger Waters in dem Moment, in dem er sein Konzert gibt? Er macht Musik." Damit gelte die Kunstfreiheit, so Roth. "Und solange seine Kunst keine Straftatbestände erfüllt, ist einer Absage der Boden entzogen."

Die Kunstfreiheit könne unter anderem eingeschränkt werden, wenn durch Waters' Auftritt Straftatbestände verletzt würden, etwa durch Beleidigung oder Volksverhetzung, erklärt der Rechtswissenschaftler. Die Stadt müsse aber im Vorfeld belegen, dass das bei dem geplante Auftritt in der Festhalle der Fall sei.

Münchener OB will Grundlage für Absagen schaffen

Um Kommunen zukünftig in ähnlich gelagerten Fällen mehr Spielraum für Auftrittsverbote zu verschaffen, will der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gemeinsam mit der bayerischen Staatsregierung nach Möglichkeiten suchen, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen.

Ist das auch in Hessen denkbar? Auf eine entsprechende Anfrage des hr antwortete das Hessische Finanzministerium am Donnerstag nur vage. Land, Stadt und Messe seien im Austausch. Ziel sollte sein, "Situationen wie die aktuelle" gar nicht erst entstehen zu lassen.

Jurist: Landesrechtliche Regelung könnte Kommunen stärken

Ein solcher Schritt sei legitim, stellt Rechtswissenschaftler Roth fest. Die Kommunen hätten nach einer Grundsatzentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts von Januar 2022 derzeit nicht die rechtlichen Mittel, eine solche Entscheidung selbst über einen Beschluss der Gemeindevertretung oder Ähnliches zu fassen.

"Man würde ihnen mit einer landesrechtlichen Regelung zumindest eine neue Möglichkeit an die Hand geben." Diese müsse mit Blick auf die Grundrechte, insbesondere der Kunst- und Meinungsfreiheit, aber selbst verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen.

Eine solche Regelung würde zudem nicht davon entbinden, im Einzelfall abzuwägen, ob die Gefahr, die unterbunden werden soll, überhaupt eintreten würde, schränkt Roth ein.

Auflagen als Kompromisslösung

Für das Konzert in Frankfurt schlägt Roth eine Kompromisslösung vor: Die Stadt könne Auflagen für den Auftritt verhängen. "Man könnte zum Beispiel das Aufsteigen der aufgeblasenen Schweine mit Davidstern untersagen, aber das Konzert als solches nicht."

So könne einerseits Waters sein Grundrecht der Kunstfreiheit verwirklichen und die Stadt andererseits mögliche mit Strafe bedrohte Handlungen und Äußerungen unterbinden. Sollte eine derartige Vereinbarungen verletzt werden, könne die Stadt auch polizeirechtlich dagegen vorgehen.

Nach einer solchen Übereinkunft sieht es derzeit aber nicht aus. Sollten Roger Waters und der Konzertveranstalter tatsächlich auf eine rechtswidrige Absage des Auftritts pochen, könnten sie von der Messe Schadenersatz verlangen, so Roth. "Und hinter der Messe stehen die Stadt Frankfurt und das Land Hessen, sodass am Ende der Steuerzahler dafür aufkommen muss."