Ganz in weiß: Marius Müller-Westernhagen auf der Bühne in der Frankfurter Festhalle

Der 75-jährige Marius Müller-Westernhagen nimmt die ausverkaufte Frankfurter Festhalle mit auf eine zwar emotionale, aber doch recht harmlose Reise in die Vergangenheit. Die Fans sind begeistert.

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Fans beim Westenhagen-Konzert: "Gänsehaut pur"

Westernhagen ganz in weiß
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Um kurz nach 20 Uhr lüftet sich der Vorhang und Marius Müller-Westernhagen betritt die Bühne. Ganz in weiß gekleidet wirkt er im hellen Scheinwerferlicht fast wie eine transzendentale Erscheinung, wie ein Geist aus der Vergangenheit. Doch der mittlerweile 75-Jährige weilt noch immer quicklebendig auf Erden und hat am Montagabend im Rahmen seiner "75Live"-Tour Station in der restlos ausverkauften Frankfurter Festhalle gemacht.

Fünf Jahre lang hat Westernhagen zuvor keine Konzerte mehr gespielt, jünger ist er in dieser Zeit nicht geworden. Sein Publikum ebenfalls nicht. Das ist vielleicht ein Grund dafür, dass die Halle an diesem Abend komplett bestuhlt ist. Doch spätestens nach drei Songs hätte man die Stühle auch aus der Halle räumen können, denn die 7.000 Zuschauerinnen und Zuschauer verfolgen den Rest des Konzerts meist stehend, oft tanzend und fast immer laut singend.

Nostalgie pur

Denn trotz Abnutzungserscheinungen funktioniert Westernhagen auch mit 75 immer noch. Wie soll es auch anders sein. Die Leute kommen mit klaren Erwartungen zu seinen Konzerten und Marius gibt ihnen, was sie wollen. Es ist alles da: Er spielt all die alten Hits wie "Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz", "Sexy" oder die Ruhrpotthymne "Wieder hier".

Seine markante, raue Stimme ist immer noch kräftig und klingt wie eh und je. Die Musik auch. Mit jedem Gitarrensolo nehmen die Erinnerungen an die gute alte Zeit konkretere Formen an. Die Nostalgie trieft an diesem Abend aus allen Ritzen, und genau dafür sind die Menschen gekommen.

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Marius Müller Westernhagen feiert "75 Live" in Frankfurt

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Spätestens mit dem vierten Lied "Taximann", einer seiner allerersten Songs aus dem Jahr 1974, hat Westernhagen das Publikum im Griff und lässt es bis zum letzten Ton des Abends nicht mehr los. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer lassen sich gerne mitnehmen auf eine Reise in ihre Vergangenheit – oder die ihrer Eltern, denn hier und da haben sich auch Menschen ohne graue Haare unter die Masse gemischt.

Seine Rollen hat er abgelegt

Doch wer Westernhagen in seinen jungen Jahren nicht nur wegen dessen Musik oder der eingängigen Textzeilen geliebt hat, der dürfte an diesem Abend in der Festhalle ein wenig wehmütig geworden sein. Denn auch wenn die Lieder noch dieselben sind, Westernhagen ist es nicht mehr.

In seinen frühen Jahren und bis weit hinein in die für ihn extrem erfolgreichen 90er Jahre war Westernhagen ein Provokateur, ein Schauspieler, der auf der Bühne viele Rollen spielte. Er gab gerne den Macker, nicht selten den Arroganten, dann wieder die empfindliche Diva.

Seine Texte waren immer ein bisschen sexistisch und oft auch politisch unkorrekt, mal ironisierte er gegen Dicke, mal zog er über Michael Jackson her, Frauen tauchten darin oft nur in Verbindung mit erotischen Anspielungen auf. Mit Kippe im Mund und Drink in der Hand war er Vorbild für viele Jugendliche – lässig, unberechenbar und unerhört eitel.

Westernhagen mit Band

Eitel ist er immer noch. Während seine neunköpfige Band auf der sehr reduziert gestalteten Bühne schwarz trägt, sticht der weiße Westernhagen engelsgleich hervor, auf der großen Leinwand hinter der Bühne flackern alle Varianten von Westernhagen - von vorne, von hinten, in der Nahaufnahme und manchmal sogar zwei Westernhagen auf einmal. Er genießt die ungeteilte Aufmerksamkeit. Immer noch ein echter Rockstar.

Ein Stich ins Herz

Doch den Arroganten spielt er heute nicht mehr, dafür ist er wohl auch zu alt. Der Provokateur ist dem gutmütigen Entertainer gewichen. Den aufmüpfigen Macker würde ihm heute auch niemand mehr abnehmen. Da geht es ihm wohl wie dem Großteil seines Publikums - früher war mehr Anarchie. Es musste so kommen, der Verstand weiß das auch. Der Stich ins Herz ist dennoch spürbar.

Das Recht zu altersbedingter Harmlosigkeit hat sich Westernhagen allerdings hart erarbeitet. Über 17 Millionen Platten hat der gebürtige Düsseldorfer in seiner Karriere verkauft, was ihn zu einem der erfolgreichsten deutschen Musiker macht. Seine Melodien und Texte sind in Fleisch und Blut mehrerer Generationen übergegangen. Er hat jahrzehntelang abgeliefert. Wer mag es ihm da verübeln, dass er mit 75 deutlich gesetzter auftritt. In der Festhalle kaum jemand.

Körperlich ist der Deutschrock-Senior noch immer gut beisammen, wenn auch der Hüftschwung nicht mehr ganz so rund wirkt. Die ruhigen Nummern nutzt Westernhagen, um sich im Sitzen auszuruhen. Er versucht gar nicht erst, sein Alter zu verstecken. "Jedes Konzert ist ein Sargnagel mehr", scherzt er zu Beginn der ersten Zugabe – nur um dann mit voller Hingabe seinen großen Hit "Lass uns leben" zu singen. Ein Gänsehaut-Moment, der nur noch vom großen Finale getoppt wird.

"Freiheit" als großes Finale

Lange Jahre hat Westernhagen den wohl berühmtesten Song aus seinem prallgefüllten Repertoire nicht mehr live gesungen, doch an diesem Abend setzt er mit der Ballade "Freiheit" einen emotionalen Schlusspunkt. Das Publikum singt aus vollen Kehlen mit, tausende Smartphone-Lampen sorgen für eine stimmungsvolle Atmosphäre.

Die Weltlage würde es gebieten, diesen Song wieder zu singen, den er so lange gemieden hatte wie der Teufel das Weihwasser, sagt er. Vielleicht hat Westernhagen aber einfach nur eingesehen, dass wer Nostalgie sagt, auch "Freiheit" singen muss.

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