Schild Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe

Die Urteile im Mordfall Walter Lübcke Anfang 2021 haben keinen der Beteiligten zufrieden gestellt. Insgesamt fünf Revisionen wurden eingelegt. Zum Start der Verhandlung am Bundesgerichtshof forderte Lübckes Familie eine genaue Aufklärung des Tathergangs.

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Revisionen im Lübcke-Prozess

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Mit einer besonders komplexen Gemengelage im Mordfall Walter Lübcke hat sich am Donnerstag der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe auseinandergesetzt. Er verhandelte über gleich fünf Revisionen, die mit dem Mord an dem CDU-Politiker oder dem mutmaßlichen Täter zusammenhängen.

"Mein Mann hätte noch so gerne gelebt", sagte die Witwe Irmgard Braun-Lübcke. Für die Familie sei es wichtig, "um mit dieser Situation zu leben, dass wir die volle Wahrheit erfahren". Vor allem gehe es dabei um die letzten Sekunden im Leben ihres Manns - ob es etwa vor der Tat einen Streit gegeben habe.

Walter Lübcke war im Juni 2019 auf seiner Terrasse erschossen worden, das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt verurteilte den Rechtsextremisten Stephan Ernst 2021 wegen Mordes zu lebenslanger Haft.

Sicherungsverwahrung und Freisprüche

Was bei der Tat genau passierte, ist nach Ansicht der Familie noch ungeklärt. Das Oberlandesgericht ging davon aus, dass Ernst Lübcke aus seiner rechtsextremen Gesinnung heraus erschoss und dabei allein und heimtückisch handelte. Es stellte die besondere Schwere der Schuld fest und behielt die Sicherungsverwahrung vor. Der Mitangeklagte Markus H. wurde dagegen von der psychischen Beihilfe zum Mord freigesprochen und lediglich wegen eines Waffendelikts zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Ernst wurde gleichzeitig von dem Vorwurf freigesprochen, 2016 einen Asylbewerber mit einem Messer hinterrücks angegriffen und schwer verletzt zu haben.

Gegen all diese Einzelentscheidungen wurde beim BGH Revision eingelegt: Die Angeklagten Ernst und H. wandten sich gegen ihre Verurteilung, die Bundesanwaltschaft gegen die Teilfreisprüche. Die Familie Lübcke beantragte, den Prozess gegen H. noch einmal aufzurollen. Das Opfer der Messerattacke griff den Teilfreispruch für Ernst an.

Bundesanwalt kritisiert Beweiswürdigung

Der BGH erhebt nicht selbst neue Beweise, sondern überprüft ein angegriffenes Urteil auf Rechtsfehler. Im Fall H. beanstandete der Bundesanwalt vor allem die Beweiswürdigung des Oberlandesgerichts. Die Frankfurter Richter hätten sich vor allem auf die erste Vernehmung Ernsts bezogen, wonach er Lübcke allein erschossen habe. Kurz zuvor habe dieser aber in der Untersuchungshaft Besuch von seinem Verteidiger bekommen, der ihm möglicherweise versprochen habe, dass die rechtsextreme Szene sich um seine Familie kümmern würde - wenn er denn die ganze Schuld auf sich nähme.

Mit dieser und späteren, H. belastenden Aussagen habe sich das OLG nicht genügend auseinander gesetzt. Der Anwalt nannte es "bitter", dass nach dem Urteil noch Fragen offen blieben. Unklar sei etwa, warum eine DNA-Spur von Ernst an Lübckes Hemd gefunden worden sei. Ernst habe nie zugegeben, sein Opfer nach der Tat noch einmal berührt zu haben.

Unklarheiten bei Messerangriffen

Auch bei der Messerattacke auf den Asylbewerber steht eine DNA-Spur im Zentrum. Bei Ernst wurde nämlich ein zum Dolch geschliffenes Messer gefunden, an dem sich Restspuren befanden, die zum Opfer passen könnten. Das OLG kam aber zu der Überzeugung, dass es sich nicht um die Tatwaffe handelte. Denn Ernst hatte einen Kaufbeleg für dieses Messermodell eingescannt und auf einem USB-Stick gespeichert. Demnach kaufte er das Messer erst nach der Tat.

Das Oberlandesgericht hätte aber genau prüfen müssen, ob es sich wirklich um dasselbe Messer handelte, forderte der Bundesanwalt. Es seien auch andere Umstände nicht berücksichtigt worden - etwa die Tatsache, dass Ernst bereits 1992 in Wiesbaden einen Türken hinterrücks mit einem Messer angegriffen habe.

Die Erschießung Lübckes griffen Ernsts Verteidiger vor dem BGH nicht mehr an, immerhin hatte ihr Mandant sie gestanden. Sie gingen aber davon aus, dass es zuvor einen Streit zwischen den beiden gegeben habe und Lübcke darum nicht arglos gewesen sei. Auch habe der überzeugte Neonazi Ernst geglaubt, im allgemeinen Interesse zu handeln - deswegen sei hier nicht von Mord, sondern von Totschlag die Rede.

Über all diese Argumente muss der BGH nun beraten. Ein Urteil ist für den 25. August angekündigt.

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