Streit um Parkgebühren beim Hessentag Der teuerste Parkplatz ihres Lebens
Mehr als 1.500 Besucher des Hessentags sollen Parkgebühren nachzahlen - und das nicht zu knapp. Die Forderung kommt neun Monate nach dem Ende des Volksfestes außerdem reichlich spät. Das sorgt für Widerstand.
Fred Hofmann aus Dillenburg staunte nicht schlecht, als er vor einigen Tagen den Brief eines Inkassounternehmens öffnete. 67 Euro sollte er bezahlen - für einen Parkplatz auf dem Hessentag in Fritzlar. Hofmann hatte sein Auto dort im Juni 2024 abgestellt.
Nicht nur das. Freilich hatte Hofmann den Parkplatz vor Ort pflichtbewusst am Automaten bezahlt. Alles nur ein Irrtum vermutlich, dachte er sich, kontaktierte das Inkassobüro und wies die damalige Zahlung mithilfe seines Kontoauszugs nach.
Bei der Überprüfung des Buchungsvorganges stellte sich heraus: Die letzte Ziffer des Kennzeichens wurde vom System nicht erfasst. Warum Hofmanns Nummernschild der Zahlung nicht zugeordnet wurde - darüber kann man nur spekulieren. Ob der Fehler beim Buchungssystem oder bei Hofmann selbst liegt, lässt sich nicht mehr nachvollziehen. Zahlen soll Hofmann aber trotzdem.
Immerhin: Das Unternehmen schlägt nun einen Vergleich vor. Die 40 Euro Vertragsstrafe würden ihm erlassen, die 27 Euro Kosten für die Halterermittlung des Autos plus eine Verwaltungsgebühr möchte man aber trotzdem haben. Begründet wird das mit Kosten durch die akribische Nachverfolgung unklarer Zahlungen.

Mehr als 1.500 Fahrzeuge falsch oder gar nicht erfasst
Während des Hessentags war es möglich, Parktickets per App, online oder an einem der Terminals vor Ort zu bezahlen. Potenzial für Fehler gab es dadurch offenkundig genug: Nach Schätzungen der Stadt Fritzlar ist es zu mehr als 1.500 Fällen ähnlich dem von Fred Hofmann gekommen, in denen nun Geld gefordert wird.
Die Firma Komparking aus Bocholt in Nordrhein-Westfalen war für die Parksituation zuständig. Sie hat sich auf die Parkraumorganisation bei Festen und Veranstaltunge spezialisiert. Aktuell, so heißt es auf Nachfrage, prüfe man eingegangene Beschwerden im Zusammenhang mit den Hessentags-Zahlungsaufforderungen.
Unabhängig davon, auf welchem Weg man sein Parkticket gelöst hat: Laut Komparking war immer die Eingabe des Kennzeichens des einfahrenden Fahrzeugs erforderlich. In den bisher beanstandeten Fällen konnten teilweise eingegangene Zahlungen keinen Fahrzeugen zugewiesen werden.
Dabei habe es sich meist um Zahlendreher, fehlende Ziffern oder sogar "komplett andere Kennzeichen von einem Zweitfahrzeug gehandelt", so Herget. Das sei vergleichbar mit dem fehlenden Verwendungszweck bei der Überweisung einer Rechnung.

Inkassomahnungen sorgen für Verärgerung
In einer Fritzlarer Facebook-Gruppe herrschen derweil Unmut und Ratlosigkeit zugleich. "Sehr dubios, das Ganze...", heißt es dort. "Das ist doch pure Absicht, nach so einer langen Zeit den Menschen so etwas zu schicken, dass sie alle zahlen müssen!", schreibt eine andere Nutzerin.
Schon während des Hessentags hatten Menschen vor Ort die Höhe der Parkgebühren kritisiert. Die Stadt verwies damals auf Kosten, die während der Vor- und Nachbereitung der Flächen entstünden. Jetzt wird diskutiert, wie die Betroffenen sich wehren können.
Rechtliche Situation schwierig
Ein Widerspruch sei der erste wichtige Schritt für diejenigen, die sich falsch behandelt fühlen. Allerdings brauche es dafür in der Regel den Parkbeleg, sagt der Kasseler Anwalt Mustafa Üstün. Er ist auf Verkehrsrecht spezialisiert.
Üstün sagt, jeder Autofahrer, der die Parkflächen genutzt habe, müsse dafür auch bezahlen. Eine Parkgebühr nochmals einzufordern, obwohl sie bereits entrichtet wurde, sei aber definitiv nicht zulässig. "Ich kann ja als Nutzer nichts dafür, wenn der Betreiber nicht in der Lage ist, seine Bücher richtig zu führen oder seine Software richtig einzurichten."
Doch einwandfrei zu klären, auf welcher Seite der Fehler lag - das kann für Betroffene durchaus schwierig werden.

Anwalt: Verjährung greift nicht, Streit wäre teuer
Mit einer Rechtsschutzversicherung könnten Verbraucher das Risiko einer Konfrontation mit dem Parkunternehmen eingehen - etwa wenn Plakate oder Parkautomaten übersehen worden seien. Ohne Rechtsschutzversicherung würde der Rechtsstreit aber definitiv ein teurer. "Aus 10 Euro werden dann schnell 300 oder 500 Euro", sagt Üstün.
Streit über Zuständigkeit für die Parkplatzsituation
Unter Druck steht nun auch die Stadt Fritzlar. Denn sowohl Parkende als auch die Parkplatzbetreiber beschweren sich über die Situation. Die Vorwürfe, dass fehlende Regelungen die Parkraumbewirtschaftung erschwert hätten, weist die Stadt zurück.
Die Stadt betont, sie habe die Firma Komparking als Dienstleister beauftragt. Die Zuständigkeiten seien zuvor eindeutig geregelt worden. Sowohl Logistisches als auch Organisatorisches - samt der Abrechnungen - hätte die Bewirtschaftungsfirma übernommen.
Über 30.000 Autos wurden laut Stadt auf den Parkplätzen abgestellt. Insgesamt hatten mehr als 519.000 Menschen den Hessentag besucht.

Bürgermeister Spogat: "Noch keinen Cent gesehen"
Bürgermeister Hartmut Spogat (CDU) findet sich selbst in einem Rechtsstreit mit der Firma wieder, der den Hessentag aus seiner Sicht im Nachhinein überschattet: "Wir haben vom gesamten Parkraumbewirtschaftungsvertrag noch keinen Cent gesehen", berichtet er dem hr.
Eine Möglichkeit in die Auseinandersetzung mit den Bürgern einzugreifen, habe die Stadt nicht. Es handele sich schließlich um einen privatwirtschaftlichen Vertrag, den die Besuchenden mit der Betreiberfirma eingegangen wären.
Betreiber kritisiert Stadt Fritzlar
Komparking fühlt sich zu unrecht angeprangert und verweist bei der "Eintreibung ausstehender Parkgebühren von säumigen Kunden" auf ein rechtlich einwandfreies Verfahren. Gleichzeitig kritisierte Geschäftsführer Hartmut Fahrland die "mangelhaften Vorgaben der Stadtverwaltung Fritzlar in Bezug auf die Parkberechtigungen", die zu einem "erhöhten bürokratischen Aufwand" geführt hätten.
So habe es beispielsweise keine Sonderregelungen für Polizeianwärter und deren Angehörige gegeben, die zur Vereidigung gekommen waren. Diese waren offenbar davon ausgegangen, kostenlos parken zu können und hatten kein Ticket gezogen. Für diese Kosten wolle man im Nachgang nicht aufkommen, so Fahrland.

Wie es in Fritzlar jetzt weitergeht, ist noch offen. In der Facebook-Gruppe ist das Ganze jedenfalls noch nicht zu Ende diskutiert: Einige posten Vorschläge, wie Betroffene mit den aus ihrer Sicht ungerechtfertigten Zahlungsaufforderungen umgehen sollen. Ob sie wirklich - wie dort empfohlen - "bei der Stadt anrufen" oder "vor Gericht ziehen", wird sich zeigen.
Hofmann will sich derzeit auf einenen Vergleich nicht einlassen. Die Forderungen der Firma seien für ihn nicht nachvollziehbar, sagt er. Sein Eindruck: "Hier wird versucht, noch mal schnell 'nen Euro zu machen."