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Urteilsverkündung im "NSU 2.0"-Prozess erwartet

Angeklagter bekommt von einem Justizbeamten im Gerichtssaal Handschellen abgelegt.

Im Prozess um die NSU 2.0-Drohschreiben wird am Donnerstag das Urteil erwartet. Die Gewerkschaft wies zuvor Kritik an der Polizei zurück. Betroffene dagegen sehen die Polizei nicht entlastet.

Einen Tag vor der erwarteten Urteilsverkündung im "NSU 2.0"-Prozess hat die Gewerkschaft der Polizei (GdP) Hessen Kritik zurückgewiesen. "Es gibt keine rechten Netzwerke innerhalb der hessischen Polizei", sagte der Landesvorsitzende Jens Mohrherr am Mittwoch in Wiesbaden. Es sei klar, dass nicht hessische Polizeibeamte die Drohmails verfasst und versendet hätten. Die Polizei sei vorverurteilt und unter Generalverdacht gestellt worden.

In dem Prozess muss sich ein Mann aus Berlin wegen Bedrohung, Beleidigung und Nötigung verantworten. Alexander M. ist der mutmaßliche Verfasser von rund 80 mit "NSU 2.0" unterzeichneten Drohschreiben unter anderem gegen Politikerinnen, Rechtsanwältinnen und -anwälte in mehreren Bundesländern. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten.

Opfer der "NSU 2.0"-Drohserie: Polizei nicht entlastet

Am Dienstag hatten sich einige der in den Mails bedrohten Frauen zu Wort gemeldet. "Mit dem Urteil - so viel steht schon jetzt fest - ist kein Freispruch für rechte Netzwerke in der Polizei verbunden", schrieben unter anderem die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die Schauspielerin Idil Baydar und die Linken-Bundesvorsitzende Janine Wissler in einer gemeinsamen Erklärung.

"Wir erhoffen uns von dem Gericht ein wichtiges Urteil mit einer starken Signalwirkung" - für den Angeklagten ebenso wie für mögliche Nachahmer, heißt es in dem Schreiben, das auch Anne Helm, Martina Renner und Hengameh Yaghoobifarah unterzeichnet haben. Ebenso erhofften sie sich von dem Gericht ein Signal, dass die Drohserie nicht vollständig aufgeklärt und die hessische Polizei durch eine Verurteilung des Angeklagten auch nicht entlastet sei.

Auch nach umfangreicher Beweisaufnahme sei die Rolle von mindestens einem Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin des 1. Frankfurter Polizeireviers ungeklärt, schrieben die Betroffenen. Es sei "ein Skandal", dass die Staatsanwaltschaft sich auf den vermeintlichen Einzeltäter festgelegt habe und damit versuche, die Rolle von hessischen Polizeibeamten und einer "verfestigten Gruppe" rechter Polizistinnen und Polizisten "aus dem Verfahren herauszuhalten".

Angeklagter bestreitet die Vorwürfe

Der 54 Jahre alte Angeklagte steht seit Februar vor dem Frankfurter Landgericht. Seine Verteidiger stellten keinen konkreten Strafantrag und plädierten nicht auf Freispruch. Er selbst streitet die Vorwürfe ab. Er habe die Drohschreiben gegen Rechtsanwältinnen, Politikerinnen und andere Personen des öffentlichen Lebens nicht verfasst, betonte M. Er sei lediglich Mitglied einer Chatgruppe im Darknet gewesen, aus der er später herausgeworfen worden sei.

Beamte des hessischen Landeskriminalamts hatten am späten Abend des 3. Mai vergangenen Jahres die Wohnung des Verdächtigen in Berlin gestürmt. Sein Computer war zu dem Zeitpunkt online - ein wichtiger Punkt für die Ermittler.

Bedrohliche Schreiben mit Todesdrohungen

Zwischen August 2018 und März 2021 soll der Mann insgesamt 116 E-Mails, Faxe und SMS mit Drohungen versendet haben, die in Anspielung auf die rechtsextreme Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) allesamt mit "NSU 2.0" unterzeichnet waren. Dabei habe er laut Anklage regelmäßig die Grußformel "Heil Hitler" verwendet und sich selbst "SS-Obersturmbannführer" genannt.

Die Schreiben enthielten massive verbale Beleidigungen wie "Abfallprodukte", "Volksschädling" oder drastische Schimpfwörter gegen Menschen mit türkischen Wurzeln. Gedroht wurde unter anderem mit "Verpiss dich lieber, solange du hier noch lebend rauskommst" oder damit, dass Familienangehörige "mit barbarischer sadistischer Härte abgeschlachtet" würden.

Wie kam der Angeklagte an die Daten?

In vielen Fällen soll der Angeklagte außerdem personenbezogene und nicht frei zugängliche Daten der Adressatinnen genannt haben, um die Drohwirkung zu verstärken. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll er an diese Informationen gekommen sein, indem er sich als Bediensteter einer Behörde ausgab.

Zunächst standen Frankfurter Polizisten im Verdacht, diese Daten abgefragt und an der Drohmail-Serie beteiligt gewesen zu sein. Das hatte sich laut Staatsanwaltschaft nicht bestätigt.

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