Außenansciht eines Gebäude mit rotem Ziegeldach, gerahmt von grünen Bäumen.

Ermittler haben bundesweit Räume von Mitgliedern der Letzten Generation durchsucht. Betroffen waren mehrere Häuser in Osthessen. Darunter ist auch der Sitz eines Vereins, über den die Klimaaktivisten ihre Spenden verwaltet haben sollen.

Mit einer großangelegten Razzia sind Polizei und Staatsanwaltschaft gegen die Klimaschutzgruppe Letzte Generation vorgegangen. Rund 170 Beamte durchsuchten am Mittwoch 15 Wohnungen und Geschäftsräume in sieben Bundesländern, wie die Generalstaatsanwaltschaft München und das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) mitteilten. Der Tatvorwurf lautet auf Bildung beziehungsweise Unterstützung einer kriminellen Vereinigung.

Durchsuchung bei Verein in Gersfeld

In Hessen gab es drei Durchsuchungen "in einer Kleinstadt im Landkreis Fulda", wie das Bayerische LKA dem hr bestätigte. Das Innenministerium in Wiesbaden teilte mit, es seien in Hessen 50 Beamte beteiligt gewesen.

Am Tag nach der Razzia wurden mehr Details bekannt: Nach hr-Informationen wurde unter anderem der Sitz des Vereins "Elinor Treuhand" in Gersfeld (Fulda) durchsucht. Der Verein bietet Gruppenkonten auf einer Onlineplattform an, über die Spenden gesammelt und gemeinsam verwaltet werden können – etwa von Sportvereinen. Ein solches Konto soll auch die Letzte Generation genutzt haben.

Zukunftsdorf distanziert sich von Verein

Das Zukunftsdorf Sonnerden, in dem der Verein Elinor sein Büro angemietet hat, bestätigte dies am Freitag. Vorübergehend hätten die Klimaaktivisten als eine von hunderten Gruppen die Plattform genutzt. Im März sei die Zusammenarbeit mit der Letzten Generation allerdings eingestellt worden.

Ein Sprecher des Zukunftsdorfs betonte zudem, Elinor sei ein eigenständiges, unabhängiges Unternehmen. "Welche Protestformen angesichts einer unzureichenden Klimapolitik legitim sind, wird unter uns nachbarschaftlich kontrovers diskutiert. Wir unterstützen weder kriminelle Organisationen noch die Kriminalisierung legitimer Proteste und hoffen auf eine fundierte und sachliche juristische Aufarbeitung des aktuellen Geschehens", heißt es in der Mitteilung vom Freitag.

Die Betreiber der Onlineplattform Elinor wollten sich auf hr-Anfrage am Donnerstag nicht zu den Durchsuchungen äußern. Nach Informationen des Spiegel werden die Finanzen der Letzten Generation inzwischen über einen Umweltverein in Hamburg abgewickelt. Auch dort hätten die Ermittler Räume durchsucht.

Spenden sollen Straftaten finanziert haben

Zentraler Vorwurf ist laut Polizei und Generalstaatsanwaltschaft, dass die Beschuldigten eine Spendenkampagne zur Finanzierung weiterer Straftaten für die Letzte Generation organisiert und so mindestens 1,4 Millionen Euro eingesammelt haben sollen.

Dieses Geld sei nach bisherigen Erkenntnissen "überwiegend auch für die Begehung weiterer Straftaten" eingesetzt worden. Woher das Geld stamme, sei Gegenstand der Ermittlungen. Wie viel davon beschlagnahmt wurde, sagte die Polizei zunächst nicht. Ziel der Durchsuchungen sei auch "das Auffinden von Beweismitteln zur Mitgliederstruktur" gewesen, hieß es.

Sieben Beschuldigte

Ermittelt wird bundesweit gegen sieben Beschuldigte, die zwischen 22 und 38 Jahre alt sind. Fünf von ihnen stehen laut Generalstaatsanwaltschaft München im Verdacht, die mutmaßlich kriminelle Vereinigung gegründet, zwei weitere, sie unterstützt zu haben.

Festnahmen gab es zunächst nicht. Zwei der Verdächtigen sollen im April 2022 außerdem versucht haben, die Öl-Pipeline Triest-Ingolstadt zu sabotieren.

Gruppe will Aufmerksamkeit für fatale Folgen der Erderhitzung

Angesiedelt sind die Ermittlungen bei der Bayerischen Zentralstelle zur Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft betonte aber, dass das nicht bedeute, dass man die Letzte Generation als extremistisch oder terroristisch einstufe. "Wir gehen nach jetzigem Ermittlungsstand davon aus, dass es sich um eine kriminelle Vereinigung handelt - wohlgemerkt nicht um eine terroristische", heißt es in der Mitteilung.

Die Gruppe macht regelmäßig mit Sitzblockaden und Aktionen in Museen auf die fatalen Folgen der Erderhitzung aufmerksam. Die Mitglieder kleben sich dabei häufig fest - an Straßen oder auch an Kunstwerken. Hintergrund der Ermittlungen und Durchsuchungen sind laut Staatsanwaltschaft zahlreiche Strafanzeigen.

Behörde räumt Fehler ein

In Zusammenhang mit den Durchsuchungen räumte die Generalstaatsanwaltschaft mittlerweile einen Fehler ein. Das Bayerische LKA hatte auch die Webseite der Letzten Generation beschlagnahmt und auf eine Seite der Polizei Bayern umgeleitet. Dort war zu lesen: "Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung gemäß § 129 StGB dar!"

Wie der NDR berichtet, räumte die Generalstaatsanwaltschaft ein, dass diese Formulierung unzutreffend sei. Es bestehe lediglich ein Anfangsverdacht, dass es sich bei der Letzten Generation um eine kriminelle Vereinigung handeln könnte.

Letzte Generation ruft zu neuen Protesten auf

Die Letzte Generation selbst kündigte an, gegen das Vorgehen der bayerischen Behörden juristisch vorzugehen. "Staatsanwälte aus ganz Deutschland haben bereits klargemacht, dass sie den Vorwurf einer kriminellen Vereinigung für absurd halten", hieß es in einer Pressemitteilung.

"Kriminell sind nicht wir, die für das Klima eintreten", zitierte die Klimaschutzgruppe die Worte von UN-Generalsekretär Guterres. "Kriminell ist die fehlende politische Führung in dieser Krise."

Die Letzte Generation rief als Reaktion auf die Razzia zu neuen bundesweiten Protesten auf. "Wir müssen zusehen, wie unsere Lebensgrundlagen weiterhin zerstört werden", hieß es in der Mitteilung. "Wir werden weiterhin dafür einstehen, Leben zu schützen."

Scharfe Kritik von Klimaschützern

Andere Klimaschutzaktivisten reagierten ebenfalls mit scharfer Kritik. Die Gruppe Ende Gelände kritisierte auf Twitter, Razzien gebe es bei denen, "die vor der Klimakrise warnen, und nicht bei denen, die dafür verantwortlich sind".

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Durchsuchungen bei Klima-Aktivistengruppe "Letzte Generation"

Zwei Polizisten tragen einen Umzugskarton zu einem Fahrzeug.
Ende des Audiobeitrags

Unterstützung kam auch vom geschäftsführenden Vorstand von Greenpeace, Martin Kaiser: "Mit Hausdurchsuchungen auf den unbequemen, aber friedlichen zivilen Ungehorsam der Letzten Generation zu reagieren, ist vollkommen unverhältnismäßig."

Faeser: "Rechtsstaat lässt sich nicht auf der Nase herumtanzen"

Bundesinnenministerin und SPD-Spitzenkandidatin in Hessen, Nancy Faeser, erklärte dagegen, die Maßnahmen zeigten, "dass der Rechtsstaat sich nicht auf der Nase herumtanzen lässt". Polizei und Justiz nähmen Straftaten nicht hin, sondern handelten, sagte sie der Funke-Mediengruppe.

Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) erklärte, die "Aktionen der Klimakleber" würden "immer radikaler". "Wer sich auf Straßen festklebt, und damit mutwillig einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr begeht, muss in Hessen die damit verbundenen Einsatzkosten der Polizei tragen", sagte Beuth. Das Land mache damit deutlich, "dass wir den gezielten Nötigungsaktionen konsequentes rechtsstaatliches Handeln bis hin zum Kostenbescheid entgegensetzen".

Ähnlich äußerte sich der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU). "Das ist ein richtiges Zeichen des Rechtsstaats, dass Straftaten nicht toleriert werden dürfen, egal aus welcher Motivation heraus sie begangen werden", sagte er dem hr. Poseck warnte die Aktivisten davor, sich mit weiteren Straftaten ihren Lebensweg zu verbauen. Er habe im Zusammenhang mit den Aktionen der "Letzten Generation" nie von Terror gesprochen, betonte der Minister. Er sehe dort aber auch ein Potenzial für weitere Radikalisierung.

Bundeskanzler nennt Anklebe-Aktionen "bekloppt"

In den vergangenen Wochen war das Klima für die Aktivisten extrem rau geworden. Erzürnte Autofahrer schlugen und traten die Protestierenden des Öfteren und schleiften sie ruppig von der Straße.

Das Landgericht Potsdam bestätigte erstmals den Anfangsverdacht, dass die Gruppe eine kriminelle Vereinigung sein könnte. Diese Woche äußerte sich auch Kanzler Olaf Scholz kritisch und nannte die Anklebe-Aktionen der Gruppe "völlig bekloppt".

Anm. d. Red.: Wir haben die Überschrift angepasst, damit deutlich wird, dass in Gersfeld Räume eines Vereins durchsucht wurden, der Gruppenkonten für Vereine, Verbände und Initiativen anbietet, nicht Vereinsräume der Letzten Generation. In Ermittlungsverfahren können auch Räume unbeteiligter Dritter durchsucht werden, um Beweise zu sichern.

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