Fotografisches Stilleben: Tortillachips liegen auf einem kleinen Häufchen auf einem Tisch, umgeben von Chilischoten und Gewürzpulver. Auf dem Bild eine kleine, farbige Grafik mit dem Schriftzug "war was?".

Der neueste TikTok-Trend: Die schärfsten Chips der Welt essen und danach den Arzt rufen. Unser Kolumnist versteht das Internet nicht mehr - und wünscht sich die 90er zurück.

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Landeslabor überprüft "Hot-Chips"-Proben

Rote Tortilla-Chips vor hellgrauem Hintergrund.
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Hessen, das Bundesland, in dem immer was los ist. An dieser Stelle wirft unser Kolumnist Stephan Reich mit seiner Glosse "War was?" jeden Freitag einen ganz eigenen Blick auf die Nachricht der Woche. Nehmen Sie diesen Blick bitte auf keinen Fall ernst.

Vielleicht kennen Sie ja diese wunderbar unschuldige Cover-Illustration eines Buches über das Internet aus den Neunzigern. Ein paar fröhliche Kids stehen auf ihren PC-Tastaturen wie auf Surfbrettern und fliegen durch die Luft, die Arme ausgebreitet, sie lächeln und sehen hoffnungsfroh in die Ferne, im Hintergrund sieht man die Erde, die Botschaft ist klar: Das Internet ist ein spannender, toller Ort voller ungeahnter Möglichkeiten, den es als Kind freudig zu erkunden gilt.

Knapp 30 Jahre später muss man wohl konstatieren: Na ja. Das Internet ist zu weiten Teilen eine Art digitales Mad-Max-Wasteland geworden, apokalyptisch und unwirtlich, Desinformation und schlechte Laune allerorten, und treibt man sich zu lange an den falschen Ecken herum, überkommt einen der dringende Wunsch, sich mit Gallseife den Kopf von innen auszuwaschen. Hinzu kommt alle Nase lang ein möglichst dämlicher TikTok-Trend, der sich rasend verbreitet und dann dafür sorgt, dass der ein oder andere beim Internetsurfen von seiner Tastatur fällt.

Chipspackung in Form eines Sarges

Der neueste: Die Hot-Chip-Challenge. Dabei essen die Leute einen Tortilla-Chip oder zumindest einen Teil davon. Der Chip eines tschechischen Herstellers ist gewürzt mit der schärfsten Chili-Sorte der Welt, der "Carolina Reaper" und kommt in einer Packung in Form eines Sarges daher.

Der Chip ist so scharf, dass Handschuhe mit in der Packung liegen und ein Warnhinweis aufgedruckt ist, dass man den Arzt rufen soll, wenn sich gesundheitliche Probleme einstellen, was – Überraschung – bei sehr vielen Leuten der Fall ist. Weswegen nun das hessische Umweltministerium reagiert und die "Hot Chips" vom Landeslabor untersuchen lässt.

Anlass dafür sind drei Grundschüler aus Karben (Wetterau), die sich bei der Challenge verletzten. Zuletzt musste schon in Euskirchen bei Köln ein Junge ins Krankenhaus, in den USA starb gar jemand an der Challenge, auch wenn es sich dabei um Chips eines anderen Herstellers handelte. Trotzdem: Man möchte auf seine Tastatur steigen und aus dem Fenster springen. Was ist nur aus der guten alten Internetzeit geworden, als einem das Netz per unschuldig illustriertem Buch erklärt wurde?

Menschen essen Waschmittelkapseln

Ich bin ja schon beim Planking ausgestiegen. Jenem Trend, bei dem sich Kids (aber auch Erwachsene, die als Kind wahrscheinlich mal das Wattestäbchen zu tief ins Ohr gesteckt hatten) steif wie ein Brett an möglichst außergewöhnliche Orte legten, was dann zu diversen Todesfällen führte, weil die Leute von diesen Orten eben auch herunterfielen. Oder die Tide Pod Challenge, bei der Leute giftige Waschmittelkapseln aßen, was ebenfalls zu Todesfällen führte und ja, möglicherweise war das der Tiefpunkt unserer Spezies. Aber wer weiß, was noch kommt.

Hot Chips kann man immerhin essen, könnte man argumentieren, aber na ja, Dinge, die in einer sargähnlichen Verpackung verkauft werden und übersetzt "Sensenmann" heißen, sollte man vielleicht eher nicht verzehren. Bald geht das vermutlich ohnehin nicht mehr: Wenn das Labor seine Ergebnisse vorlegt, will das Umweltministerium beurteilen, ob die Chips der Gesundheit schaden - und dann würden sie aus dem Handel genommen.

Einfach die Zunge tackern

Aber keine Sorge, auf den Genuss eines Hot Chip muss auch dann niemand verzichten, der Effekt lässt sich ja einfach nachahmen. Etwa indem man seine Zunge mit einem Tacker bearbeitet oder gleich das ganze Gesicht in einen Mixer hält. Aber vielleicht sollte ich das nicht schreiben, ich will ja auch nicht die nächste Internet-Challenge starten.

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