Collage: Frau in einem Weihnachtspullover, die ihren Finger vor den Mund legt, als wolle sie zum Leise sein aufrufen. Von oben zwei Hände eines Weihnachtsmannes, der ihr zwei kandierte Äpfel am Stiel wie Kopfhörer auf die Ohren hält. Auf dem Bild eine kleine, farbige Grafik mit dem Schriftzug "war was?".

Hessische Weihnachtsmärkte ohne "Last Christmas" von Wham!? Für "War was?" wäre das das reinste Weihnachtswunder.

Hessen, das Bundesland, in dem immer was los ist. An dieser Stelle wirft unser Kolumnist Stephan Reich mit seiner Glosse "War was?" jeden Freitag einen ganz eigenen Blick auf die Nachricht der Woche. Nehmen Sie diesen Blick bitte auf keinen Fall ernst.

Jubel rund um Hessens Adventskränze, selige Gesichter, die ein oder andere geköpfte Flasche Glüh-Champagner: Weihnachtsmarkt-Fans in ganz Hessen sind aktuell schon Anfang November wie elektrisiert. Der Grund: die hessenschau.de-Schlagzeile vom Mittwoch: "Bald kein "Last Christmas" mehr auf Hessens Weihnachtsmärkten?". Dahinter ein Artikel, der Hoffnung macht: Dank eines Streits um Gema-Gebühren könnte die Vorweihnachtszeit auf Hessens Weihnachtsmärkten in diesem Jahr völlig ohne "Last Christmas" von Wham! verlaufen.

Eine spektakuläre Nachricht für Fans von nicht-blutenden Ohren und Weihnachtsmärkten gleichermaßen. "Eeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeeendlich", seufzt beispielsweise Wilma Ruhe von der Bürgerbewegung "Lasst Christmas!". "Es wäre zu schön, um wahr zu sein." Auf dem Kopf trägt die passionierte Weihnachtsmarktgängerin große, rote Ohrenschützer, dabei sind es milde zwölf Grad. "Es geht mir nicht um die Kälte. Ich will einfach geschützt sein, wenn irgendwann der fürchterlichste Weihnachtssong aller Zeiten wieder losjingelt."

Eine Form akustischer Körperverletzung

So wie Wilma Ruhe geht es einer Vielzahl von Menschen. "Last Christmas" von Wham! gilt dank exzessiver und oft schon im September beginnender Air-Time nicht nur als schlimmster Weihnachts-Ohrwurm aller Zeiten. Manche Menschen sehen darin gar eine Form akustischer Körperverletzung. So sei das Lied Musikwissenschaftlern zufolge extra so geschrieben, dass es im Gehirn dieselben Regionen anspricht wie an einer Tafel kratzende Fingernägel oder der Sound eines Zahnarztbohrers. "Boahneeeeeey, bitte nicht", bringt es Wilma Ruhe auf den Punkt.

Und in der Tat, wissenschaftliche Untersuchungen untermauern diese Einschätzung. So ergab eine Studie, dass das Verlangen von Weihnachtsmarktbesuchern, sich einen kandierten Apfel ins Ohr zu rammen, um satte 272 Prozent stieg, wenn im Hintergrund Wham! lief. Wissenschaftler der Universität Korvatunturi in Lappland konnten im Vorjahr zeigen, dass "Last Christmas" auf der Durch-wie-viele-Glühwein-zu-ertragen-Skala eine komatöse 14 erreicht.

Und zuletzt ergab eine Umfrage unter zufällig anwesenden Kolumnisten, dass das Hören von "Last Christmas" zu Symptomen führt, wie man sie beispielsweise auch von einem schweren Kater kennt. Diese Angabe ist allerdings mit Vorsicht zu genießen.

"Wham ist endlich Ruhe?"

Dass es lediglich wegen eines Streits um Gema-Gebühren zu Wham!-freien Weihnachten kommen könnte, ist für die vielen landes- und bundesweiten Verbotsinitiativen erst einmal zweitrangig. So heißt es in einer Presseerklärung des Dachverbands "Wham ist endlich Ruhe? - Weihnachtsmarktgänger gegen Last Christmas": "Wir empfinden das als Sieg. All die E-Mails und Briefe an Politiker und Radio-DJs, die Mahnwachen vorm Ordnungsamt. Wir fühlen uns endlich gehört."

Als nächstes wolle man Protestaktionen in Supermärkten starten oder sich vor Radiostationen festkleben. "Bis die Bürger endlich unbescholten durch die Weihnachtszeit kommen", heißt es weiter.

Ob es tatsächlich zu Last-Christmas-freien Weihnachtsmärkten kommt, bleibt derweil abzuwarten. Gut möglich, dass der Streit noch beigelegt wird. Ein Worst-Case-Szenario, klar, für das erfahrene Weihnachtsmarkt-Gänger aber dennoch auch eine Antwort haben: einen kandierten Apfel und/oder 14 Glühwein.

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