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Hanauer Weihnachtsmarkt und die Gema

Weihnachtsmarktszene: Beleuchtetes Karussell, Besucher, im Vordergrund eine beleuchtete Rentier-Skulptur.

18.000 Euro statt 1.500 Euro: In Hanau sollten sich die Kosten für die Musik auf dem Weihnachtsmarkt mehr als verzehnfachen. Auch anderen hessischen Städten machen höhere Gebühren zu schaffen. Die Gema sieht sich im Recht - und räumt trotzdem Fehler ein.

Weihnachtslieder gehören zum Weihnachtsmarkt wie Glühwein und heiße Maronen. Doch der stimmungsvolle Klangteppich - aus der Konserve oder vom Chor live gesungen - wird manche Veranstalter künftig teurer zu stehen kommen. Denn die jüngeren Titel wie "Last Christmas" sind im Gegensatz zu den Klassikern häufig nicht rechtefrei, bei ihnen greift das Urheberrecht.

Komponisten und Texter (oder deren Nachkommen) müssen beteiligt werden, wenn ihre Lieder gespielt oder gesungen werden. Die Gebühren dafür sind für einige Veranstalter im vergangenen Jahr extrem gestiegen.

Zehnfach so hohe Rechnung in Hanau

Die Stadt Hanau hat für ihren Weihnachtsmarkt im vergangenen Jahr eine mehr als zehnfach so hohe Rechnung von der Musik-Verwertungsgesellschaft Gema bekommen wie in den Jahren zuvor. Die Stadt sollte mehr als 18.000 Euro zahlen, im Gegensatz von rund 1.500 Euro in den Vorjahren, wie ein Sprecher sagte.

Nach Darstellung der Stadt liege das an einer neuen Berechnungsgrundlage der Gema. Dabei hat sich an den Tarifen und Gebühren der Gema kaum etwas geändert. Was sich allerdings geändert hat: Die Gema überprüft jetzt die Größe der gemeldeten Flächen. Dabei sind manche Städte offenbar von anderen Bedingungen ausgegangen.

Für ihre Berechnungen beruft sich die Verwertungsgesellschaft nämlich auf die gesamte Veranstaltungsfläche, nicht nur auf den Bühnenbereich, wie sie auf ihrer Internetseite erklärt. Diese Regelung sei schon 2011 vom Bundesgerichtshof bestätigt worden.

Nutzungsflächen falsch gemeldet

Laut Gema wurde die Musik bisher auf Basis der von den Kundinnen und Kunden gemeldeten Nutzungsflächen lizenziert. Nach der Corona-Pandemie seien jedoch bei Nachmessungen zum Teil deutliche Diskrepanzen festgestellt worden. Der Kostenanstieg hängt demnach nicht mit neuen Tarifen zusammen, sondern mit der konsequenten Anwendung der bestehenden Tarife.

Hanau ist mit dem Problem nicht allein. In Hessen wurden im vergangenen Jahr 71 Weihnachtsmärkte mit mindestens drei Tagen Veranstaltungszeitraum lizenziert, wie die Gema auf dpa-Anfrage mitteilte. Bei neun Märkten gab es demnach Korrekturen in der Rechnung. Bei den größeren Städte haben Wiesbaden, Fulda und Hanau reklamiert.

In individuellen Verhandlungen habe man Kompromiss-Lösungen gefunden, die auch für dieses Jahr gelten. Hanau etwa konnte die Gema auf 8.500 Euro herunterhandeln. Bundesweit sind laut Verwertungsgesellschaft etwa 35 Städte von deutlich erhöhten Rechnungen betroffen gewesen.

Mehr Geld an die Gema als an die Künstler

Weihnachtsmarkt Fulda

Auch in Fulda seien die Gebühren für den Weihnachtsmarkt 2022 "extrem hoch" gewesen, heißt es seitens der Stadt. "Die Gema legt für ihre Gebührenberechnung die gesamte Weihnachtsmarktfläche zugrunde, die Lautsprecherverstärkung der Musik erfasst aber nur den Bereich vor der Bühne", erklärte eine Sprecherin. Ihrer Meinung nach wäre es sinnvoll, nur die beschallten Flächen einzubeziehen.

Bei den aktuellen Zahlen habe man die paradoxe Situation, dass mehr an die Gema zu zahlen sei als an die Vereine und Künstler, die tatsächlich auf der Bühne auftreten. "Das kann nicht im Sinne der Kultur- und Vereinsförderung sein." Dennoch werde es für den Weihnachtsmarkt 2023 in Fulda zunächst keine Veränderungen geben.

40.000 Euro Nachzahlung in Frankfurt

Auch in Frankfurt war die Rechnung saftig: "Für das Jahr 2022 erhielten wir eine Nachberechnung der Gema von über 40.000 Euro", erklärt die Sprecherin der veranstaltenden Tourismus+Congress GmbH, Sabine Gnau.

Weihnachtsmarkt in Frankfurt

Das Problem aus ihrer Sicht: Die neue Berechnungsgrundlage der Gema beziehe auch Flächen ein, auf denen es keine Bühne gebe, wie den Mainkai, die Hauptwache, den Friedrich-Stoltze-Platz und den Paulsplatz. Diese Flächen seien ein Vielfaches größer als die von der Bühne beschallte Fläche. "Das ergibt einen enormen Unterschied und es ist schwer zu akzeptieren, eine Gebühr für Bereiche zu zahlen, die de facto nicht beschallt werden", so Gnau.

Man warte jetzt ab, wie die Berechnung der Gema in diesem Jahr ausfalle. Danach müsse man prüfen, ob man bei großflächigen Veranstaltungen wie dem Weihnachtsmarkt überhaupt noch ein Musikprogramm biete. Alternativ bestehe die Möglichkeit, mittelfristig ausschließlich Gema-freie Musik zu spielen, und nur noch Künstlerinnen und Künstler zu verpflichten, die nicht bei der Gema registriert sind.

Chöre und Konzerte ziehen Besucher an

Für die veranstaltenden Städte geht es dabei um viel mehr als die stimmungsvolle Hintergrundmusik. "Das Programm auf der sogenannten 'Weihnachtsbühne' ist ein wichtiger Faktor für die Attraktivität des Weihnachtsmarktes und ein echter Frequenzbringer", so Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminski (SPD). Insbesondere die Auftritte von Schulen, Kitas und Vereinen auf dem Markt würden viel Publikum anlocken.

Eine Reduzierung der Programmpunkte würde gerade an den Tagen unter der Woche schnell zu einer weiteren Verringerung der Besucherinnen und Besucher führen. Auch die Überlegung, ausschließlich auf Gema-freie Musik auszuweichen, seien nicht zielführend, so Kaminski: "Abgesehen von der Nachweispflicht, der die Stadt Hanau nachkommen müsste, wäre das besonders für Kitas, Schulen und Kinderchöre eine echte Einschränkung, da viele beliebte Kinderweihnachtslieder nicht lizenzfrei sind."

Verhandlungen für langfristige Lösung

Der Deutsche Städtetag hat reagiert und das Gespräch mit der Verwertungsgesellschaft gesucht. "Uns wurde zugesagt, dass die Gema auf die Städte mit signifikant höheren Rechnungen zugehen wird, um Lösungen dafür zu finden", teilte der kommunale Spitzenverband mit. Gema-Sprecherin Ursula Goebel bestätigte: "Mit einigen wenigen Kunden stehen wir noch im Austausch, um eine für beide Seiten angemessene Lösung zu finden."

Die Gema verweist darauf, dass der geltende Tarif für Stadtfeste zuletzt 2018 mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter (BVMV) verhandelt wurde, deren Mitglied auch die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände ist. 

Zu wenig Kommunikation

Selbstkritisch stellt die Verwertungsgesellschaft aber auch fest: "Wir hätten unsere Kundinnen und Kunden umfassender darüber informieren müssen, dass der bestehende Tarif aus dem Jahr 2018 konsequent angewendet wird, wir parallel dazu eine Überprüfung der gemeldeten und tatsächlichen Flächen vorgenommen haben und 2022 auf Basis dieser Berechnungen lizenzieren werden. Das ist nicht zeitnah und im gewohnten Maße erfolgt."

Ab 2024 werde man aber, schon wegen der Gleichbehandlung, die Regelungen konsequent anwenden, so die Gema.

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