Wackelt die Römer-Koalition in Frankfurt? FDP stellt sich gegen geplantes Crack-Zentrum
Ein Zentrum gegen Crack im Bahnhofsviertel – darüber war sich Frankfurts Koalition eigentlich einig. Doch nun lehnt die FDP das Vorhaben ab und stellt sich gegen ihre eigene Dezernentin im Magistrat. Gerät die Koalition im Römer mit ihrer hauchdünnen Mehrheit ins Wanken?
Noch ist nichts in trockenen Tüchern. Weder der Frankfurter Magistrat noch die Stadtverordnetenversammlung haben den Standort für das geplante Suchthilfezentrum in der Niddastraße nahe dem Drogen-Hotspot im Bahnhofsviertel beschlossen. Doch es kracht in der Römer-Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt.
Die FDP hat sich in dieser Woche auf ihrer Kreismitgliederversammlung mit großer Mehrheit gegen das Zentrum für Crack-Abhängige ausgesprochen. Die Lage zwischen Hauptbahnhof, den Hotelstandorten in der Neuen Mainzer Straße und der Messe verschärfe die bestehende Problematik, heißt es in dem Antrag.
FDP-Chef: "Ein Kommunikationsdesaster"
FDP-Chef Thorsten Lieb spricht von Folgewirkungen: "Ich habe die Sorge, dass die Sogwirkung des Bahnhofsviertels erhöht wird." Das Sozialdezernat habe den geplanten Standort außerdem schlecht nach innen und außen kommuniziert. "Ein Kommunikationsdesaster." Er plädiert aber dafür, die Diskussion neu zu führen und dabei auch die Perspektive der Geschäftsleute im Bahnhofsviertel einzubeziehen.
Die Pläne von Sozialdezernentin Elke Voitl (Grüne) waren zuvor schon von Anwohnern, Geschäftsleuten und auch der Industrie- und Handelskammer kritisiert worden. Die Eigentümerinitiative Bahnhofsviertel hatte einen offenen Brief gegen die Pläne veröffentlicht. Ihnen geht es unter anderem um die Sorgen der Hoteliers, deren Häuser im Umfeld des geplanten Suchthilfezentrums liegen.
Sozialdezernentin: "An getroffene Vereinbarungen halten"
Voitl verweist in der Diskussion auf den bestehenden Koalitionsvertrag. Dort habe sich die Stadtregierung klar für eine Fortentwicklung des Frankfurter Wegs in der Drogenpolitik und gegen die Vertreibung von drogenkonsumierenden Menschen ausgesprochen. "Ich gehe davon aus, dass alle Mitglieder der Koalition weiterhin zu diesen Grundwerten stehen und sich an getroffene Vereinbarungen halten", sagt die Grünen-Politikerin. Ernsthafte Politik dürfe nicht an populistischen Parolen scheitern.
Auch die SPD-Fraktionsvorsitzende Ursula Busch zeigt sich verblüfft über die FDP-Entscheidung: "Das Suchtzentrum ist im Vorfeld besprochen und kommuniziert worden." Der Standort könne niemanden überrascht haben.
FDP stellt sich gegen eigene Dezernentin
Die FDP-Kreismitglieder fordern darüber hinaus, auch die bestehenden Konsumräume im Bahnhofsviertel zu schließen und ein neues Hilfezentrum an einem anderen Standort einzurichten. Ordnungsdezernentin Annette Rinn, ebenfalls FDP, hält das für "völlig unrealistisch". Sie stimmte gegen den Antrag – steht mit ihrer Haltung innerhalb der Frankfurter Liberalen jedoch weitgehend allein.
Doch was steckt hinter der Entscheidung der FDP? Warum riskiert sie einen Koalitionsstreit – und eventuell sogar einen Koalitionsbruch? "Der Druck ist groß", sagt Rinn. In schwierigen Zeiten werde meist nach einfachen Lösungen gesucht. "Doch das Bahnhofsviertel ist ein komplexes Problem", so die Ordnungsdezernentin.
Rund zehn Monate vor der Kommunalwahl wolle man schauen, was in der Römer-Koaltion noch machbar sei, meint FDP-Chef Lieb. Der Wahlkampf scheint damit eröffnet.
Koalition hat nur eine Stimme Mehrheit
Sozialdezernentin Voitl will den umstrittenen Standortvorschlag für das Suchthilfezentrum dennoch zur Abstimmung in den Magistrat bringen. Auch FDP-Dezernentin Rinn kündigt ihre Zustimmung an – und stellt sich damit gegen die Linie ihrer eigenen Partei. Eine Mehrheit im Magistrat gilt als wahrscheinlich. Danach entscheidet jedoch die Stadtverordnetenversammlung.
Dort hat die Koalition aus Grünen, SPD, FDP und Volt mittlerweile nur noch eine Stimme Vorsprung. In den vergangenen Monaten sind Abgeordnete aus der FDP und der SPD aus der Fraktion ausgetreten. Die Koalition hat nun 47 Sitze, die Opposition 46.
Die entscheidende Frage lautet: Wird sich die FDP im Römer nach dem Beschluss ihrer Kreismitgliederversammlung richten – oder ihrer eigenen Dezernentin folgen? FDP-Chef Lieb beschwichtigt: Die Standortentscheidung für das Suchtzentrum werde nicht für einen Koalitionsbruch sorgen.
Mit Blick auf den nahenden Wahlkampf dürfte die Abstimmung wohl auch zum Stimmungstest für den Zusammenhalt der Koalition werden.