Ein Mann sitzt mit den Händen über dem Kopf verschränkt vor einer Frau.

Wenn von häuslicher Gewalt die Rede ist, stehen meist Frauen als Opfer im Fokus. Doch jedes fünfte Opfer ist ein Mann. Jetzt wird mehr Schutz und Hilfe gefordert.

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Häusliche Gewalt gegen Männer

Mann (anonym) im Interview
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Psychische und körperliche Gewalt gehörte für Marco (Name geändert) lange zum Alltag: "Sie flippte oft aus, wenn die Kinder dabei waren. Das war für mich das Schlimmste." Marco hat von seiner Ex-Partnerin über mehrere Jahre Gewalt erfahren. "Sie rempelte mich an oder biss mir in den Arm, sodass zwei Zahnabdrücke geblieben sind. Oder sie baute sich im Streit vor mir auf und drohte, mir eine Ohrfeige zu geben. Manchmal tat sie das auch."

Als seine damalige Partnerin auszieht, ist er zunächst erleichtert. Obwohl sie vereinbaren, sich nicht mehr gleichzeitig in der Wohnung aufzuhalten, steht sie plötzlich wieder vor ihm und schreit ihn an. "Ich habe eigentlich jeden Tag Angst gehabt, dass sie wiederkommt. Das war eine sehr belastende Zeit, weil ich in meiner eigenen Wohnung nicht sicher war." Marco zieht mit dem gemeinsamen Kind in ein anderes Bundesland, die Adresse hält er geheim.

"Warum wehrst du dich denn nicht?"

Geschichten wie die von Marco sind kein Einzelfall - das zeigt auch die Statistik: Laut Bundeslagebild des BKA ist jedes fünfte Opfer von häuslicher Gewalt männlich. Wenn es um gefährliche Körperverletzung in der Partnerschaft geht, ist bei fast jeder dritten Tat das Opfer ein Mann. Die Dunkelziffer ist groß - Gewalt gegen Männer ist noch immer ein großes Tabuthema, sagt Boris von Heesen. Er ist Männerberater und geschäftsführender Vorstand des Vereins Flexible Jugendhilfe in Darmstadt.

Boris von Heesen, Männerberater

Männern falle es oft schwer, Beratung und Hilfe zu suchen, sagt von Heesen. Das liege vor allem an Stereotypen in unserer Gesellschaft. Männer müssten stark sein, müssten sich durchsetzen. "Und wenn man hört, dass ein Mann Gewalt erfährt, dann ist da so ein Reflex: 'Ja, warum wehrst du dich denn nicht?' Das ist dann enorm mit Scham behaftet."

Auch Marco hat von seinem Umfeld nur wenig Verständnis erfahren: Von Gleichgültigkeit bis Ignoranz - es seien vor allem negative Reaktionen gekommen. "Manche haben gesagt, 'dann bist du selbst Schuld, wenn du dir so eine Frau suchst.' Oder 'wehr dich doch'".

Politik für das Thema sensibilisieren

Der Runde Tisch Männergewaltschutz in Hessen, koordiniert von der Flexiblen Jugendhilfe in Darmstadt, will im Blick auf die Landtagswahl im Oktober die Parteien dafür sensibilisieren, Männer in Partnerschaften stärker vor Gewalt zu schützen.

Das Bündnis fordert in einem Impulspapier die Einrichtung von vier Gewaltschutzplätzen in zwei Pilotwohnungen, je eine in Nord- und Südhessen. Außerdem sollen spezialisierte Beratungsstellen geschaffen werden, die für die geschlechtsspezifischen Probleme von Männern sensibilisiert sind. Bisher taucht das Thema in keinem Wahlprogramm der großen Parteien auf.

Bislang keine Männerschutzplätze in Hessen

Von Heesen betont, der Großteil häuslicher Gewalt betreffe Frauen - auch für sie müsse es mehr Angebote geben, die hessenweit 750 Plätze in den 31 Frauenhäusern reichten nicht. Auch seien Frauen meist extremerer Gewalt ausgesetzt, das liege schon allein an den körperlichen Kräfteverhältnissen.

Doch knapp 20 Prozent der Opfer sind Männer. Für sie gebe es in Hessen aber bis heute keinen einzigen Gewaltschutzplatz: "Die können wir nicht hinten runterfallen lassen. Das ist auch Teil der Überwindung des Patriarchats. Dass Männer Opfer sein dürfen, dass sie schwach sein dürfen. Und am Ende profitieren wir alle davon."

Bundesweit gibt es 42 Männerschutzplätze

Aus anderen Bundesländern wisse man, wenn das Angebot da ist, werde es auch wahrgenommen. 42 Männerschutzplätze gibt es mittlerweile in fünf Bundesländern - und die Nachfrage ist groß. Sie sind besonders auf Männer mit ihren Kindern ausgerichtet. "Immer mehr Männer haben den Mut, sich Hilfe zu holen", sagt von Heesen.

Marco fühlt sich nach seinem Umzug mittlerweile sicher. Er wünscht sich, dass das Thema gesellschaftlich mehr Beachtung findet. Er wisse jetzt, dass auch ein starker Mann seine Gefühle nicht verdrängen muss. "Was mich stört ist, dass oft auch Männer sagen, sie sind der Beschützer und der harte Kerl - dann aber hinter verschlossenen Türen heulen. Sie sollten nicht weiterführen, was ihnen oder anderen Männern schadet."

Weitere Informationen

Hilfetelefon Gewalt an Männern

Beratung und Unterstützung erhalten Sie unter der folgenden kostenlosen Telefonnummer: 0800 1239900.

Weitere Informationen zu Beratungsstellen und Hilfsangeboten finden Sie auf der Seite maennergewaltschutz.de und in der Infobroschüre der Opferschutzorganisation Weißer Ring.

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