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Höhere Sozialausgaben, mehr Kosten fürs Personal: Hessens Kommunen müssen deutlich mehr ausgeben, als sie einnehmen. Unterm Strich steht erstmals seit einem knappen Jahrzehnt ein dickes Minus in der Bilanz für 2023.

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Finanzen – Hessens Kommunen in den roten Zahlen

HS 10:04:2024
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Wie viel Geld kam rein, wie viel ging raus? Das Statistische Landesamt in Wiesbaden hat einen Blick in die Etats von Hessens Kreisen, Städten und Gemeinden geworfen. Was die Experten dort sahen, war erwartbar, wurde aber dadurch nicht erfreulicher: Die Ausgaben sind enorm gestiegen, die Einnahmen halten dabei nicht mit.

Erstmals seit dem Jahr 2015 verzeichneten die Kernhaushalte der Kommunen des Bundeslandes im vergangenen Jahr summa summarum wieder ein Defizit. Es betrug 688 Millionen Euro, wie aus der am Mittwoch veröffentlichten Bilanz des Statistischen Landesamtes hervorgeht.

Im Bereich der schwarzen Zahlen arbeitet demnach lediglich noch knapp die Hälfte (44,5 Prozent) der Kommunen. Mit 152 Millionen Euro erzielte Frankfurt den dicksten Überschuss. Das größte Minus fuhren Darmstadt mit 130 Millionen Euro und Marburg mit 128,4 Millionen Euro ein. Fast die Hälfte des Defizits lief bei den Landkreisen auf, die neben den kreisfreien Städten die örtlichen Träger der sozialen Leistungen sind.

Sozialausgaben und Personal

Vor allem gestiegene Sozialausgaben sind den Angaben zufolge ursächlich für die Entwicklung. "Die Kommunen gaben unter anderem mehr für Sozialleistungen wie Eingliederungshilfen, Grundversorgung und Hilfen für Asylbewerberinnen und -bewerber aus", heißt es in der Mitteilung des Statistischen Landesamtes.

Darüber hinaus stiegen auch die Personalausgaben in den Kommunen deutlich an – nicht zuletzt infolge des Tarifabschlusses für den öffentlichen Dienst mit der Sonderzahlung zum Ausgleich der Inflation.

2022 hatten die hessischen Kommunen zwar noch einen Überschuss hinbekommen. Er war allerdings mit lediglich 45,1 Millionen Euro gegenüber früheren Jahren schon merklich geschrumpft.

Bundesweiter Trend

Die Entwicklung war bereits vergangene Woche von der deutschlandweiten Bilanz mit Zahlen untermauert worden. Bundesweit schrieben die Kommunen 2023 das erste Defizit seit dem Jahr 2011. Es betrug 6,6 Milliarden Euro. Der Städte- und Gemeindebund sprach von einer "katastrophalen Entwicklung".

In den vergangenen Jahren hatten sich durch eigene Steuereinnahmen und Zuweisungen von Bund und Ländern in der Gesamtbetrachtung der hessischen Kommunen stets Finanzierungsüberschüsse ergeben. Die Zuweisungen wurden zudem während der Corona-Pandemie zeitweilig zur Unterstützung der Kommunen erhöht.

Mehr Geld von Bund und Land gefordert

Was sich nun zeigt, war nach Ansicht des hessischen Städte und Gemeindebundes längst absehbar. Schon seit Jahren seien die Ausgaben stärker gestiegen als die Einnahmen, sagte Geschäftsführer David Rauber dem hr. Neben Sozialausgaben und den Tarifsteigerungen nannte er die hohe Inflation im vergangenen Jahr als Ursache.

"Das Land muss seine Verantwortung für gesunde Kommunalfinanzen wahrnehmen", forderte Rauber. Hessen und der Bund regelten weitgehend, was den Kommunen als Aufgaben Kosten bereite. "Dann dürfen sie uns darauf nicht sitzen lassen." Der kommunale Spitzenverband verlangt vor allem eine höhere finanzielle Beteiligung aus Wiesbaden und Berlin an den Ausgaben für Kliniken, Nahverkehr, Unterbringung von Flüchtlingen und Kitas.

Die Folgen dieser "dauerhaften Schieflage" spüren die Bürgerinnen und Bürger laut Rauber. Viele Kommunen müssten die Grundsteuer erhöhen. Wenn für Investitionen mehr Kredite aufgenommen werden, erschwere das ausgeglichene Etats.

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Kommunen rutschen ins Minus

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Auch Jürgen Dieter, geschäftsführender Direktor des hessischen Städtetages, sagte, die Kommunen seien "mehr denn je auf die finanzielle Unterstützung von Bund und Land angewiesen. Bei so wichtigen Themen wie der Ganztagsbetreuung in Kitas und der Digitalisierung der Verwaltung seien die finanziellen Fragen nicht geklärt. 

Finanzministerium relativiert

Das hessische Finanzministerium versprach auf Anfrage, es werde "auch in Krisenzeiten den Kommunen weiterhin als verlässlicher Partner zur Seite stehen". Es gewann den Zahlen auch Positives ab: Sie zeigten weder ein "eineinheitlich eingetrübtes Bild noch ein regionales Gefälle". So befänden sich unter den zehn Kommunen mit den höchsten Überschüssen solche aus Nord- und aus Südhessen, außerdem auch zwei Landkreise.

Insgesamt habe sich die Finanzlage der Kommunen im zurückliegenden Jahrzehnt "erheblich verbessert", betonte ein Ministeriumssprecher. Die besonders betroffenen Landkreisen entlastet das Finanzministerium nach eigenen Angaben bereits: Einige von ihnen gewähre das Land für 2024 bereits eine Pause bei den Ratenzahlung für das Entschuldungsprogramm "Hessenkasse".

Kalte Dusche für Marburg

Die Kommunen mit den höchsten Defiziten:

  • Darmstadt hat mit 130,2 Millionen Euro das stärkste Minus.
  • Nur geringfügig kleiner fiel das Defizit in Marburg mit 128,4 Millionen Euro aus. Das Besondere: Die Stadt an der Lahn hatte im Vorjahr mit 183,3 Millionen Euro noch den größten Überschuss unter den hessischen Kommunen erwirtschaftet – eine Folge der Gewerbesteuer vom Impfstoffhersteller Biontech.

Die Kommunen mit dem höchsten Pro-Kopf-Minus:

  • Hier steht Elz (Limburg-Weilburg) mit 3.099 Euro deutlich vorne.
  • Philippsthal (Hersfeld-Rotenburg) mit 1.875 Euro und Bad Orb (Main-Kinzig) folgen, dann kommt schon Marburg mit einem Defizit von 1.652 Euro pro Einwohner.

Diemelstadt noch besser als Frankfurt

Die Kommunen mit den absolut größten Überschüssen:

  • Frankfurt mit einem Plus von 152 Millionen Euro ist Spitzenreiter, nachdem die Stadt im Vorjahr noch 50,4 Millionen Euro Minus gemacht hat.
  • Mit großem Abstand dahinter kommen Neu-Isenburg mit 52,1 Millionen Euro und Baunatal mit 44,1 Millionen Euro.
  • In all diesen Fällen wirken sich laut den Statistikern vor allem hohe Gewerbesteuereinnahmen als wichtigste kommunale Einnahmequelle stark aus.

Die Kommunen mit den größten Pro-Kopf-Überschüssen:

  • Diese Bilanz führt Diemelstadt (Waldeck-Frankenberg) mit 2.315 Euro Plus pro Einwohner an.
  • Dann kommen Poppenhausen (Fulda) mit 1.858 Euro und Breuna (Kassel) mit 1.788 Euro.
  • Verglichen damit fällt etwa Frankfurt mit seinem hohen Gesamtüberschuss deutlich ab. Das Pro-Kopf-Plus beträgt dort 197 Euro pro Einwohner.
Weitere Informationen

Blick in die Kernhaushalte

Die Bilanz des Statistischen Landesamtes spiegelt den Finanzierungssaldo der Kernhaushalte der Kommunen. Der Kernhaushalt beschränkt sich auf den Etat im engeren Sinn - kommunale Betriebe mit eigener Bilanz bleiben dabei zum Beispiel außen vor.
Der Saldo berechnet sich als Differenz aus den bereinigten Einnahmen und bereinigten Ausgaben. Das bedeutet, dass bestimmte vermögenswirksame Finanzierungsvorgänge wie die Aufnahme oder Tilgung von Krediten nicht berücksichtigt wird. Auch kommunale Betriebe mit eigener Bilanz bleiben außen vor.

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