25 Jahre elektronische Fußfessel Mehr Sicherheit für alle, mehr Freiheit für Täter

Über die Fußfessel für Frauenschläger wurde zuletzt viel diskutiert. Doch das Urmodell der elektronischen Aufenthaltsüberwachung gibt es deutlich länger. Erstmals ausprobiert wurde sie in Hessen.

Nahaufnahmer einer Fußfessel an einem Fußgelenk.
Seit 25 Jahren wird in Hessen die elektronische Fußfessel eingesetzt. Bild © Dominik Schunk (hr)
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Fußfessel-Überwachung aus Weiterstadt

Experte vor Plan
Bild © hr
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Vielleicht ist es Hessens härteste Tür. Der Weg zur ausgeschilderten "Überwachungsstelle" lässt jedenfalls Großes erwarten. Handy abgeben, Leibesvisitation und dann gleich mehrere verschlossene Türen. Schließlich befinden wir uns im größten Gefängnis Hessens: der Justizvollzugsanstalt Weiterstadt bei Darmstadt.

Überwachung rund um die Uhr

Innen angekommen wird derjenige enttäuscht, der einen Control Room im Stil der Nasa erwartet hat. Die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (GÜL) entpuppt sich als eher unspektakulär: drei Schreibtische mit je drei Monitoren, dahinter die konzentrierten Augen der Justizmitarbeiter.

24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche wird hier gescannt, wo sich die Trägerinnen und Träger von elektronischen Fußfesseln aufhalten. Ende 2024 waren es bundesweit mehr als 200 Überwachte, in Hessen 36.

Nähert sich ein Straftäter einem für ihn verbotenen Bereich - beispielsweise dem Haus seiner Ex-Frau - schlägt das System Alarm. "Es kann dann umgehend eine Streife rausgeschickt werden, und der Mensch würde festgenommen werden", erklärt Marco Schneider den Workflow.

Schneider ist der stellvertretende Leiter der GÜL in Weiterstadt. "Häufig sind es Sexualstraftäter, die nach Verbüßung ihrer Haftstrafe als gefährlich eingestuft werden", sagt er. Dank des schwarzen Plastikkästchens über dem Knöchel könnten Wohnort oder Arbeitsplatz des früheren Opfers, aber auch Spielplätze oder Schulen geschützt werden - rund um die Uhr.

Modellversuch in Frankfurt

Alles begann als Modellversuch in Frankfurt am 2. Mai 2000. Nicht unumstritten war das, wie sich Hans-Jörg Albrecht erinnert. Der Jurist war damals Direktor am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, das den Versuch wissenschaftlich begleitete.

Das Schlagwort Überwachung habe damals viele in der Politik daran gehindert voranzugehen. "Brauchen wir das überhaupt? Ist das notwendig?", seien typische Fragen gewesen, erinnert sich Albrecht im Interview mit dem hr. Es sei darum gegangen, die technischen Voraussetzungen für eine elektronische Fußfessel zu schaffen, ohne dafür den Gesetzesrahmen zu ändern.

In den USA gab es diese Sanktionsform schon seit den 1980er Jahren, in Europa zogen Schweden, die Niederlande und England nach. Hessens Justizminister im ersten Kabinett von Roland Koch hieß Christean Wagner (beide CDU) und erläuterte: "Es steht als Überschrift über dem Versuch: ein größerer Erfolg bei der Resozialisierung von verurteilten Straftätern."

Alternative zur Haft

Das Ergebnis des Versuchs war aus Sicht der Wissenschaft ein voller Erfolg. "Hessen hat sehr gute kriminalpolitische Arbeit geleistet", findet der Jurist Albrecht. Die Fußfessel als Alternative zum Freiheitsentzug habe sich letztlich europaweit durchgesetzt.

Schließlich sei sie ein milderes Mittel als die Haft, die oft auch Schaden anrichte, sagt Albrecht. In das tägliche Leben der Betroffenen werde vergleichsweise wenig eingegriffen, sie würden nicht an den Pranger gestellt. Insofern spricht auch Albrecht von einem "Erfolgsmodell".

Luftaufnahme eines Komplexes mit vielen Gebäuden. Sie sind mit einer Mauer umgeben, darum liegen Felder. Es handelt sich um ein Gefängnis.
Luftaufnahme der JVA Weiterstadt. Bild © picture alliance / Sportpics | Marc Schueler

Ab 2007 wurde die Präsenzkontrolle flächendeckend in Hessen ausgerollt. Andere Länder zogen nach, nicht jedoch der Bund. Heute sei das Tool nicht mehr wegzudenken, findet Albrecht. Ein Annäherungsverbot - und damit das Risiko schwerer Gewalt - lasse sich anders kaum überwachen. "So besteht die Möglichkeit, dass das Opfer rechtzeitig gewarnt wird und von außen eingegriffen werden kann", sagt der Jurist. Auch wenn die Fußfessel selbst natürlich nichts verhindere.

"Fußfessel macht keine besseren Menschen"

Auch der aktuelle Justizminister Christian Heinz (CDU) spricht von einem "riesigen Erfolg". Hessen habe Pionierarbeit geleistet. Die Überwachung von insgesamt mehr als 2.300 Personen über all die Jahre habe zur Sicherheit beigetragen.

Heinz blickt vor allem in die Zukunft und spricht die "Zwei-Komponenten-Technik" an, das sogenannte spanische Modell. Damit können auch Opfer gewarnt werden, wenn sich der frühere Täter nähert.

Für den hessischen Justizminister ist klar: Die Fußfessel sorgt für mehr Sicherheit. Denn mit der Fußfessel würden Personen mit Auflagen überwacht, die ansonsten ungestört herumlaufen würden. Aber, sagt Heinz: "Die elektronische Fußfessel kann am Ende keine besseren Menschen aus den Trägern machen. Aber wir können sicherstellen, dass sie kein weiteres Unheil anrichten können."  

Ausweitung auf potenzielle Täter geplant

Hessen will sogar noch weitergehen und schon potenzielle Täter mit einer Fußfessel ausstatten, also bevor eine Straftat stattgefunden hat. Die Idee findet sich auch im Koalitionsvertrag der künftigen Bundesregierung. Heinz spricht von einem "Exportschlager".

Doch die Technik ist nicht unfehlbar. 2014 sorgte ein Fall bundesweit für Schlagzeilen: Ein Islamist aus Offenbach konnte trotz Fußfessel unbemerkt das Land verlassen. Er schloss sich in Syrien der Terrorgruppe Islamischer Staat an.

Für Hessens Behörden war das ziemlich peinlich - doch "ein Einzelfall", wie Minister Heinz sagt. Für ihn überwiegt klar der Nutzen der Technologie.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: Timo Kurth, hessenschau.de