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Letzte Debatte im Landtag dreht sich um "Demokratiepaket" und AfD

Die AfD-Fraktion im Landtag

Der alte Landtag musste doch noch mal ran. Er beschloss am Dienstag ein "Demokratiepaket". Die AfD bestand auf eine Extra-Sitzung - schließlich ging es nicht zuletzt um sie.

Letzte Sitzung vor Weihnachten – meist packt den Landtag dann heftiges Dezemberfieber. Nicht selten braucht es Nachtsitzungen, um vor dem Jahreswechsel noch Nicht-Behandeltes aus den vergangenen Monaten abzuarbeiten. Diesmal schien es anders zu laufen.

Vorige Woche sollte nach nur einem einzigen statt der drei üblichen Plenartage Schluss sein für 2023. Das lag vor allem an der Hessenwahl vom 8. Oktober. Sie hat das Parlament zum Auslaufmodell gemacht. Wenn Mitte Januar der neue Landtag zusammentritt, hat statt Schwarz-Grün mit aller Wahrscheinlichkeit eine CDU/SPD-Koalition das Sagen.

Allerdings ist die AfD zur zweitstärksten Partei und zur stärksten Oppositionsfraktion geworden. Das ist der Grund dafür, dass es am Dienstagvormittag in Wiesbaden doch noch einmal kurz und heftig zur Sache ging.

Eilverfahren mit Bremse

Nur 45 Minuten waren angesetzt, ein einziges Thema stand auf der Tagesordnung: das per dringlichem Antrag in den Plenarsaal zugestellte, sogenannte "Demokratiepaket". Die Debatte in den zwei mindestens vorgeschriebenen Lesungen dafür liefen schon vergangene Woche an einem einzigen Tag. Eine breite Mehrheit gab es da auch schon: CDU, Grüne, SPD und FDP haben den Antrag eingebracht.

Doch die AfD machte vom Recht Gebrauch, einen dritten und letzten Durchgang zu verlangen. Geändert hat es nichts. Aber die Partei nutzte die Gelegenheit zur erneuten Empörung: Auch wenn sie im Gesetz kein einziges Mal erwähnt wird, richtet er sich in einem wichtigen Punkt unmittelbar gegen sie.

Selbst beobachtet - und übers Abhören entscheiden?

Die AfD spricht daher von der "Lex AfD" und verweist darauf, dass CDU-Fraktionschefin Ines Claus den Begriff selbst einmal verwendet hat. Es geht um die G10-Kommission des Landtags. Ihr soll die AfD nicht angehören, weil die Landespartei vom Verfassungsschutz in Hessen als rechtsextremer Verdachtsfall gewertet wird.

Und das machte die Sache so eilig. Die G10-Kommission heißt so, weil sie sich auf Artikel 10 des Grundgesetzes über das Post- und Telekommunikationsgeheimnis bezieht. In ihr bestimmen derzeit drei Abgeordnete von CDU, Grünen und SPD sowie jeweils Stellvertreter aus ihren Parteien über die Zulässigkeit von Telefonüberwachungen durch den Landesverfassungsschutz. Es geht auch um die Bekämpfung des Rechtsextremismus.

Wahlergebnis spielt keine Rolle mehr

Die Kommissionsmitglieder bekamen ihre Plätze nach dem bisherigen Verfahren aufgrund der Stärke ihrer Fraktionen bei der Landtagswahl 2018. Da die AfD bei der Wahl 2023 so stark war, hätte sie ohne Gesetzesänderung im kommenden Landtag automatisch erstmals einen Sitz erhalten.

Das verhinderten CDU, Grüne, SPD und FDP nun in ihrer Zusammenarbeit als "demokratische Parteien", wie sie sich zur Abgrenzung nennen. Das Gesetz regelt in der neuen Version nicht nur, dass in der Kommission außer Abgeordneten auch Experten sitzen könnten. Es legt vor allem fest, dass die Besetzung nicht mehr entsprechend dem jüngsten Landtagswahlergebnis vorgenommen wird.

Keine reelle Chance

Künftig werden die Kommissionsmitglieder vielmehr vom Landtag gewählt. Da können sich AfD-Bewerber keine Chance ausrechnen. Denn alle anderen Parteien sind sich einig: "In Gremien, die unsere Demokratie schützen sollen, können keine Feinde der Demokratie sitzen" - so fasste es Grünen-Fraktionschef Mathias Wagner am Dienstag zusammen.

Experte: Könnte AfD auch nutzen

Verfassungsrechtlich ist gegen das Vorgehen der vier Parteien nach Auffassung des Staatsrechtlers Steffen Augsberg von der Uni Gießen nichts einzuwenden. Doch jenseits des Juristischen sagt Augsberg gegenüber dem hr zur "Lex AfD": "Das kann politisch sehr unklug sein."

Denn die AfD verbreite ohnehin das Narrativ, Opfer der von ihr als "Altparteien" bezeichneten Gegner zu sein. Wenn sie nun anders behandelt wird, ist das laut Augsberg "gewissermaßen Wasser auf die Mühlen dieser Erzählung".

Genau diese Inszenierung der AfD warfen ihre Gegner in der Schlussdebatte vor. Von "künstlicher Aufregung" und der typischen Flucht in die Opferrolle sprach SPD-Fraktionschef Günter Rudolph, FDP-Fraktionschef René Rock von "Täter-Opfer-Umkehr".

AfD: Regierung brach dreimal die Verfassung

Zuvor hatte der AfD-Angeordnete Frank Grobe die Regelung als "mehr als lächerlich" bezeichnet. Nach Meinung seiner Fraktion soll auf undemokratische Weise verhindert werden, dass die AfD als stärkste Oppositionspartei die Regierung kontrollieren kann.

Im Streit um die Verfassungstreue der AfD versuchte Grobe den Spieß umzudrehen und fragte: "Warum dürfen dann CDU und Grüne in die Kommission?" Nicht seine Partei, sondern die schwarz-grüne Landesregierung habe Gerichtsurteilen zufolge dreimal in der laufenden Wahlperiode die Verfassung gebrochen.

CDU: Anpassung an Normalität

Für die Initiatoren des Gesetzes verwies der CDU-Rechtsexperte Christian Heinz dagegen darauf, dass Hessen die Besetzung der G10-Kommission lediglich an die "bundesrepublikanische Realität" anpasse. Bis auf Thüringen werde es in allen Länderparlamenten und im Bundestag schon so gehandhabt wird. Außerdem erhalte die AfD auch im neuen Landtag in fast allen von mehr als 60 Gremien sehr wohl einen Platz.

Unter anderem stellt die AfD in der laufenden Wahlperiode zum Beispiel die Vorsitzenden von zwei Ausschüssen des Landtags. In eine weitere Kommission wurde die AfD seit ihrem erstmaligen Einzug in den Landtag 2019 allerdings auch nicht aufgenommen. Es ist die Parlamentarische Kontrollkommission, die dem Verfassungsschutz auf die Finger schaut und für diese Aufgabe geheimes Material einsehen darf.

Auch die Linkspartei, die dem neuen Parlament nicht mehr angehören wird, durfte in den 15 Jahren der Zugehörigkeit zum Landtag nicht in diese Kontrollkommission. Sie stimmte nun auch gegen das Demokratiepaket. In der Bewertung der AfD, so machte Fraktionschef Jan Schalauske klar, gebe es zwar keine Differenzen. Aber das Paket könne doch "irgendwie" eine Einschränkung parlamentarischer Rechte zur Folge haben.

Ordnungsgeld und keine höheren Zulagen

Das neue Paket sieht noch eine Reihe anderer Regelungen vor. Die Zahl der Mitglieder des Ausschusses, der Richter des Staatsgerichtshofes wählt, wurde von acht auf neun erhöht. Das rundet die Vorgabe ab, dass Richter mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt werden müssen.

Außerdem müssen laut geändertem Abgeordnetengesetz Parlamentarier bei besonders schlechtem Verhalten in Zukunft statt einer Rüge mit Ordnungsgeldern in Höhe von bis zu 3.000 Euro rechnen. Außerdem wird festgeschrieben, wie Abgeordnete Nebenverdienste und ehrenamtliche Tätigkeiten offenlegen müssen.

Der konkret angedachte Plan, die Zulagen des Landtagspräsidiums und der Fraktionsvorsitzenden zu erhöhen, wurden nach Kritik der Grünen fallengelassen. Erhöht wurde lediglich die Kostenpauschale der Abgeordneten, um die Bezahlung der von ihnen beschäftigten Mitarbeiter verbessern zu können.

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