Debatte über Gesetzentwurf im Landtag Ungewöhnlich viel Lob für Grünen-Vorschläge für mehr Kita-Erzieher
Mit einem 20-Punkte-Plan wollen die Grünen den Erzieher-Mangel in Hessen bekämpfen. Im Landtag stießen Teile des Gesetzentwurfs auf grundsätzliche Zustimmung - mancher wunderte sich aber über den Zeitpunkt der Initiative.
"Wir haben genau hingehört", sagte Felix Martin, Sprecher der Grünen im Landtag für frühkindliche Bildung bei der Vorstellung des Entwurfs zum Kita-Fachkräftegesetz. Über die Landesgrenzen hinweg habe seine Fraktion nach Lösungen für den Fachkräftemangel in Hessens Kitas gesucht. Das Ergebnis: 20 Rundum-Vorschläge, die auf ungewöhnlich positive Resonanz in den Regierungsfraktionen stieß.
Ein "großes Danke für viel Hirnschmalz und Herzblut" sprach die SPD-Generalsekretärin Josefine Koebe bei der Debatte am Donnerstag aus. Auch Claudia Ravensburg (CDU) freute sich, dass sich die Grünen in der Opposition "weiter konstruktiv an der Fachkräftesicherung beteiligen". Doch auf das anfängliche Lob folgte ein kumuliertes Aber.
Grüne: "Sofort machbar und umsetzbar"
Das Versprechen im grünen Gesetzentwurf: bessere und stärkere frühkindliche Bildung, "sofort machbar und umsetzbar". Die Maßnahmen "machen die Erzieher-Ausbildung attraktiver und schaffen so dringend benötigte zusätzliche Fachkräfte", so Felix Martin.
Zu den 20 Vorschlägen gehören unter anderem:
- die Erzieher-Ausbildung von fünf auf vier Jahre zu verkürzen, indem die Pflicht zur zweijährigen Sozialassistenz-Ausbildung durch ein sozialpädagogisches Einführungsjahr ersetzt wird,
- die Altersgrenze für den Beginn einer Sozialassistenz-Ausbildung abzuschaffen,
- das Schulgeld für die Ausbildung vom Land bezahlen zu lassen,
- die Zahl der vom Land geförderten Praxisintegrierten vergüteten Ausbildungsplätze (PivA) von 1.050 auf 1.350 zu erhöhen,
- die Finanzierung der ab Sommer geplanten Kita-Assistenzen zur organisatorischen Unterstützung der Fachkräfte langfristig zu sichern,
- ein "Sozialraumbudget" in Höhe von zehn Millionen Euro für Kommunen mit besonderen sozialen Herausforderungen einzuführen (wo zum Beispiel viele Familien in Armut oder mit Zuwanderungsgeschichte leben),
- das erforderliche Sprachniveau für ausländische Bewerber von C1 auf B2 zu senken,
- den Einstieg ausländischer Fachkräfte unter anderem durch leichtere Anerkennung von Abschlüssen zu vereinfachen.
FDP: "Kostspielige Scheinlösungen"
Laut Bertelsmann Stiftung fehlten in Hessen Ende 2023 rund 41.000 Kita-Plätze und 7.500 Erzieherinnen. Ein Problem, dessen sich alle Fraktionen im Landtag bewusst sind. Dass das vorgestellte Kita-Fachkräftegesetz für dieses Problem ein Rundum-Sorglos-Paket sein könnte, das sahen am Donnerstag allerdings nur die Grünen so.
Von "kostspieligen Scheinlösungen" sprach René Rock (FDP). Viele der Maßnahmen gebe es zudem in Hessen schon, nur nicht in Form eines Gesetzes. Die Erzieher müssten vor allem besser bezahlt werden und bessere Arbeitsbedingungen haben, um den Beruf attraktiver zu machen, betonte Rock.
Warum kommt die grüne Initiative erst jetzt?
Der familienpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, Gerhard Bärsch, kritisierte, der Fachkräftemangel sei das Ergebnis jahrelanger politischer Versäumnisse - auch von den Grünen. "Ich finde es bemerkenswert, dass ausgerechnet die Grünen, die zehn Jahre lang Regierungsverantwortung trugen, jetzt so tun, als hätten sie die passgenaue Lösung für den Fachkräftemangel in der frühkindlichen Bildung", sagte Bärsch.
Auch Claudia Ravensburg (CDU) merkte an, der frühere grüne Sozialminister Kai Klose hätte diese Vorschläge seinerzeit umsetzen können. Gut gefalle ihr wiederum der Ansatz, Abschlüsse von ausländischen Fachkräften leichter anzuerkennen. Einem niedrigeren Sprachniveau erteilte sie eine Absage: "Schließlich ist Sprache das zentrale Element für eine gelingende Bildung unserer Kinder." B2 reiche da nicht, findet Ravensburg.
Den Einwurf der Grünen, dass Hessen als einziges Bundesland diese hohe Anforderung habe, konterte die FDP: Wenn Hessen schon den höchsten Standard habe, dann sei das zu begrüßen und nicht abzuschaffen.
Sozialministerin: "Es braucht ein Gesamtpaket"
Sozialministerin Heike Hofmann (SPD) wies bei der Abschaffung der Altersgrenze für die Sozialassistenz zur Überraschung der Grünen darauf hin, dass diese laut Kultusministerium ohnehin nicht mehr angewendet werde. Die Kita-Assistenzen begännen zudem erst in diesem Sommer. Man solle das erst einmal wirken lassen, bevor man den zweiten Schritt gehe.
Im Übrigen bat Hofmann darum, "selbstbewusst auf das zu schauen, was wir schon erreicht haben": zum Beispiel beim Rechtsanspruch auf Kita-Betreuung oder einem besseren Verhältnis zwischen Erzieherin und zu betreuenden Kindern. Weitere Schritte, wie zum Beispiel die Erweiterung des Fachkraftkatalogs für Quereinsteiger, würden "alsbald" folgen.
GEW und Elternvertreter befürchten Abstriche bei Qualität
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) begrüßte die Debatte im Landtag. Positiv bewertete sie die angedachte Ausweitung der PivA-Plätze und die vorgeschlagene Abschaffung des Schulgelds.
Kritik übte die GEW hingegen an der geplanten Verkürzung der Ausbildung und an einem Einsatz von Kita-Assistenzen. "Frühkindliche Bildung braucht mehr gut ausgebildete Fachkräfte, nicht einfach nur mehr Erwachsene in den Einrichtungen", sagte der GEW-Hessen-Vorsitzende Thilo Hartmann auf hr-Anfrage.
Ähnlich äußerte sich auf hr-Anfrage auch die Kita-Landeselternvertretung Hessen. "Qualität darf auf keinen Fall anhand von Zahlen zu Auszubildenden, Mitarbeitenden oder Kita-Plätzen gemessen werden", teilte sie schriftlich mit. Im Gesetzentwurf der Grünen fehle ein Frühwarnsystem, das Fehlentwicklungen bei der Qualität in den Kitas erkenne.
Am Ende der Plenardebatte am Donnerstag freute sich der Grünen-Abgeordnete Felix Martin darüber, dass die Kritik der anderen Fraktionen seiner Ansicht nach "eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen" gewesen sei.
René Rock (FDP) warf ihm daraufhin eine "selektive Wahrnehmung" vor. Dabei hätten die Grünen in der Recherche zu ihrem Gesetzentwurf doch angeblich "genau hingehört". Dafür haben sie nun in den Ausschuss-Anhörungen, wo ihr Gesetzentwurf beraten wird, jedenfalls erneut die Möglichkeit.