Streit um Corona-Untersuchungsausschuss Staatsgerichtshof prüft Fragenkatalog der AfD

Was lief schief in der Corona-Pandemie? Die AfD wollte Antworten durch einen Untersuchungsausschuss im Landtag bekommen. Doch der Fragenkatalog war den anderen Fraktionen zu weitgehend und unklar. Nun stand der Fall vor dem Verfassungsgericht - die Richter hörten genau hin.

Ein Schild an der Filiale einer Krankenversicherung in der Innenstadt weist auf die bestehende Maskenpflicht und das Abstandsgebot aufgrund des Coronavirus hin.
Damals zu Coronazeiten: Ein Schild weist auf die Maskenpflicht und das Abstandsgebot hin. Bild © dpa

Geschlossene Schulen, Lockdowns, Maskenpflicht. Vieles im Umfeld der Corona-Pandemie kann man im Rückblick fünf Jahre danach kritisch hinterfragen - und Lehren für die Zukunft ziehen. Die AfD im hessischen Landtag will das in einem Untersuchungsausschuss tun.

Und darf das auch, denn ein solcher Ausschuss gilt als das "schärfste Schwert der Opposition", ein zentrales Instrument der parlamentarischen Minderheit. Und so wurde der Ausschuss vor gut einem Jahr vom Landtag eingesetzt. Wirklich untersucht hat er seitdem aber nichts.

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Streit über Corona-Untersuchungsausschuss vor Staatsgerichtshof

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Vier Stunden Verhandlung

Denn was der Ausschuss untersuchen darf, darüber gab es Streit. 43 Fragen hatte die AfD formuliert. Zu viele seien das, fanden die anderen Fraktionen. Der Landtag gab mehrere Gutachten in Auftrag. Am Ende strich man den Katalog auf sieben Fragen zusammen.

Der Fokus sei nicht klar, die Untersuchung nicht auf Hessen bezogen, hieß es damals. Die größte Oppositionsfraktion AfD wehrt sich gemeinsam mit zwei früheren Mitgliedern ihrer Fraktion vor dem Staatsgerichtshof, der am Mittwoch öffentlich verhandelte. Und die vier Richterinnen und sieben Richter hörten vier Stunden konzentriert zu, fragten nach, diskutierten mitunter leidenschaftlich.

Bei der Frage nach den Rechten der Alternative für Deutschland ging es in der Tat viel um Alternativen. Wie hätte sich der Landtag angesichts verfassungsrechtlicher Bedenken verhalten sollen: Den Antrag komplett abweisen? Eine schwere Einschränkung von Minderheitenrechten.

Den Ausschuss unwidersprochen einsetzen und damit sehenden Auges einen Verfassungsbruch riskieren? Kaum zu erklären und aus Sicht von Christoph Henckel, dem Rechtsanwalt des Landtags, sogar "verboten". Man entschied sich damals für einen dritten Weg und strich 36 mutmaßlich verfassungswidrige Fragen aus dem Untersuchungsauftrag heraus. Konkretes Beispiel: wie haben Robert Koch-Institut und Paul-Ehrlich-Institut in der Krise agiert?

Keine Untersuchung der Bundespolitik

Eine Frage, die die AfD schon in der Präambel ihres Antrags aufwirft. Beide Institute sind aber als sogenannte Bundesoberbehörden dem Bund unterstellt. Das Land hat hier nichts zu sagen. Doch ein Untersuchungsausschuss im Landtag könne nur untersuchen, was auch eine Landesregierung, Landesverwaltung oder ein Landesparlament direkt oder indirekt verantworte, so der Bevollmächtigte des beklagten Landtags.

Sogar das Handeln der Europäischen Kommission, gar der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu untersuchen - schlichtweg nicht vorstellbar. Eine Argumentation, der man auf der Richterbank von Hessens höchstem Gericht offenkundig einiges abgewinnen konnte.

Und am Umfang des Untersuchungsauftrags störte sich nicht nur der Prozessvertreter des Landtags. Landesanwältin Monika Böhm verwies darauf, dass sie auf mehr als 100 Fragen komme, zähle man alle Unterfragen mit. Nicht gerade fokussiert sei das. Böhm vertritt als Landesanwältin bei Verfahren vor dem Staatsgerichtshof die Interessen der Öffentlichkeit. Sie machte an diesem Tag deutlich, dass sie die Klage der AfD-Fraktion für unbegründet hält.

Über Ziel hinausgeschossen?

Ob es allerdings wirklich angemessen war, gleich ganze 36 Fragen rauszunehmen, das wurde von den Richtern zumindest kritisch nachgefragt. Auch für AfD-Anwalt Christoph Basedow ist man hier über das Ziel hinausgeschossen. "Der Antrag ist weit, aber nicht unbestimmt. Das Feld ist auch weit", so Basedow.

Ein Urteil gab es am Mittwoch nicht, auch ein Termin ist noch nicht verkündet. Als eher unwahrscheinlich gelten für Beobachter extreme Urteile des Verfassungsgerichts. Also dass der Ausschuss für komplett nichtig erklärt wird und seine Arbeit einstellt. Der Eingriff in das zentrale Minderheitenrecht wäre zu massiv.

Andererseits ist aber auch nicht zu erwarten, dass alles zurück auf Anfang geht und die AfD nach ihrer Verfasungsklage doch all ihre 43 Fragen bearbeiten darf. Selbst die AfD rechnete damit offenbar nicht mehr und signalisierte, auch mit einem reduzierten Untersuchungsauftrag leben zu können.

Vorstellbar ist vielmehr eine Aufforderung an den Landtag, nachzubessern - sodass der Ausschuss mit aktualisiertem Auftrag und einigen Fragen mehr seine Arbeit fortsetzen kann. Sozusagen ein "Nachschärfen" des schärfsten Schwerts der Opposition.

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau,

Quelle: hessenschau.de