Fahrradfahrerin auf einer Radspur

Seit Anfang 2021 hat eine Enquetekommission des Landtags über die Zukunft der Mobilität in Hessen nachgedacht. Das Ergebnis hat im Parlament unterschiedliche Reaktionen ausgelöst.

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Abschlussbericht zur Mobilität der Zukunft vorgestellt

hs
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Ob mit der Bahn oder zu Fuß, mit dem Auto oder dem Rad - wie sieht ein ebenso benutzer- wie klimafreundlicher Verkehr im Jahr 2030 in Hessen aus? Zweieinhalb Jahre und 30 Sitzungen lang hat sich eine Enquetekommission des Landtags darüber den Kopf zerbrochen.

Am Ende stehen ein samt Anhang gut 2.300 Seiten starker Abschlussbericht, ein Katalog von 36 Thesen - und höchst widersprüchliche Urteile, was das alles wert ist.

Als der Landtag den Bericht am Mittwoch abschließend debattierte, zeigte sich Verkehrsminister Tarek Al-Wazir zufrieden. Das Ergebnis bedeute "Rückenwind für die Verkehrswende“, sagte der Grünen-Politiker. Kritiker wie der Linken-Abgeordnete Axel Gerntke dagegen verspürten nichts als heiße Luft.

Schwarz-grün pochte nicht auf eigene Mehrheit

Zahlreiche Experten hat die Kommission angehört. Es sei nicht darum gegangen, "Verkehrspolitik neu zu erfinden", sondern Zielvorstellungen zu erstellen, sagte die Vorsitzende Sabine Bächle-Scholz (CDU).

Die Kommission bestand aus 15 Abgeordneten, die Zusammensetzung entsprach der Stärke der Fraktionen im Parlament. Um den Abschlussbericht auf eine möglichst breite Basis zu stellen, wurde aber nach einer unüblichen Regel abgestimmt.

Nicht die Mehrheit der Mitglieder war nötig. Die hätte das schwarz-grüne Regierungslager gehabt. Angenommen war eine These aber, wenn sich ihr jeweils vier von sechs Fraktionen anschlossen. So blieben 36 von ursprünglich 52 Vorschlägen übrig.

"Bei blauem Himmel kein Regen"

Die erste These etwa lautet: "Mobilität ist für alle zugänglich, unabhängig von Einkommen, Wohnort und Alter." Eine andere: "Die Schiene ist als Rückgrat der Mobilität und des Güterverkehrs gestärkt." Oder: "Eine sichere und ausgebaute Radinfrastruktur ist in Stadt und Land verfügbar."

"Wenn der Himmel blau ist, regnet es nicht" - dieser Satz hätte nach Meinung des Linken-Politikers Gerntke da gut hinein gepasst. Die formulierten Ziele seien arg dünn und nichtssagend geraten. "Donnerknispel, dafür haben wir zweieinhalb Jahre gebraucht!"- so lautete sein Kommentar zur Feststellung der Kommission, der Frankfurter Flughafen sei ein "herausragender Wirtschaftsfaktor".

Gerntke, verkehrspolitischer Sprecher der Linken, äußerte den Verdacht, dass hinter der Allgemeinheit solcher Sätze eine bewusste Strategie stecke: So habe es die schwarz-grüne Landesregierung geschafft, sich nicht an konkrete Ziele zu binden, deren Verwirklichung nachprüfbar wären.

SPD auf Distanz

Auch die SPD übte Kritik am Ergebnis, wenn auch im Ton verhaltener. Und auch sie legte ein eigenes Abschlusspapier vor, ein so genanntes Minderheitenvotum. Dabei hatte die Fraktion seinerzeit gemeinsam mit der ebenfalls oppositionellen FDP die Einsetzung der Kommission beantragt.

Nun befand Tobias Eckert, verkehrspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag: In seiner Gesamtheit könne man den zu unkonkreten Bericht nicht unterstützen. "Aus den Erkenntnissen muss konkretes Handeln folgen", forderte er. Das aber fehle in dem Papier ebenso wie eine verbindende Idee.

Als Ursache vermutete Eckert, dass es eine solche Idee wegen höchst unterschiedlicher Vorstellungen von CDU und Grünen auch in der Regierungskoalition nicht gebe. Im Kampf gegen den Klimawandel brauche man aber Strategien zur Vermeidung von Verkehr, zu umweltfreundlichen Lösungen und zur Verbesserung der einzelnen Verkehrsmittel.

CDU kritisiert "parteipolitischen Egoismus"

Kommissionsmitglieder der Koalition kamen zu einem anderen Fazit. Dirk Bamberger von der CDU befand: Hier seien Grundzüge einer "ökologischen, sozial ausgewogenen, an Teilhabe ausgerichteten und ökonomisch nachhaltige Gestaltung der Mobilität" entworfen worden. Das könne dem Landtag auch in zukünftigen Wahlperioden als Orientierung dienen. Der SPD warf Bamberger "parteipolitischen Egoismus" vor.

Katy Walther von den Grünen wertete das Ergebnis ebenfalls als Erfolg. "Ich hätte am Anfang nicht gedacht, dass wir uns auf drei Thesen einigen", sagte sie. Falls jemand gehofft habe, Grüne und CDU bei dem Thema spalten zu können, sei dies nicht gelungen.

Wie der grüne Verkehrsminister Al-Wazir erinnerte Walther an das am Vortag verabschiedete Gesetz zur Nahmobilität. Damit will schwarz-grün den Rad- und Fußverkehr stärken und auf eine Stufe mit dem Straßen-, Bus- und Bahnverkehr stellen. Unfallgefahren für Radler und Fußgänger sollen entschärft werden.

Lob sogar von der AfD

Auf Distanz zur SPD ging auch die FDP, die gemeinsam mit den Sozialdemokraten den Anstoß für die Einrichtung der Kommission gegeben hatte. Die beschlossenen Thesen könnten in Zukunft eine wichtige Grundlage für Kompromisse in der Verkehrspolitik sein, sagte Oliver Stirböck. Dabei müssten allerdings Freiheit, Mobilität und Technologieoffenheit im Vordergrund stehen. "Am deutschen Elektrowesen wird die Welt nicht genesen", sagte Stirböck.

Auch die AfD lobte Einsetzung und Arbeit der Enquete-Kommission. Seine Fraktion könne die meisten der Thesen unterschreiben, sagte Klaus Gagel, ihr verkehrspolitischer Sprecher. Den weitaus größten Teil seiner Rede verwendete er darauf, Kritik an einer seiner Meinung nach "realitätsfernen Verkehrspolitik" zu üben, wie sie vor allem Grüne, SPD und Linke wollten. Klimaschutz sei unnötig. Die Bürger wollten und bräuchten auch keine Mobilitätswende, sondern freie Wahl der Verkehrsmittel.

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