Ausmisten bei der Linkspartei im Landtag

Umzugskisten voller Erinnerungen und Angst vor dem möglichen Nachmieter: Die Linke verlässt nach 15 Jahren ihre Fraktionsräume im Landtag. Während ein "Liquidator" die Abwicklung vorantreibt, versucht die abgewählte Partei ihren Absturz in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern.

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Linkspartei verlässt Fraktionsräume im Landtag

Aktenordner stapeln sich in einem Büro der Linkspartei im Landtag
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In anderthalb Jahrzehnten hat sich einiges angesammelt: Berge voller Aktenordner, rote Flyer und Wahlplakate aus vergangenen Zeiten. Thomas Klein ist seit der ersten Stunde Pressesprecher der Linken im Landtag. 2008 hat er die Fraktion mitbegründet, jetzt löst sie sich auf. Klein packt das Inventar seines Büros sorgfältig in Transportkisten und Umzugskartons. Der politische Exodus der Linken aus dem Wiesbadener Landtag ist kurz vor Weihnachten in vollem Gange. 

"Es fühlt sich komisch an", gesteht Klein, nachdem er ein weiteres Regal geleert hat. "Aber wir müssen das Wahlergebnis natürlich akzeptieren." Bei der Landtagswahl Anfang Oktober haben nur 3,1 Prozentder Wählerinnen und Wähler ihr Kreuzchen bei der Linken gemacht. Der Wiedereinzug in den Landtag wurde damit deutlich verfehlt. Bis zum Jahresende müssen die Fraktionsräume im zweiten Stockwerk des Mittelbaus an die Landtagsverwaltung zurückgegeben werden.

Mitarbeiter suchen nach neuen Jobs

Zusammen mit Klein haben rund 20 weitere Menschen in diesen Büros für die neunköpfige Landtagsfraktion gearbeitet: Pressesprecher, Referenten und Sekretäre. Sie alle sind nun auf Jobsuche. "Natürlich werden wir uns bemühen, neue Beschäftigungen zu finden und anderswo unterzukommen", sagt Klein. Bisher hat jedoch kaum jemand tatsächlich eine neue Stelle gefunden.

Axel Gerntke

Axel Gerntke hat als Parlamentarischer Geschäftsführer der Linken die Rolle des "Liquidators" inne. Heißt: Er muss die Fraktion abwickeln, also ihren Auszug aus dem Landtag organisieren und die Vermögenswerte der Fraktion veräußern, sofern sie nicht ohnehin dem Landtag gehören. Seine Aufgabe empfindet er als "hochgradig unerfreulich". Es sei ein Sozialplan für die Mitarbeiter ausgearbeitet worden. Zudem wurde eine Beratungsfirma engagiert, um neue Stellen für sie zu suchen. "Wir versuchen, das Problem so gut es geht aufzulockern", so Gerntke.

AfD könnte Räume der Linken übernehmen

Was den Abschied für die Linken noch schwerer macht: Die ehemaligen Fraktionsräume könnten bald von einem politischen Erzfeind genutzt werden. Aufgrund von Platzmangel hat die AfD nach ihrem erstmaligen Landtagseinzug vor fünf Jahren bisher keine Büros im Parlamentsgebäude erhalten. Stattdessen wurden sie außerhalb des Landtags in angemieteten Räumlichkeiten untergebracht. Nun könnten die Rechtspopulisten die Räume der scheidenden Linken übernehmen. "Das ist eine schreckliche Vorstellung", findet Pressesprecher Klein.

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Die Linke zieht aus

Linke auf Bühne
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Während die letzten Kartons mit Bürobeständen durch die Gänge gerollt werden, bleibt die Frage nach der Zukunft der Linken unbeantwortet. Die Partei steht vor der Herausforderung, als außerparlamentarische Opposition sichtbar zu bleiben. Noch-Fraktionschef Jan Schalauske gibt sich kämpferisch: "Denjenigen politischen Kräften, die jetzt frohlocken und auf ein Ende der Linken spekulieren, sei gesagt: Freuen Sie sich nicht zu früh", ruft er den anderen Fraktionen in seiner vorerst letzten Rede im Landtag zu.

Partei sucht nach Strategien

Um den Absturz in die Bedeutungslosigkeit zu verhindern, arbeitet die Linke bereits an Gegenstrategien. In einem Antrag des Parteivorstands, der auf einem Landesparteitag Anfang Dezember mit deutlicher Mehrheit beschlossen wurde, wird das künftige Vorgehen beschrieben. Darin heißt es unter anderem:

  • Fokus auf Kommunalpolitik: Als Reaktion auf die begrenzten Ressourcen nach dem Verlust der Landtagsfraktion will   sich die Linke zukünftig auf die Kommunalpolitik in Hessen konzentrieren. Hier sieht die Partei die Möglichkeit, direkten   Einfluss auf das tägliche Leben der Bürgerinnen und Bürger zu nehmen und ihre Ideen in konkreten Maßnahmen umzusetzen.  
  • Kampagnen als Schlüssel: Die hessische Linke baut ein neues Kampagnenteam als "Herz des Landesverbandes" auf. Es soll die Partei im Gespräch und öffentlich sichtbar halten. Zum Beispiel durch Demonstrationen, Aktionstage oder Social-Media-Kampagnen.
  • Schulterschluss mit anderen Gruppierungen: Der Landesverband will zukünftig stärker mit anderen linken Gruppierungen wie Gewerkschaften, Klima- und Friedensbewegungen, Flüchtlings-NGOs oder Vereinen gegen rechts zusammenarbeiten.

"Wir haben uns immer als Partner der außerparlamentarischen Bewegung verstanden", so Schalauske. Dieses Selbstverständnis will die Partei jetzt voll ausspielen, damit das politische Comeback gelingen kann. Schon im kommenden Juni zeigt sich, ob die Strategie verfängt: Dann steht die Europawahl an. Der Leitantrag betont, dass die Partei alles in die Waagschale werfen will, um hier besser abzuschneiden als bei den letzten Wahlen.

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