Streit im Stadtparlament Mitarbeiterin der Stadt Raunheim wehrt sich gegen höheres Gehalt

In Raunheim kämpft eine städtische Mitarbeiterin gegen ihre eigene Gehaltserhöhung. Bürgermeister Rendel hatte sie angewiesen - aber womöglich nur, um seine ehemalige SPD-Parteifreundin damit aus dem Stadtparlament zu drängen.

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Mitarbeiterin der Stadt Raunheim wehrt sich gegen höheres Gehalt

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Verkehrte Welt. Normalerweise beklagen sich Angestellte über zu wenig Geld. In Raunheim ist es umgekehrt. Hier wehrt sich Tissam Bellafkir als Angestellte der Stadt gegen eine Gehaltssteigerung.

Doch was ist schon normal in Raunheim? Ein Amtsleiter soll hier mehr als zwei Millionen Provision von der Stadt bekommen haben. Mehrere Mitarbeiter sollen in ihrer bezahlten Arbeitszeit am Ferienhaus des verstorbenen Bürgermeisters Thomas Jühe (SPD) gearbeitet haben. Die Staatsanwaltschaft ermittelt in beiden Fällen und die Aufklärung der Skandale sorgt für viel Streit in der Stadtpolitik.

Stadtparlament als Herzensangelegenheit

Im aktuellen Fall geht es nun um die Mitarbeiterin Bellafkir. Sie ist in Raunheim aufgewachsen, hat dort die Kita und die Schule besucht und arbeitet seit fünf Jahren bei der Stadt. "Das Parlament ist mir eine Herzensangelegenheit", erklärte sie in der letzten Sitzung der Stadtverordnetenversammlung Anfang Februar. Denn da war ihr Verbleib im Parlament das alles beherrschende Thema. "Der Angriff gegen meine Person ist auch ein Angriff gegen das Parlament", so Bellafkir vor den Abgeordneten.

Der Hintergrund: Bei der Kommunalwahl 2021 wurde Bellafkir ins Stadtparlament gewählt, damals für die SPD. Nachdem immer mehr Skandale ans Tageslicht kamen, wechselte sie zu der neuen Fraktion "Wir sind Raunheim" (WsR), die sich Aufklärung auf die Fahne geschrieben hat. Damit fingen für die 42-Jährige die Probleme mit ihrem Arbeitgeber an.

Wegen höherem Gehalt kein Mandat mehr

Der für sie zuständige Dienststellenleiter und Bürgermeister David Rendel (SPD) schrieb ihr am 6. Dezember 2023, sie würde nachträglich in die Gehaltsgruppe "9c" hochgestuft. Das ist genau die Gehaltsstufe, ab der städtische Mitarbeiter kein Mandat mehr im Stadtparlament ausüben dürfen. Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass es zu Interessenskollisionen kommt. Je höher das Gehalt, desto größer die Nähe zur Stadtspitze, so der Gedanke.

Am selben Tag bekam Bellafkir ein weiteres Schreiben. Darin teilte ihr der Wahlleiter mit, dass die "9c" ein Hinderungsgrund für die Ausübung ihres Mandates sei. "Hier soll versucht werden, eine unliebsame Parlamentarierin durch die Höhergruppierung aus dem Parlament herauszukaufen", sagt Mohammed Ghazi, Fraktionsvorsitzender von WsR.

Abgeordnete empört über Vorgang

Viele Abgeordnete waren empört und votierten mit einer eindeutigen Mehrheit für den Verbleib Bellafkirs im Parlament. Bürgermeister Rendel wollte sich in der Sitzung zu dem Fall nicht äußern, weil es sich um eine Personalangelegenheit handelt.

Auf hr-Anfrage widerspricht er nun der Darstellung von WsR. Der Behauptung, Bellafkir sei aus politischen Gründen höhereingruppiert worden, "trete ich als Dienststellenleiter entschieden entgegen".

Für die durch die Mandatsträgerin übernommene Tätigkeit liege eine auf Wunsch der Beschäftigten eingereichte Arbeitsplatzbeschreibung vor, die extern und unabhängig gutachterlich bewertet worden sei. "Diese Bewertung ist nach der Tarifautomatik des TvöD (Tarif des öffentlichen Dienstes, Anmerkung d. Red.) bindend für die Dienststelle."

"Mehr als das, was mir zusteht, habe ich nie gefordert"

Doch von einer Automatik kann aus der Sicht von Bellafkir keine Rede sein. Sie habe sich mit einer anderen Bitte an ihren Arbeitgeber gewandt. Denn der Magistrat hatte bereits Anfang 2023 beschlossen, dass sie für ihre Arbeit in der Digitalisierungsabteilung in die "9a" hochgestuft werden sollte. Das damit einhergehende höhere Gehalt habe sie nie ausbezahlt bekommen.

"Mehr als das, was mir zusteht, habe ich nie gefordert und wollte ich auch nie haben", so Bellafkir. Mit der Mehrheit der Stadtverordneten im Rücken kann sie zwar im Parlament bleiben. Um ihr Mandat abzusichern, überlegt sie jedoch, arbeitsrechtlich gegen die höhere Bezahlung vorzugehen.

Abgeordnete feiern Mandat als Erfolg für Demokratie

CDU, WsR und Grüne, die für Bellafkir gestimmt haben, feiern ihr Mandat als Erfolg für die Demokratie, weil eine Abgeordnete nicht gegen ihren Willen aus dem Verkehr gezogen wurde. Doch Bürgermeister Rendel deutet an, dass Bellafkirs Mandat die zukünftige Arbeit des Parlaments bedrohen könnte. "Der Hinderungsgrund besteht weiter, weswegen die Beschlüsse des Parlaments rechtlich angegriffen werden können", so Rendel.

Also schwebt über dem Raunheimer Parlament das Damoklesschwert, dass alle Beschlüsse mit ihr null und nichtig sein könnten? Die für solche Fragen zuständige Kommunalaufsicht des Kreises Groß-Gerau beruhigt. Die Abgeordneten hätten beschlossen, dass Frau Bellafkir ihren Sitz behält. Dieser Beschluss sei gültig.

Einzige Möglichkeit, diesen Beschluss zu kippen, wäre eine Entscheidung vor einem Verwaltungsgericht. "Dem Bürgermeister der Stadt Raunheim steht allerdings gegen den vorgenannten Beschluss der Vertretungskörperschaft kein Beanstandungsrecht zu", erklärt der Kreis.

Weitere Informationen

Sendung: hr-fernsehen, hessenschau, 16.2.2024

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Quelle: hessenschau.de/Susanne Mayer