Der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft Hessen hat vermutlich Mitarbeiterinnen des Landesverbands für Angelegenheiten der SPD im Main-Kinzig-Kreis eingespannt. Dabei könnte es sich um verdeckte Parteienfinanzierung handeln.

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Verdacht auf Parteiarbeit auf Kosten der Steuergewerkschaft

Ein Dorf aus der Ferne fotografiert - umrahmt von der umgebenden Landschaft.
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Wer erfolgreich Wahlkampf machen will, braucht Personal. So dürfte es der SPD Birstein (Main-Kinzig) im Kommunalwahlkampf 2021 gelegen gekommen sein, dass Mitarbeiterinnen der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) Hessen diverse Aufgaben für die Partei übernommen haben. Das geht aus zahlreichen internen Mails hervor, die dem hr vorliegen. Sie legen nahe, dass der DSTG-Landesvorsitzende Michael Volz die Geschäftsstelle in Gelnhausen für parteinahe Arbeiten eingesetzt hat.

Hinter dieser Vermischung von Gewerkschafts- und Parteiarbeit könnten die politischen Ambitionen von Volz stehen. Nach den Kommunalwahlen 2021 zog er für die SPD in seiner Heimatgemeinde Birstein ins Gemeindeparlament ein. Er will auch bei der Landtagswahl im Herbst 2023 kandidieren, wie er noch Anfang dieses Jahres einem Parteifreund schrieb.

Seit Mitte Mai könnten seine Ambitionen jedoch einen Dämpfer bekommen haben. Volz steht im Mittelpunkt von Enthüllungen der Frankfurter Rundschau und des hr über den Landesverband der Steuergewerkschaft, in der Finanzbeamte organisiert sind. Volz steht im Verdacht, überhöhte Reisekosten abgerechnet zu haben und etwa für einen teuren Empfang anlässlich seines Geburtstags Gewerkschaftsmittel verwendet zu haben.

Infolge der Medienberichte fordert die Landesjugendleitung der DSTG Hessen einen außerordentlichen Gewerkschaftstag. Die jungen Gewerkschafter wollen, dass aufgeklärt wird, was hinter den Vorwürfen steckt. Außerdem soll sich ihrem Willen nach die gesamte Gewerkschaftsspitze Neuwahlen stellen. Unterdessen prüft die Staatsanwaltschaft Frankfurt mögliche finanzielle Unregelmäßigkeiten bei der DSTG Hessen. Dabei soll es auch um den Verdacht der Veruntreuung von Gewerkschaftsgeld gehen.

"Vielen Dank für Deine Arbeit und Deinen Einsatz für uns!"

Zu den bekannten möglichen Missständen kommen nun Fälle hinzu, die auf eine verdeckte Parteienfinanzierung hinweisen. Aus dem Mailverkehr, der dem hr vorliegt, geht hervor, dass Mitarbeiterinnen der Gewerkschaft ganz offenbar direkt in Parteiarbeit eingebunden waren. So soll eine Mitarbeiterin der DSTG-Geschäftsstelle die Wahlkampfbroschüre der SPD Birstein überarbeitet haben.

Von ihrer dienstlichen E-Mail-Adresse schrieb sie Anfang 2021 an Volz und andere kommunale SPD-Politiker: "Hier noch ein paar Änderungen von mir." Demnach hat sie in dem rund 50 Seiten umfassenden Entwurf des Wahlprogramms viel gestrichen, geändert und ergänzt, mitunter ganze Passagen umgeschrieben und eingefügt.

Der damalige Spitzenkandidat der Birsteiner SPD bei der Kommunalwahl war Bürgermeister Fabian Fehl. In einer Antwort an die DSTG-Mitarbeiterin mailt er erfreut: "Vielen Dank für Deine Arbeit und Deinen Einsatz für uns! Das wissen wir sehr zu schätzen. :)"

"Weder üblich noch korrekt"

Weder die Gewerkschaftsmitarbeiterin noch die hessische DSTG-Führung hat auf konkrete Fragen des hr zu der Arbeit am Birsteiner SPD-Wahlprogramm geantwortet. Die Landesleitung teilte lediglich pauschal mit, "dass wir der Überzeugung sind, dass es bei der DSTG keine Unregelmäßigkeiten oder Satzungsverstöße gegeben hat".

So muss die Frage vorerst unbeantwortet bleiben, ob die Gewerkschaftsmitarbeiterin die Aufgabe für die SPD in ihrer Freizeit machte und nur aus Versehen ihre dienstliche E-Mail-Adresse zum Versenden nutzte - oder ob sie während ihrer Arbeitszeit für die Partei tätig wurde. Bürgermeister Fehl sagt, er könne dazu keine Angaben machen. Er räumt auf hr-Anfrage aber ein: Dass die Mitarbeiterin in der Sache über ihre dienstliche E-Mail-Adresse kommunizierte, sei "weder üblich noch korrekt".

Man kenne sich, und so sei in der SPD-Fraktion die Idee aufgekommen, die Mitarbeiterin um ein Feedback zu bitten, führt Fehl aus: "Weil sie unsere Aufstellung zur Kommunalwahl gut fand, mit vielen jungen und neuen, aber auch erfahrenen Kandidaten, hat sie das getan."

"Bitte schön vorbereiten. Wäre toll!!!"

Seit den Kommunalwahlen im vorigen Jahr ist Volz SPD-Fraktionsvorsitzender im Gemeindeparlament Birstein und über eine gemischte Liste Ortsvorsteher im Ortsteil Fischborn. Vor der Wahl bat er eine DSTG-Mitarbeiterin, das Layout eines Flyers für die Gemeinsame Liste Fischborn zu gestalten. Auch das lässt sich in E-Mails nachlesen.

Als SPD-Fraktionschef bat er dann die DSTG-Geschäftsstelle darum, ein Schreiben mit den Vorschlägen für die SPD-Kandidaten für die Gemeindeausschüsse mit einem Briefkopf zu versehen. Als Ortsvorsteher richtete er Ende 2021 den Wunsch an die DSTG-Geschäftsstelle, Weihnachtsgrußkarten für den Ortsbeirat zu gestalten. Im Betreff einer E-Mail heißt es: "Bitte schön vorbereiten. Wäre toll!!!"

Als die SPD Main-Kinzig nach einem aktuellen Foto von Michael Volz für ihre Website fragt, schickt ihr die DSTG-Geschäftsstelle diese zu. Weitere Mails mit ähnlichen Beispielen liegen dem hr vor.

"Dann ist es verdeckte Parteienfinanzierung"

Der Berliner Verfassungsrechtler Ulrich Battis hält dies alles für problematisch. Sollte sich der Eindruck, den er aus dem E-Mail-Verkehr erlangt habe, den der hr ihm vorlegte, bestätigen, "dann ist es sicherlich illegal. Das ist dann eine verdeckte Parteienfinanzierung."

Denn als Vorteil komme die Mitarbeit von Gewerkschaftspersonal der Partei zugute und müsse dem Transparenzgebot entsprechend offen gelegt werden, erläutert Battis. Illegale Parteienfinanzierung sei nicht auf Geldzuwendungen begrenzt. Sie könne auch aus Sachleistungen oder dem Überlassen von Personal bestehen. In strafrechtlicher Hinsicht könnte hier eine Untreue vorliegen, darüber hinaus ein Verstoß gegen das Parteiengesetz.

"Dann werden wir es künftig noch schwerer haben"

In einer weiteren Stellungnahme - nach Veröffentlichung der ersten Version dieses Berichts - weist Birsteins Bürgermeister diesen Verdacht als "absurd" zurück. Die örtliche SPD habe die DSTG-Mitarbeiterin, die man persönlich kenne, doch nur um das Gegenlesen des Wahlprogramms und ihre Meinung dazu gebeten, schreibt Fabian Fehl. Gut möglich, dass sie dies "in einer Pause auch am Arbeitsplatz" getan habe.

Aber dies müsse doch erlaubt sein, beharrt Fehl - zumal Kommunalpolitik auf Ehrenamt beruhe. "Wenn nun alle ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Kommunalpolitik unter den Verdacht verdeckter Parteienfinanzierung geraten, dann werden wir es künftig noch schwerer haben, Menschen zu finden, die sich kommunalpolitisch in ihrer Freizeit engagieren", schließt Fehl. Allerdings geht es ja um den Verdacht, die DSTG-Mitarbeiterin sei in ihrer Arbeitszeit für die SPD tätig geworden.

"Alles andere macht Mandatsträger angreifbar"

Der Generalsekretär der hessischen SPD, Christoph Degen, zieht die Grenzen da deutlich enger. Die Partei lege "größten Wert auf Transparenz bei der Finanzierung unserer Parteiarbeit und unserer Wahlkämpfe - ganz gleich auf welcher politischen und staatlichen Hierarchieebene", betont er. Sämtliche Bewerber um ein Mandat müssten sich an die Transparenzregeln halten. "Alles andere macht einen Mandatsträger angreifbar", so Degen.

Der SPD-Landesverband habe aus eben diesem Grund vor der Kommunalwahl 2021 "allen Unterbezirken und Ortsvereinen Tools für die Gestaltung von Wahlkampfmaterialien zur Verfügung gestellt, damit die Gliederungen nicht auf Fremdleistungen angewiesen waren", erläuterte Degen.

"Ich habe mal das Gesamtpaket geschnürt"

Dem hr liegen weitere Mails vor, die den Verdacht begründen, dass Volz die DSTG-Geschäftsstelle auch für den Vogelschutzverein Fischborn einspannte. Als Vorsitzender nutzte er den Verein offensichtlich auch für sein politisches Networking. Das lässt zumindest die Gästeliste eines Empfangs im Oktober 2021 ("1. Fischbörner Vesper") vermuten. Darauf stehen neben dem Landrat Thorsten Stolz (SPD) Vertreter namhafter hessischer Verbände und der damalige Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU).

Schaut man sich den umfangreichen Mailaustausch zwischen Volz und der DSTG-Geschäftsstelle an, entsteht der Eindruck, dass die Vorbereitung des Empfangs an eine Mitarbeiterin dort ausgelagert wurde. Von ihrer DSTG-Adresse mailte sie vor dem Termin: "Ich habe jetzt mal das Gesamtpaket geschnürt." Dazu gehörten ausweislich von E-Mails die Einladung, die Gästeliste, die Anmeldungen und der für den Empfang nötige Dienstplan der Helfer.

Auf Fragen, ob die DSTG-Mitarbeiterin diese Aufgaben möglicherweise außerhalb ihrer Dienstzeit erledigt hat, antwortete weder sie noch die Gewerkschaftsführung dem hr. Die DSTG-Landesleitung sieht in den Berichten über mögliche Missstände Angriffe von außen. "Wir werden uns auch künftig nicht an dieser öffentlichen Kampagne mit Kommentaren beteiligen", heißt es in einer Antwort.

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