Porträt Michael Kolmer

Klimaneutralität bis 2035, die Mobilitätswende und einen sozialen Kurs für Darmstadt - das hat sich der grüne OB-Kandidat Michael Kolmer auf die Fahne geschrieben. Eines will er aber nicht sein: eine Kopie seines Parteifreundes Jochen Partsch.

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OB-Wahl in Darmstadt: Fünf Kandidaten im Kurz-Porträt

Die Fassade des Neuen Rathaus aus der Froschperspektive fotografiert.
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Michael Kolmer eilt über den Gang im dritten Stock des Neuen Rathauses in Darmstadt, um schnell noch was zu erledigen. "Bin sofort da", ruft der 52-Jährige dem Besuch entgegen. Es ist Wahlkampf und viel zu tun. Kolmer empfängt in seinem Dezernentenbüro, das er am 19. März gerne gegen das des Oberbürgermeisters eintauschen möchte.

Zwei Fahrräder lehnen an der Rückwand seines Büros. 15 Minuten brauche er mit dem Rad von zu Hause bis ins Rathaus, erklärt der zweifache Familienvater. Kolmer ist seit Juni 2021 grüner Stadtrat und Dezernent für Klimaschutz, Planung und Mobilität. Zuvor leitete er das Amt für Wirtschaft und Stadtentwicklung.

Sozialisiert in der "Goldenen Krone"

Auch wenn er inzwischen rund 300 Meter jenseits der Stadtgrenze lebt, sieht sich Kolmer als Darmstädter durch und durch. Gerne verweist er darauf, dass seine Familie seit Generationen hier lebe. Geboren wurde Kolmer im Marienhospital. Sozialisiert worden sei er in der Kultkneipe "Goldene Krone", am Badesee Woog am Ostrand und im Hochschulstadion an der Technischen Universität.

Klimaneutralität bis 2035

Seit mehr als 20 Jahren ist der studierte Geograf und Politikwissenschaftler nun schon in der Darmstädter Verwaltung tätig. "Ich habe in dieser Zeit eine Vielzahl von Erfahrungen gesammelt, die ich als Oberbürgermeister einbringen will", sagt er.

Es gehe darum, die begonnenen Weichenstellungen der vergangenen Jahre fortzuführen, erklärt Kolmer. Die Klimaneutralität bis 2035 steht dabei ganz oben auf seiner Liste. Erreichen will er sie unter anderem über eine hohe Sanierungsquote bei öffentlichen Gebäuden. Private Hausbesitzer sollen mit Informations- und Förderangeboten etwa für Photovoltaik-Anlagen am Prozess beteiligt werden. Mehr Geothermie und Abwärmenutzung sollen den CO2-Ausstoß zusätzlich verringern.

Darmstadt sei eine soziale, tolerante und weltoffene Stadt und werde es unter seiner Führung auch bleiben, betont der grüne OB-Kandidat. Nach 2015 seien tausende Geflüchtete gut hier unterkommen. Aktuell lebten 1.700 Menschen aus der Ukraine in der Stadt. Auch für die queere Community werde viel getan, etwa mit dem Zentrum Vielbunt in der Oetinger Villa.

Die herausragende Stellung Darmstadts als Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort dürfe nicht als selbstverständlich angesehen werden, warnt Kolmer: "Daran müssen wir permanent arbeiten."

Kolmer geht es um "Flächengerechtigkeit"

Als Verkehrsdezernent, der die Mobilitätswende vorantreiben will, hat sich Kolmer in der Vergangenheit nicht immer nur Freunde gemacht. Zu spüren bekam er das zuletzt etwa bei einer Podiumsdiskussion zum Radwegausbau in der Dieburger Straße. Dort beklagen viele Anwohner den Wegfall ihrer Meinung nach dringend benötigter Parkplätze. Bei der Veranstaltung schlug ihm reichlich Unmut entgegen.

Es gehe ihm um Flächengerechtigkeit zwischen den verschiedenen Verkehrsteilnehmern, sagt der Kandidat und verweist auf das Beispiel des Neubaus der Rheinstraßenbrücke. Dieser schaffe mehr Platz sowohl für Fahrräder und Fußgänger als auch für Autos und Lkws. "Wir müssen dafür sorgen, dass alle Verkehrsmittel besser funktionieren."

Widerstand gegen grüne Wirtschafts- und Verkehrsprojekte hatte es auch beim inzwischen gestoppten Gewerbegebiet Arheilgen oder der geplanten ICE-Trasse an der Eschollbrücker Straße gegeben. Den Vorwurf grüner Klientelpolitik, wie er etwa von der SPD zu hören war, weist Kolmer aber als "tradiertes Narrativ" zurück.

Darmstadt ist grüne Hochburg

Letztlich dürfte ihm sein grünes Parteibuch, dass er erst seit 2017 besitzt, nutzen. Darmstadt ist grüne Hochburg. Bei der Kommunalwahl 2021 wurden die Grünen mit 27,4, Prozent der Stimmen stärkste Partei. Im Jahr 2011 wurde Jochen Partsch zum ersten grünen Oberbürgermeister einer hessischen Großstadt gewählt.

Als Partsch sich vor sechs Jahren zur Wiederwahl stellte, erreichte er gleich im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit mit 50,4 Prozent. Große Fußstapfen also, die Kolmer aber nicht als Bürde, sondern als Auftrag sieht. Partsch hatte im vergangenen Jahr überraschend seinen Rückzug ankündigt.

Kolmer sieht sich nicht als neuer Partsch

Als Oberbürgermeister könnte Kolmer auf die Unterstützung einer starken Fraktion im Rathaus zählen. Parteiintern ist er unumstritten. Bei seiner Nominierung stimmten 94 Prozent der Delegierten für ihn. Im Stadtparlament bilden die Grünen zusammen mit CDU und Volt eine Koalition. Die nächste Kommunalwahl findet 2026 statt.

Als neuen Partsch sieht Kolmer sich gleichwohl nicht. Er sei ein ganz anderer Mensch als sein Chef, den er "über alle Maßen" schätze, sagt Kolmer. "Ich will meine eigene Persönlichkeit in die Arbeit einbringen." In der Verwaltung sei er für einen kollegialen und modernen Führungsstil bekannt. Das wolle er auch als möglicher OB beibehalten.

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