Förderprogramm für öffentliches WLAN Landesrechnungshof kritisiert "Digitale Dorflinden" als uneffektiv
"Digitale Dorflinden" bieten kostenloses WLAN an öffentlichen Plätzen. Doch nach sieben Jahren fällt das Fazit zum Förderprogramm in Hessen unterschiedlich aus. Die Landesregierung spricht von Erfolg, der Landesrechnungshof sieht es kritisch.
Eine kleine Grasfläche umringt von einer niedrigen Steinmauer mit Sitzbänken, gesäumt von hohen Bäumen, die Schatten spenden. Hier im Ortsteil Grebendorf ließ die Gemeinde Meinhard (Werra-Meißner) eine "Digitale Dorflinde" installieren. Das Versprechen: kostenloses WLAN für alle.
Doch "alle" heißt im rund 1.600-Seelen-Ort Grebendorf, dass im Schnitt weniger als einmal pro Tag auf den öffentlichen Hotspot zugegriffen wird.
"Die Leute haben ja eine eigene Flatrate"
Lutz Jahr betreibt ein kleines Theater direkt am Platz und sagt, ihm sei noch nie aufgefallen, dass jemand das öffentliche Internet der Dorflinde nutze. "Die Leute haben ja eine eigene Flatrate, die nutzen ihr eigenes WLAN."
Bevor die "Digitale Dorflinde" im Ort installiert wurde, sei er gefragt worden, ob er den nötigen Router bei sich hinstellen würde. Jahr lehnte ab, jetzt ist er in einem Stromkasten versteckt. Die geringe Nutzung des Hotspots stört Jahr nicht.
Er sei eigentlich froh, dass nicht so viele Leute ständig den Platz belagern. Auch von Geldverschwendung seitens der Gemeinde für die Installation will Jahr nichts wissen. "Das war ja nicht abzusehen, von daher ist das schon in Ordnung, wenn da investiert wird."
Ministerium zufrieden mit Förderprojekt
Die "Digitale Dorflinde" ist ein Förderprojekt, das 2018 vom hessischen Digitalministerium ins Leben gerufen wurde. Bis zu 60.000 Euro können Kommunen für bis zu 40 Hotspots im Gemeindegebiet bekommen. Fast 3.200 solcher WLAN-Hotspots sind seitdem in ganz Hessen eingerichtet worden, für rund 3,4 Millionen Euro aus der Landeskasse.
"Ich bin überzeugt, dass kommunale WLAN-Netze bei Bürgerinnen und Bürgern auf große Nachfrage stoßen und zur Attraktivität einer Kommune beitragen werden" - dieses Zitat steht neben dem strahlenden Gesicht der Digitalministerin Kristina Sinemus (CDU) auf der Internetseite des Förderprojekts.
Von einer "echten Erfolgsgeschichte" schreibt auch das Breitbandbüro Hessen, das im Auftrag des Digitalministeriums den Ausbau der digitalen Infrastruktur in Hessen betreut.
Im Schnitt weniger als sieben Zugriffe pro Tag
Das Fazit des Hessischen Rechnungshofs fällt anders aus. Bei der Vorstellung des Jahresberichtes zu den Landesfinanzen 2023 am Montag betonte Präsident Walter Wallmann, bei der Förderung der Projekte sei vorab weder geprüft worden, ob an den Standorten für die Dorflinden ein Breitbandanschluss verfügbar war, noch sei der tatsächliche Bedarf für einen Hotspot vor Ort ermittelt worden.
Eine stichprobenhafte Untersuchung der Zugriffszahlen habe inzwischen gezeigt, dass die Digitalen Dorflinden kaum genutzt würden. In mehr als der Hälfte der Fälle sei maximal drei Mal täglich auf eine Dorflinde zugegriffen worden.
Im Schnitt waren es in ganz Hessen weniger als sieben Zugriffe pro Tag. "Das Ziel, den Kommunen und den Bürgerinnen und Bürgern dauerhaft WLAN zur Verfügung zu stellen, kann so nicht erreicht werden", so Wallmann.
Ministerium widerspricht Landesrechnungshof
Das Konzept sei "weder effektiv noch nachhaltig noch wirtschaftlich". Das Projekte müsse umfassend geprüft werden, so Wallmanns Forderung. "Alles Fördern bringt nichts, wenn es kaum Bedarf und am Schluss kaum Nutzende gibt."
Die Digitalministerin verteidigt das Projekt. "Gerade in den ländlichen Regionen wird das sehr häufig genutzt", so Sinemus. Hessenweit spricht sie von 45 Millionen Zugriffen seit Programmstart. Außerdem sei das Ministerium nur Unterstützer, den Bedarf hätten die Kommunen jeweils angemeldet.
Landesrechnungshof fordert nur absolut notwendige Investitionen
Die Aufgabe des Landesrechnungshofs ist es, zu kontrollieren, wie die hessische Landesverwaltung mit den Steuergeldern umgeht. Angesichts stetig sinkender Einnahmen in den öffentlichen Kassen sei es wichtig, die Handlungsspielräume durch "wirtschaftliches Verwaltungshandeln" zu erweitern, so der Rechnungshofpräsident. Die Schuldenbremse sei wichtig und politisch nachvollziehbar, allerdings gebe es inzwischen in vielen Bereichen einen Investitionsstau.
Wallmann mahnte, in Zukunft nur absolut notwendige wirtschaftliche Investitionen zu tätigen. So solle beispielsweise das Geld aus dem Investitionspaket des Bundes, aus dem die Länder rund 100 Milliarden Euro bekommen sollen, ausschließlich in Projekte investiert werden, für die wirklich ein Bedarf besteht.
Der Landesrechnungshof werde in den nächsten Jahren genau prüfen, wie mit den Mitteln umgegangen werde, so Wallmann, dessen Amtszeit im Juni endet und für den es bislang keinen Nachfolger gibt.
Alle staatlichen Prozesse sollen auf den Prüfstand
Der Noch-Präsident forderte, alle staatlichen Aufgaben und Prozesse auf den Prüfstand zu stellen. "Alle Förderprogramme sind sukzessive auf Wirksamkeit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit zu evaluieren."
Neben der "Digitalen Dorflinde" gehöre dazu auch das Programm Distr@l, das seit 2019 die Entwicklung digitaler Innovationen unterstützt. Laut Rechnungshof ist der Antrag zu kompliziert, was unnötig viel Beratung zur Folge hat. Außerdem sei das Programm nicht konsequent digitalisiert. "Hier sollte gerade das Digitalministerium mit gutem Beispiel vorangehen", so Wallmann.
Digitalministerin will Kritik prüfen
Sorgen mache ihm, dass Deutschland bei der Digitalisierung im internationalen Vergleich ohnehin schlecht dastehe. Auf allen staatlichen Ebenen müsse außerdem Bürokratie abgebaut werden.
Er sei deshalb gespannt auf das Entbürokratisierungsgesetz des zuständigen Ministers Manfred Pentz (CDU). "Das eine bedingt das andere, wir müssen digitalisieren, um entbürokratisieren zu können." Wallmann hofft deshalb, dass seine Bemerkungen nicht ungehört bleiben und dass auch nach Ende seiner Amtszeit die richtigen Schlüsse gezogen würden.
Digitalministerin Sinemus sagte dem hr, sie nehme die Kritik ernst und wolle prüfen, ob sie gerechtfertigt sei. Das Programm zur "Digitalen Dorflinde" laufe beispielsweise noch bis Ende des Jahres. Danach würden Kosten und Nutzen neu abgewogen.