Sven Schoeller (Grüne), neuer Kasseler Oberbürgermeister, erhält die Ernennungsurkunden von Ilona Friedrich (SPD), Bürgermeisterin der Stadt.

Knapp zwei Monate nach der Wahl ins Amt ist der Grünen-Politiker Sven Schoeller nun offiziell Kassels neuer Oberbürgermeister. Er legte den Amtseid ab. Die feierliche Urkundenübergabe übernahm diesmal nicht der Vorgänger.

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Neuer Rathauschef in Kassel

hs
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Staffelübergabe ohne Vorgänger: Sven Schoeller (Grüne) ist am Freitagabend zum Oberbürgermeister Kassels ernannt und vereidigt worden. Bereits bei der Stichwahl um das Amt des Oberbürgermeisters trat Schoeller Ende März allein an – und auch bei der offiziellen Amtsübergabe fehlte sein Vorgänger Christian Geselle.

Während sonst der vorherige Oberbürgermeister dem gewählten Nachfolger beim Amtseid in einer Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung die Ernennungsurkunde überreicht, musste dieser symbolische Akt dieses Mal Bürgermeisterin Ilona Friedrich (SPD) übernehmen. "Es war ein sehr schöner Moment, auf den ich lange hingefiebert habe", sagte der neue Oberbürgermeister im hr-Gespräch.

Geselle sagt wegen anderem Termin ab

Geselle blieb der symbolischen Veranstaltung mit Ankündigung fern. Er hatte zuvor mitgeteilt, an der Amtseinführung Schoellers wegen "eines länger geplanten anderweitigen Termins" nicht teilnehmen zu können. Die Amtskette erhielt Schoeller aus den Händen von Stadtverordnetenvorsteherin Martina van den Hövel-Hanemann (Grüne).

Schoeller kritisierte das Verhalten seines Vorgängers. "Die Übergabe von Verantwortlichkeit gehört zu einer Demokratie dazu – ich finde, dass alle Demokraten daran mitwirken sollten, dass diese Symbolik an die Menschen ausgesendet wird." Geselles Amtszeit endete am Freitag.

Schoeller will OB für alle Menschen in Kassel sein

In seiner ersten Rede betonte der 50 Jahre alte Schoeller: "Ich stelle mich in den Dienst aller Menschen, die in dieser Stadt leben, nicht nur derjenigen, die mich gewählt haben, sondern auch derjenigen, die mich nicht gewählt haben."

Ihm sei wichtig, die Öffentlichkeit bei Vorhaben und Themen einzubeziehen, so Schoeller. "Die Akzeptanz der Entscheidungen, die wir zu treffen haben, steht und fällt mit der Transparenz gegenüber der Bevölkerung."

Themen, die er gemeinsam mit den Bürgern und Bürgerinnen voranbringen wolle, seien zum Beispiel der Ausstieg aus fossiler Energie, die Sanierung und Erweiterung von Bildungseinrichtungen, die Schaffung von Wohnraum, eine "zeitgerechte" und umweltfreundliche Mobilität sowie die Förderung der Kasseler Kulturlandschaft.

Kontrahent Geselle trat vor Stichwahl zurück

Schoeller war bei der OB-Stichwahl in Kassel am 27. März äußerst knapp zum neuen Oberbürgermeister gewählt worden. Die Amtszeit dauert sechs Jahre. Der promovierte Rechtsanwalt war überraschenderweise allein angetreten. Grund dafür war, dass sich Geselle nach dem ersten Wahlgang komplett aus der OB-Wahl zurückgezogen hatte.

Seinen Entschluss hatte der 47 Jahre alte Geselle, der nach langem Streit aus der SPD ausgetreten war, unter anderem mit einer Diffamierungskampagne gegen ihn erklärt.

Schoeller erzielte knappes Ergebnis von 50,4 Prozent

Die rund 146.000 Wahlberechtigten in Kassel hatten somit bei der OB-Stichwahl nur noch für oder gegen Schoeller wählen können – mit "Ja" oder "Nein".

Nachdem die Stimmen wegen einer Datenpanne nach dem Wahlabend nochmals korrigiert werden mussten, kam der 50 Jahre alte Grünen-Politiker in der OB-Stichwahl nur noch auf 50,4 Prozent Ja-Stimmen. Das waren im offiziellen Endergebnis nur noch 360 mehr Ja- als Nein-Stimmen.

Geselle hatte den ersten OB-Wahlgang als unabhängiger OB-Kandidat noch mit 31,5 Prozent gewonnen. OB Schoeller hatte im ersten Wahlgang als Zweitplatzierter 27,8 Prozent Stimmen auf sich vereinen können.

Ende einer SPD-Ära?

Mit Schoeller als erster grüner Oberbürgermeister lösen die Grünen die SPD in deren früheren Hochburg an der Spitze des Rathauses ab. Kassel lag seit Ende des Zweiten Weltkriegs fest in der Hand der Sozialdemokraten – mit Ausnahme der Jahre 1993 bis 2005 unter CDU-Politiker Georg Lewandowski.

Im Rathaus regiert nach dem Scheitern der rot-grünen Koalition seit Dezember 2022 mit Grünen, CDU und FDP erstmals ein Jamaika-Bündnis. "Wir haben eine gute Arbeitsgrundlage in der Koalition gefunden", sagte Schoeller nach der Amtseinführung. Er spüre ein sachliches, lösungsorientiers und produktives Arbeiten – "im Interesse der Stadt".

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