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Bürgerbegehren gegen Marburger Mobilitätskonzept ist rechtswidrig

Junge Radfahrerin mit einem Rucksack, von hinten fotografiert, die auf einem Radweg in einer Geschäftsstraße fährt.

Die Unterschriften reichten zwar, doch einen Bürgerentscheid zum umstrittenen neuen Marburger Verkehrskonzept "MoVe35" wird es trotzdem nicht geben. Die Fragestellung hielt der juristischen Prüfung nicht stand.

Mehr Fahrradstraßen, breitere Fußwege, Nahverkehr im 30-Minuten-Takt: Das sind nur einige der Pläne aus dem Marburger Mobilitätskonzept "MoVe35", das die Stadtkoalition aus Grünen, SPD und Klimaliste im Juli beschlossen hatte. Ziel ist es, den Autoverkehr in der Stadt bis 2035 zu halbieren. Doch das stieß auf Widerstand.

Ein Bürgerbegehren gegen das Konzept ist nun allerdings gescheitert, wie die Stadt am Dienstag mitteilte. Zwar hätten die Gegner von "MoVe35" 6.827 gültige Unterschriften zusammenbekommen. Das ist mehr als doppelt so viel, wie für einen Bürgerentscheid nötig wäre.

Doch eine juristische Prüfung habe ergeben, dass die Fragestellung "aus gleich mehreren Gründen rechtlich unzulässig" sei, sagte Wahlleiterin Nicole Pöttgen. Die ausstehende Entscheidung der Stadtverordneten über das Bürgerbegehren sei deshalb "gebunden". Sie dürfen ein Begehren nicht zulassen, wenn es nicht die rechtlichen Voraussetzungen erfüllt. Einen Ermessensspielraum gebe es in diesem Fall nicht.

Zu viele und zu unkonkrete Fragen

Konkret bemängelt das Wahlamt, dass aus der Frage nicht klar hervorgehe, was mit dem Bürgerbegehren erreicht werden soll. So heißt es in der Fragestellung: "Sollen die 77 Maßnahmen aus dem Mobilitätskonzept vollständig neu entwickelt werden?" Daraus werde nicht ersichtlich, ob "MoVe35" komplett abgeschafft werden soll.

Nicht erlaubt sei außerdem, dass das Bürgerbegehren eine zweite Frage enthalte. In dieser geht es um regelmäßige Bürgerversammlungen während einer Neuerarbeitung des Verkehrskonzepts, die im Abstand von zwei Monaten stattfinden sollen. Nach der Hessischen Gemeindeverordnung könne die Stadtverordnetenversammlung darüber aber gar nicht entscheiden.

Auch die Kosten seien von den Antragstellern falsch berechnet worden. Anhand der Begründung könnten sich die Bürgerinnen und Bürger zudem kein Bild davon machen, welche Maßnahmen sie mit ihrer Unterschrift genau verhindern würden.

Gegen den Beschluss können alle Menschen, die das Bürgerbegehren unterschrieben haben, Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen.

Opposition befürchtet Nachteile für Autofahrer

Beantragt hatte das Bürgerbegehren die gemeinsame Fraktion aus CDU, FDP und Bürgern für Marburg im Stadtparlament. Sie befürchtet eine negative Veränderung des Stadtbilds und möglicherweise Eingriffe in bestehende Eigentumsrechte. Man sei nicht gegen Klimaschutz, empfinde das Konzept aber als "ideologisch getrieben" und "einseitig gegen das Auto" ausgerichtet. Das dürfe nicht an den Bürgerinnen und Bürgern vorbei entschieden werden.

Vor drei Jahren hatte die Stadt beschlossen, ein umfassendes Mobilitäts- und Verkehrskonzept für das Jahr 2035 erstellen zu lassen, inklusive einer breiten Bürgerbeteiligung. Rund 3.500 Menschen füllten für das "MoVe 35" Online-Fragebögen aus, eine 40-köpfige Arbeitsgruppe aus Interessensvertretern und zufällig ausgewählten Bürgerinnen und Bürgern begleitete den Prozess. Nach Angaben der Stadt war die Beteiligung so groß wie bei keinem anderen Projekt bisher.

CDU: Wollen Entscheidung juristisch prüfen lassen

Der Marburger CDU-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Dirk Bamberger sagte auf hr-Anfrage zur Entscheidung des Wahlausschusses: Es sei der Fraktion im Vorfeld durchaus bewusst gewesen, dass das Bürgerbegehren mit "rechtlichen Risiken" einhergehen würde. Man habe dies aber bewusst in Kauf genommen und offen kommuniziert.

"Dass der Magistrat nun zu einer gegenteiligen rechtlichen Auffassung kommt als wir, überrascht uns vor diesem Hintergrund nicht", so Bamberger. Man wolle die Entscheidung nun juristisch prüfen lassen und am Wochenende über das weitere Vorgehen beraten.

Spies bietet Gespräche an

Oberbürgermeister Thomas Spies (SPD) betonte am Dienstag, er nehme die Sorgen ernst, die sich durch die Zahl der Unterschriften ausdrücke. "Die Sorge, dass man in Marburg in seiner Beweglichkeit eingeschränkt würde, insbesondere von denjenigen, die auf das Auto angewiesen sind, muss ausgeräumt werden."

Ziel des Magistrats sei, die Erreichbarkeit der Stadt zu verbessern und niemanden auszuschließen, der auf das Auto angewiesen sei, so Spies. "Wir werden das Gespräch mit Kritikern in der Politik und den Initiatoren des Begehrens suchen, denn wir wollen gemeinsam gute Lösungen finden", versprach er. Stadt und Politik hätten früher und breiter über das Konzept informieren müssen, räumte er ein. Offensichtlich hätten die Informationsveranstaltungen nicht ausgereicht.

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