Chronik der Lilien-Saison Pleiten, Pech und ein Knall

Die Bundesliga-Saison wurde für Darmstadt 98 zu einer absoluten Enttäuschung. Zwei Heimspiele zu Beginn machten genauso Mut wie die Comebacks. Insgesamt aber präsentierten sich die Lilien als nicht erstliga-tauglich.

Die Lilien verabschieden sich in Dortmund von den Fans.
Die Lilien verabschieden sich in Dortmund von den Fans. Bild © Imago Images
  • Link kopiert!
Audiobeitrag
Bild © Imago Images| zur Audio-Einzelseite
Ende des Audiobeitrags

Der SV Darmstadt 98 steigt als Tabellenletzter aus der Bundesliga ab. Zumindest im vergangenen Herbst gab es Hoffnung, dass die Lilien die Liga hätten aufmischen können. Doch im Frühjahr folgte der Tiefpunkt auf mehreren Ebenen. Ein Rückblick.

August bis Oktober: Lilien finden mit Mut in die Spur

Schlimmer hätte die Saison nicht starten können: Die Lilien schieden nicht nur in der ersten Runde des Pokals in Homburg aus, sondern verloren gleich die ersten drei Saisonspiele. Beim Hessenderby in Frankfurt hielten die Darmstädter noch gut mit, gegen Union setzte es daheim aber eine Packung wie auch in Leverkusen. Tordifferenz nach drei Spielen: 2:10. Aber: Die Berliner rangierten damals auf Platz eins und spielten in der Champions League. Leverkusen deutete schon zu Saisonbeginn seine Extraklasse an. Eine richtige Bestandsaufnahme kam mit der Heimpartie gegen Gladbach, in der die Lilien einen furiosen 3:0-Vorsprung herausschossen, dann aber eine Rote Karte gegen Matej Maglica das Geschehen kippen ließ - 3:3.

Wohl aber diese Anfangsphase vermittelte den Darmstädtern, mit dem gleichen Mut wie in der Aufstiegssaison zu agieren: Die Folge war ein fulminantes 4:2 gegen Werder Bremen und ein 2:1-Auswärtssieg in Augsburg. Anfang Oktober stand die Mannschaft von Trainer Torsten Lieberknecht somit auf dem elften Platz. Doch der Dreier von Augsburg sollte für mehr als ein halbes Jahr der letzte Bundesligasieg bleiben. Einem 1:3 daheim gegen Leipzig folgte eine bittere 0:8-Klatsche in München - wenn auch lange in Unterzahl. Kein gutes Vorzeichen für die anstehenden Schlüsselspiele.

Videobeitrag
Im Hintergrund sieht man ein Fussballstadion, davor links das Logo von SV Darmstadt 98 und rechts das Logo von Werder Bremen
Bild © hr
Ende des Videobeitrags

November bis Januar: Mutmacher und Wehlmann-Knall

Daheim gegen die direkten Konkurrenten aus Bochum und Mainz holte Darmstadt nur einen Zähler. Selbst der in dieser Saison so auswärtsschwache 1. FC Köln gewann am Böllenfalltor, auch die Partie gegen Wolfsburg verloren die Südhessen. Da half auch das Unentschieden in Freiburg nur wenig. Alte Weisheit: Wenn du drin bleiben willst, musst du die Heimspiele (gegen die direkten Konkurrenten) ziehen.

Mehr und mehr wurde deutlich, dass den engagierten Darmstädtern ein Knipser fehlte, Filip Stojilkovic blieb hinter den Erwartungen, Fraser Hornby war oft verletzt und der zurückgeholte Luca Pfeiffer kam nicht in Tritt. Erst das letzte Spiel des Jahres ließ Hoffnung aufkeimen, weil Pfeiffer endlich wieder ins Tor traf und auch der andere Rückkehrer, Tim Skarke, seine Vorstellung mit einem Doppelpack krönte. So holten die Lilien mit dem 3:3 in Hoffenheim einen Mutmacher-Punkt.

Einen noch größeren emotionaleren Booster brachte das Rückspiel gegen die Eintracht, in dem die Lilien einen 0:2-Rückstand noch in letzter Sekunde ausglichen. Allerdings blieben sie - trotz der hinzugeholten Gerrit Holtmann und Sebastian Polter - in den folgenden drei Spielen ohne eigenen Treffer. Turbulent ging es fernab des Rasens zu, als der Klub im Dezember die Trennung vom Sportlichen Leiter Carsten Wehlmann verkündete und die Transferphase ohne neuen starken Mann von außerhalb bestritt.

Februar bis Mai: der Kollaps

Das Spiel in Bremen hätte zu einem Befreiungsschlag werden können, doch das Schiedsrichter-Gespann (und der VAR) erkannten den Treffer zum 2:1 von Tim Skarke in der Nachspielzeit ab. Das war Pech für die Lilien, doch dann kam Unvermögen hinzu: Am 2. März erlebten die 98er einen der schwärzesten Tage der jüngeren Vereinsgeschichte. Das Team ging gegen Augsburg mit 0:6 unter, die Fans selbst mit Fäusten aufeinander los, die Ansage eines Ultras ans Team über Deutschland hinaus viral. So stand das folgende Heimspiel gegen die Bayern vor allem unter dem Motto des demonstrativen Zusammenhalts. Auf dem Rasen führten die Lilien sogar gegen den Rekordmeister, reagierten in der Folge aber so ehrfurchtsvoll gegenüber den Münchnern (2:5) wie in den Katakomben, als sie für den Trikottausch Schlange standen.

Pleiten gegen Leipzig oder eben die Bayern waren mehr oder minder einkalkuliert gewesen, doch das Spiel in Mainz geriet für Darmstadt wieder komplett aus den Fugen. Die Rheinhessen zeigten den Lilien, wie Abstiegskampf funktioniert und obsiegten mit 4:0 - nicht einmal zu hoch. Erst Ende April durften die Darmstädter wieder einen Auswärtssieg feiern, 2:0 beim 1. FC Köln. Der Abstieg war allerdings zu diesem Zeitpunkt schon so gut wie sicher, bevor er im Heimspiel gegen Heidenheim endgültig besiegelt wurde. Die Ankündigung, sich mit Anstand und Ehre zu verabschieden, erfüllten die Darmstädter nicht. In den letzten drei Saisonspielen kassierten sie 13 Gegentore, schossen kein einziges Tor. Das letzte Heimspiel gegen Hoffenheim geriet zur Farce (0:6). "Ihr seid und bleibt erstklassig", ließen die Spieler ihre Fans beim letzten Spiel in Dortmund via Transparent wissen. Für die Mannschaft galt das nicht.

Videobeitrag

Highlights: Darmstadt - Hoffenheim

Im Hintergrund sieht man ein Fussballstadion, davor links das Logo von SV Darmstadt 98 und rechts das Logo von 1899 Hoffenheim
Bild © hr
Ende des Videobeitrags

Fazit

Dem kurzen Sturm und Drang im Herbst mit beseeltem Offensivfeuerwerk gegen Gladbach und Bremen ließen die Lilien wenig Vergleichbares folgen. Der Kader hatte zu wenig Qualität und Erfahrung für die Bundesliga, für Auftritte wie gegen Augsburg, in Mainz oder gegen Hoffenheim taugte aber auch dies nicht als Erklärung. All die Stärken aus der Aufstiegssaison wie Geschlossenheit, Defensivarbeit und Chuzpe ließ Darmstadt 98 in der Bundesliga vermissen.

Weitere Informationen

Sendung: hr-iNFO, 18.5.2024, 7.55 Uhr

Ende der weiteren Informationen

Quelle: hessenschau.de/Ron Ulrich