Bilder noch vor dem Krieg: Champions-League-Teilnehmer FK Motor Saporoschje

In ihrer Heimat tobt der Krieg. Deshalb darf der ukrainische Handball-Meister FK Motor Saporoschje in der kommenden Saison in der zweiten deutschen Handball-Bundesliga mitspielen. Der hessische Zweitligist TV Hüttenberg freut sich schon. Doch es gibt auch Kritik.

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"Solidarität unter Handballern" - TV Hüttenberg Geschäftsführer Friedrich zur Teilnahme des ukrainischen Meisters

TV Hüttenberg Geschäftsführer Fabian Friedrich
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Täglich gehen die Bilder von den zerstörten Städten der Ukraine um die Welt. Das Leid der Menschen vor Ort im Krieg ist nicht zu ermessen. Die besten Handball-Spieler der Ukraine hatten großes Glück. Sie wurden von ihrer Regierung mit der Nationalmannschaft bei Kriegsbeginn außer Landes geschickt, absolvierten zahlreiche Benefiz-Spiele, u.a. in Wetzlar. Nun sollen sie bis auf weiteres zusammen mit ihren Familien vor dem Krieg in Sicherheit gebracht werden und als Mannschaft in der 2. Handball-Bundesliga in Deutschland spielen.

Der ukrainische Handball-Meister FK Motor Saporoschje, aus dessen Spielern sich die Nationalmannschaft weitgehend zusammensetzt, bekommt ein Gast-Startrecht für die kommende Saison. Die Entscheidung wurde von den Zweitligisten - darunter auch der TV Hüttenberg aus Mittelhessen - mehrheitlich getroffen. Es war eine Frage der Handballer-Ehre: "Der Solidaritäts-Gedanke im Handball ist sehr groß. Die Handball-Familie steht da zusammen. Ich weiß nicht, in welchem Sport das noch funktionieren würde", sagte der Geschäftsführer der TV Hüttenberg, Fabian Friedrich, dem hr-sport.

Saporoschje spielt in der 2. Liga außerhalb der sportliche Wertung. Sprich: auf- oder absteigen können sie nicht, Punkte werden nicht vergeben, auch nicht für den Gegner. Mit dabei im Team von Saporoschje könnte dann auch wieder Torwart Gennadiy Komok, der Anfang April - wegen des Krieges in der Ukraine - von der HSG Wetzlar verpflichtet worden war. In der kommenden Saison spielt Komok jedoch nicht mehr in Wetzlar, wie die HSG auf Anfage des hr-sport mitteilte. Der 34-Jährige soll jedoch noch andere Angebote haben.

Schutz vor russischen Raketen und Kritik im Internet

Die Aufnahme des ukrainischen Meisters in die 2. Liga soll ganz konkret das Leben der Handballer schützen. "Wir wollen ein Zeichen für den Frieden setzen und den Handballern die Möglichkeit geben, ihren Beruf weiter auszuüben. Zugleich wollen wir sie vor russischen Raketen beschützen. Saporoschje ist unter Beschuss der russischen Armee. Es liegt nur wenige Kilometer von der Frontlinie entfernt", sagte Liga-Geschäftsführer Frank Bohmann.

Teilweise sehr scharfe Kritik an der Aufnahme der ukrainischen Mannschaft gab es in den sozialen Medien. Dort wurde auch die Frage gestellt, warum die Liga nicht auch in anderen Kriegs-Gebieten helfe. Bohmann: "Wir setzen uns immer mit Kritik auseinander. Ja, man kann immer etwas schwarzes und etwas weißes sehen. Diese Sache ist aber tatsächlich ein Akt der Menschlichkeit. Da lasse ich auch nicht mit mir drüber reden."

Hüttenberg freut sich auf Duell gegen Champions-League-Klub

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges am 24. Februar ruht der Spielbetrieb in der Ukraine. Saporoschje, das seit 2013 stets den nationalen Meistertitel gewann, könnte durch die Spiele in der zweiten deutschen Handball-Liga die nötige Spielpraxis für die Champions League sammeln. Für eine Teilnahme an der Königsklasse müsste die Europäische Handball-Föderation (EHF) Saporoschje allerdings eine Wildcard erteilen. Diese gilt jedoch als wahrscheinlich.

Zerstörungen durch den Krieg in der Region Saporoschje

Der hessische Zweitligist TV Hüttenberg würde in der kommenden Saison also gegen einen Champions-League-Teilnehmer spielen. Geschäftsführer Friedrich: "Das wird eine spannende Zeit. Sich in der nächsten Saison in der Liga mit einer Mannschaft auf Champions-League-Niveau messen zu können, das ist natürlich super."

Start in der Bundesliga undenkbar

Ein Startrecht des ukrainischen Meisters in der der ersten Bundesliga war aufgrund des ohnehin vollgepackten Spielplans auch auf europäischer Ebene nach Angaben der Liga-Bosse ausgeschlossen. In der 2. Liga kommen die Gaststarter gewissermaßen sogar gelegen: Da die Liga in der kommenden Saison ursprünglich mit 19 Teams ausgespielt werden sollte, werden spielfreie Wochenenden nun vermieden.

Ihre Heimspiele absolvieren die Ukrainer übrigens in Düsseldorf, in einer Halle für 3.000 Zuschauer. Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt sorgt auch für die Unterbringung des Teams. Die Saison in der zweiten Liga beginnt Anfang September und damit auch die gelebte Solidarität der großen Handballer-Familie. Sollte der Krieg in der Ukraine vorbei sein, würde das Team vom FK Motor Saporoschje natürlich sofort wieder in ihre Heimat zurückkehren. Doch wie lange das dauert, ist derzeit natürlich völlig unklar.